Samstag, 25. März 2023

Samstagsplausch KW 12/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLVIII

Sonnabend genossen wir den Frühling auf der Terrasse im alt-neuen Haus. Durch das gute Wetter ging  vieles leichter von der Hand. Außerdem sind wir beide quasi über Nacht fast schmerzfrei. Der Gatte hatte letzte Woche den Verdacht, unsere neuen Einlagen könnten Schuld an unseren Beschwerden sein. Seit ein paar Tagen trägt er keine Einlagen mehr, trage ich wieder meine alten, sind wir beide fast beschwerdefrei. Da ist ein Besuch beim Orthopäden fällig, damit wir andere Einlagen bekommen.

Sonnabend luden wir jede Menge Sperrmüll aus der Kellerdiele ins Auto des Gatten, das endlich mal einen Parkplatz vor der Tür hatte, und räumten die Küche soweit frei, dass der Fliesenleger theoretisch loslegen kann. Die Regale stehen jetzt alle im zukünftigen Esszimmer. 

Sonnabend meldete sich der Bodenleger. Er wird nochmal kommen, um die Türen anzupassen, und ärgerte sich, dass er diesen Punkt auf der Rechnung vergaß. 

Sonnabend rief die ältere Schwester meiner Mutter an. Ich hatte ihr geschrieben, wie es um Mudderns steht, damit sie Gelegenheit hat, Abschied zu nehmen. Sie entschied sich dagegen, möchte ihre Schwester so in Erinnerung behalten, wie sie sie vor sieben Jahren zuletzt sah. Ich hätte auch nicht zugeraten, mit fast 88 Jahren über 300 km zu fahren, wo ungewiss ist, dass Mudderns einen Besuch überhaupt zulässt. Die Tante erzählte, dass ihr Lebensgefährte gerade im Krankenhaus liegt - zum dritten Mal binnen weniger Wochen. Erst das Herz, dann im Krankenhaus mit Corona infiziert, schließlich ein Schlaganfall. Welch ein Schicksal! 

Im Garten blüht sehr üppig der Krokus, der jahrelang unter Laubschichten kaum wahrgenommen wurde.

Hier gilt seit mittlerweile 158 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit der Übernahme meines früheren Elternhauses Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weder der Gatte noch ich haben Lust, zur Entlastung der Rentenkassen beizutragen.

Sonntag besuchte ich Mudderns im Pflegeheim und erfuhr, dass überlegt wird, ihr das Telefon wegzunehmen, denn seit Tagen ruft sie wiederholt Feuerwehr und Polizei an, wenn ihr langweilig ist. Das geht natürlich nicht! Im Gespräch mit Mudderns stellte sich heraus, dass ihr die Konsequenzen klar sind, sie die Anrufe aber trotzdem nicht unterlassen wird. Nun denn, dann halt kein Telefon mehr. Sie wollte, dass ich ihr ein Taschentelefon besorge, damit sie weiterhin Polizei oder Feuerwehr anrufen kann, was ich natürlich nicht mache. Mudderns will einen neuen Rollstuhl haben, denn am jetzigen passt ihr nicht, dass sie die Räder nicht selber drehen kann. Es ist ja immer ungewiss, was sie einem nur vorspielt, aber da sie anscheinend nicht mehr in der Lage ist, sich selbst aufzusetzen, weil sie keine Kraft in den Armen hat, bezweifle ich, dass sie einen Rollstuhl selbst schieben kann. Immerhin lässt Mudderns inzwischen die Versorgung durch eine bestimmte Pflegekraft zu. Ist die allerdings nicht im Dienst, lehnt sie jede Versorgung ab. 

Während ich bei Mudderns war, rückte der Gatte einer unerwünschten Schiebetür im Keller mit der Flex zu Leibe. Vorher verzweifelten wir schon an den gut sechzig Jahre alten Schrauben. 

Montag ruckelten sich ein paar Sachen zurecht. Die Fliesen kamen pünktlich und wurden netterweise bis vor die Haustür geliefert. Dort liegen sie jetzt erstmal, bis ich sie ins Haus schaffe. Wir fanden einen Fliesenleger, der vermutlich im Juni kommt, vielleicht auch schon früher. Wir fanden tatsächlich auch einen Elektriker, der einen Termin für dieses Jahr vergab: Im August. Dementsprechend konkretisiert sich der Umzugsmonat auf September. Mal gucken, ob wir dann auch schon eine neue Küche haben werden, denn die hängt vom Elektriker ab. Zumindest aber können wir einen Teil der Küchenmöbel aufbauen, notfalls auf der Terrasse zwischenlagern. Wir sind allerdings unsicher, ob wir die Wohnung tatsächlich zum September kündigen sollen oder lieber abwarten, ob der Elektriker tatsächlich kommt. 

Montag bekam der Gatte einen Termin für die Nierenbiopsie. Der kollidiert zwar mit Tantes 90. Geburtstag, aber nun ja. Wir können nicht die ganze Woche mit ihr feiern, aber zumindest an ihrem Geburtstagsmorgen mit ihr anstoßen. 

