Sonntag, 8. Mai 2022

Samstagsplausch KW 18/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXII

Die Sonnenuntergänge vom
Hotelzimmer waren traumhaft.
Diese Woche stand Schwiegermutters Geburtstagsreise an, die den Gatten so sehr unter Druck setzte, dass er drei Mal stürzte, einmal so stark, dass er eine Nacht ins Krankenhaus zur Beobachtung musste, neben retrograder Amnesie jede Menge schmerzhafte Prellungen und eine große genähte Platzwunde auf dem Kopf mitbrachte. 

Insgesamt hatte er Glück im Unglück, denn der letzte Sturz aus anderthalb Metern Höhe hätte auch sehr viel schlimmere Folgen haben können. Die Angestellten im Schwimmbad, wo der Gatte verunfallte, als auch das Notärzteteam waren übrigens einfach großartig und sofort zur Stelle.

Die Ärzte im Krankenhaus waren entgeistert ob der Menge Blutdrucksenker, die der Gatte nimmt, was sich mit unserer Vermutung deckt, dass sie mit für die häufigen Stürze verantwortlich sind, denn quasi sobald der Gatte aufsteht, kippt er um. Der Kardiologe kam vorletzte Woche zum gleichen Ergebnis. Mal schauen, ob seine Hausärztin dem Rat des Kardiologen folgt. Wenn die Medikamente für die Stürze verantwortlich sind, helfen weder Sport noch Sturzprophylaxe. 

Die Woche war unwahrscheinlich anstrengend. Bis der Gatte ins Krankenhaus kam, musste ich nur zwischen Schwiegermutter und ihm puffern, dann aber musste ich komplett übernehmen. Es gab immer wieder sinnlose Diskussionen, die mich normalerweise schon Kraft kosten, aber jetzt erst recht. Ich hätte nie gedacht, wie lange man darüber diskutieren kann, wie man drei Personen auf vier Stühle platziert oder dass ich darüber diskutieren muss, ob ich den Wagen des Gatten fahren kann. Während Schwiegermutter noch diskutierte und überlegte, wie sie die Heimfahrt organisiert, war ich samt Wagen des Gatten und Notfallgepäck schon auf dem Weg zu ihm ins Krankenhaus (und natürlich fuhr ich uns alle auch nach Hause). Zum Glück bin ich geübt darin, freundlich-bestimmt Anweisungen zu erteilen, und schnell merkte Schwiegermutter, dass ich gelegentlich schlichtweg nicht diskutiere, auch und erst recht nicht mir ihr. Das befremdete sie, kannte sie diese Seite doch nicht von mir, aber ihr gegenüber zeige ich sie auch nur selten, sondern meide eher den Kontakt zu ihr (und damit Auseinandersetzungen). 

Es überrascht mich immer wieder, worüber sich Schwiegermutter beschweren kann. So war das Hotel viel zu groß, fehlt ein Aufzug von ihrem Zimmertrakt in den Pool-Bereich, musste sie deswegen im Bademantel an der Bar vorbei (die tagsüber geschlossen ist, aber es geht ja ums Prinzip), geht man nicht direkt am Wasser, wenn man oben auf dem Deich läuft (was ja irgendwo auch beruhigend ist, weil der Deich dann tut, was er soll) und und und. Zum Glück bin ich durch Mudderns in Exzentrik, Egozentrik und Narzissmus trainiert, aber bei Schwiegermutter setzt sich zusätzlich immer öfter eine boshaft-aggressive Note durch. Dass sie sich weigert, ihre Hörgeräte zu tragen, macht es nicht leichter. Außerdem versucht sie, den Gatten und mich durch Lügen und Intrigen gegeneinander auszuspielen - sie sollte nach über 22 Jahren eigentlich verstanden haben, dass das nicht klappt. 

Schwiegermutter gibt wirklich alles, um sich das Leben so schlecht wie möglich zu machen und jegliche Verantwortung auf andere abzuschieben. Dabei könnte sie einen vergleichsweise luxuriösen Lebensabend genießen, aber sie findet an allem etwas zu meckern. Sie will unglücklich sein. Das kenne ich von Mudderns, damit kann ich umgehen, aber es kostet unwahrscheinlich viel Kraft (und vergiftet alle und alles in ihrer Umgebung). Mudderns lässt sich immerhin durch ihre Gesellschafterin positiv beeinflussen, was mir in den letzten drei Jahren vieles erleichterte, aber an Schwiegermutter kommt niemand heran. 

Unwahrscheinlich kräftezehrend für den Gatten war auch, dass Schwiegermutter permanent präsent war. Sie kann sich selbst nicht auf den Beinen halten, musste ihm aber jedes Mal, wenn er mit Mühe aufstand, helfen - oder zumindest dachte sie, sie täte das mit ihren vermeintlich launigen Anfeuerungsrufen. Wenn der Gatte dann zunehmend barscher darum bat, das zu lassen, war sie beleidigt. Natürlich ist es schwer, zuzusehen, wie sich der Gatte oft quält, weil die Beine nicht so wollen wie er, und weil er starke Schmerzen hat. Wir haben die Übereinkunft, dass er sagt, wenn er Hilfe braucht, und das klappt sehr gut, nur Schwiegermutter versteht einfach nicht, dass der Gatte auch ohne Hilfe zurecht kommen will und muss. Sein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sind wieder am Boden - Urlaub und Unfall warfen ihn um Wochen zurück.

Für die kommenden Wochen nahm sich Schwiegermutter vor, an jedem Tag, an dem ich im Büro bin, spätestens nachmittags zu uns zu kommen, damit der Gatte unter Kontrolle ist, schließlich muss sie sicherstellen, dass der Gatte seine Medikamente nimmt, richtig isst und anschließend spazieren geht, denn ohne ihre Überwachung sitzt er ja ihrer Meinung nach nur vor dem Fernseher. Der Gatte überlegt, die Tage im Keller zu verbringen, um dem zu entgehen, denn ein Nein akzeptiert Schwiegermutter nicht. Das wird noch unschöne Szenen geben. 

Für mindestens zehn Tage soll sich der Gatte ohnehin schonen, und darunter verstehen die Ärzte sicher nicht, dass Schwiegermutter stundenlange Spaziermärsche mit ihm macht (aber was ist schon das Wissen der Ärzte gegen die Überzeugungen von Schwiegermutter). Laut Kardiologen ist aktuell keine 24-Stunden-Betreuung notwendig, und uns tut es sicher gut, ein paar Stunden getrennt zu sein, auch wenn wir es gut miteinander aushalten. Natürlich beunruhigt das Sturzrisiko, aber das