Was für ein Schreck! Als das Seitenteil abgenommen war, fiel ein zentnerschwerer Oberschrank, der nur mit Silikon am Seitenteil befestigt war, fast auf den Gatten. Und wir wunderten uns, wieso keine Aufhängung zu finden war.

Montag fiel der Einbauschrank im Flur - zum Glück nicht auf den Gatten. Der konnte gerade noch zur Seite springen, fiel dabei zum Glück nicht die Kellertreppe herunter, als der zentnerschwere Oberschrank plötzlich schräg nach unten fiel. Wir rechneten damit, dass er gerade nach unten fällt, wenn er fällt, denn wir gingen davon aus, dass er noch an der Wand befestigt ist, wenngleich wir keine Befestigung entdecken konnten. Wir konnten uns aber nicht vorstellen, dass der Oberschrank tatsächlich nur durch Silikon an einem Seitenteil gehalten wurde! Als das weggestemmt war, fiel der Schrank. Ein Wunder, dass der bummelig 45 Jahre an Ort und Stelle blieb. Es blieb wie geplant genug Holz übrig, um die Auskragung im Treppenhaus zu verkleiden. Der Flur wird also auch langsam licht und hell, und bald kann der Maler wieder kommen. 

Montag gelang es dann auch endlich, das mobile Notrufgerät des Gatten richtig einzurichten. Bislang wurde ja Hamburg als Standort angezeigt, egal, wo wir waren. Jetzt funktioniert das GPS-Signal einigermaßen ordentlich, wenn auch nicht bis auf den Meter genau.

Dienstag und Mittwoch waren diese Woche meine beiden Büro-Tage. Sie waren arbeitsintensiv, denn vor allem der Mittwoch geht fast komplett für Besprechungen drauf. Es gab viele "Damals, vor drei Jahren"-Momente, denn ich traf mich mit der Crew, mit der ich vor drei Jahren zum letzten Mal analog an meinem Mammutprojekt arbeitete. Wir wussten noch nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass wir analog arbeiten. 

Zwischendrin kümmerte ich mich um Mudderns Krams, denn die spielt gerade mal wieder ihre Gesellschafterin und mich gegeneinander aus. Mudderns ging inzwischen auf, dass es keine gute Idee war, Notrufe abzusetzen, weil ihr langweilig war. Sie verlangt nach einem Telefon. Ich traue ihr nicht. Dass Mudderns momentan kein Telefon hat, ist tatsächlich auch eine Entlastung für mich, denn auch bei uns rief sie ja phasenweise sehr oft an, wenn ihr langweilig war, auch nachts. Alternative Beschäftigungen gegen Langeweile lehnt sie ab, sowohl die täglichen Angebote des Heims als auch Radio, Fernseher, Zeitungen oder Bücher. 

Für den Rollstuhl habe ich wie von Mudderns gewünscht ein Kissen gekauft, weil ihr die Sitzfläche zu wenig gepolstert war. Ihre Gesellschafterin ist wild entschlossen, Mudderns wieder auf die Beine zu bekommen.  Ziel ist, in vier Wochen in einem Café den vierten Jahrestag von Mudderns und ihrer Gesellschafterin zu feiern. Ich bin gespannt. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Plan B greift und wir uns in ihrem Zimmer zusammensetzen. Auch mit Kissen verweigert Mudderns natürlich den Rollstuhl, und genau deswegen werde ich auch keinen anderen kaufen. In ihrem Zimmer stehen inzwischen zwei Rollatoren und ein Rollstuhl, das gleicht einer Rumpelkammer.

Und wieder einmal frage ich mich, wieso ich mich eigentlich um solche Sachen wie Arztbesuch, Physiotherapietermine, Rollstuhl etc. kümmern muss, wo Mudderns doch im Pflegeheim ist, wie Menschen damit zurecht kommen, die zeitlich nicht so flexibel sind wie ich oder gar nicht in der Nähe ihrer Angehörigen leben. Ich bin täglich damit beschäftigt, irgendwas für meine Mutter zu organisieren, was langsam das Ausmaß einer Vollzeitstelle annimmt. Ich hätte weniger Probleme, alles zu organisieren, wenn Mudderns mitspielen würde. Aber es macht einfach keinen Sinn, einen Arztbesuch zu organisieren, weil sie Schmerzen hat, weil sie ihre Schmerzmittel verweigert, denn der Arzt sagt auch nur, dass sie ihre Medikamente nehmen muss, die sie aber verweigert. Da drehen wir uns ergebnislos im Kreis, was den Arzt und mich Zeit und Kraft kostet, Mudderns aber ein diebisches Vergnügen bereitet, weil sich alles nur um sie dreht. Gleiches gilt für die Physiotherapie, die sie haben möchte, dann aber verweigert, zumal sie dafür das Bett verlassen müsste. Mittlerweile höre ich immer öfter "Ihre Mutter stirbt, wenn sie nicht aufsteht!", aber ich kann sie ja nicht aus dem Bett zerren und in den Rollstuhl pfropfen, zumal sie Monsterkräfte entwickelt, wenn sie etwas nicht will.   

Meine Schublade mit liebevollem Verständnis ist schon lange leer. Es gibt nur noch klare Kante: Wenn Mudderns nicht aufstehen will, muss sie mit den Konsequenzen leben.  

Freitag waren der Gatte und ich in der neuen Heimat im Kino, sahen "Everything Everywhere All at Once". Für mich war es das erste Mal seit meinem Wegzug vor 39 Jahren, dass ich wieder in dem gar nicht so kleinen Lichtspielhaus war. Als Kind und Jugendliche hatte ich dort durch günstige Umstände oft freien Eintritt, kam selbst in ausverkaufte Vorstellungen, indem einfach ein Stuhl dazu gestellt wurde oder ich den Vorführerplatz bekam, und liebte besonders das Kino mit der Bar. Da saß man an kleinen Tischchen mit Lämpchen und wurde während der Vorstellung bedient, oder man saß direkt an der Bar. Die Bar gibt es seit einem Umbau leider nicht mehr, ebenso wenig wie das schöne Fünfziger-Jahre-Foyer mit beleuchtetem Springbrunnen oder das Siebziger-Jahre-Bistro. Dafür gibt es einen Imbiss mit dem hübschen Namen "Fetisch". Nun ja. Der Laden ist zwar total heruntergerockt, aber die Croques waren gut, der Inhaber sehr nett. Da waren wir vermutlich nicht zum letzten Mal. 

Davon ab überlegten wir, wann wir das letzte Mal im Kino waren. Das muss 2019 gewesen sein. Mindestens. Damals gab's noch richtige Kinokarten, die ich ins Tagebuch kleben konnte, anders als den QR-Code, den es jetzt nur noch gibt. Ins Kino gehen wir sicher wieder öfter, jetzt, wo wir zu Fuß hingehen können.

Zu den schönen Momenten diese Woche trugen unsere Gärten bei. Im Hamburger Garten tummeln sich viele Meisen, die brüten, und Rotkehlchen. Das ist schön anzusehen. Die Pfingstrosen erwachten aus dem Winterschlaf. Ich überlege, sie schon jetzt in den alt-neuen Garten umzusetzen. Dort sprießt der Bärlauch, den Mudderns Ostern vor 25 Jahren vom Kompost aus dem Jagdschloss Granitz mitnahm (dazu erzählte ich hier vor zwölf Jahren schon mal mehr). Auch in Hamburg kommt der Bärlauch, und ich darf nicht vergessen, ihn ins alt-neue Haus umzusetzen. Die umgesetzte Magnolie öffnet langsam die Kätzchen. Der alte Apfelbaum scheint das Kappen nicht übel genommen zu haben und setzt ebenfalls Knospen an - sagt der Gatte. Ich konnte keine sehen. Der Schneeball berappelt sich. Für Mudderns Garten brauche ich unbedingt Schildchen, die ich in den Erde stecken kann, damit ich weiß, was wo wächst.    

Zu den schönen Momenten gehörte auch, dass ich Dienstag ziemlich ungestört den "Miss Merkel"-Fernsehfilm sehen konnte. Der war sogar gut. Schön ist auch, dass es morgens und abends lange hell ist, die Tage wieder länger werden. Und wir erobern uns langsam das alt-neue Haus, nutzen jetzt alle vier Stockwerke, nicht mehr nur ein Zimmer. Mein Luftbett steht schon im zukünftigen Schlafzimmer. Der Gatte schläft ein Stockwerk höher im Eisenbahnzimmer im Gästebett, das wir nicht interimsweise ins Schlafzimmer schleppen wollten. Demnächst müssen wir mal zu Ikea, Badezimmermöbel, Schreibtische, Schreibtischstuhl und Garderobe kaufen. Dann muss ich an meinen Heimbürotagen nicht mehr am Esstisch arbeiten. Gekauft wurden zwei aufblasbare Sessel, damit wir langsam ein Wohnzimmer-Gefühl bekommen, denn wir werden ja mindestens noch ein halbes Jahr ohne Sofa sein. Die Gartenstühle, die wir bislang nutzen, sind nicht wirklich bequem. Als wir nur ein Zimmer bewohnten, konnten wir uns zum Fernsehen in die Betten kuscheln, aber die stehen ja nun ein bzw. zwei Stockwerke höher. Der Gatte guckt aktuell deswegen gerne im Bett auf dem Laptop Serien und freut sich, dass das wlan-Signal über vier Etagen reicht - zumindest, solange die Zimmertüren noch ausgehängt sind.  

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

1 Kommentar:

  1. Ich kann mir vorstellen, dass Mudderns euch gegenseitig ausspielt. Wir haben auch weniger durcheinandergeratene Menschen, die auf unserer Station dann die Feuerwehr rufen, weil sie kein Wasser von uns bekommen. Alles schon erlebt.
    Es geht aber ordentlich voran in eurem Häuschen.
    Liebe Grüße
    Andrea

    AntwortenLöschen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.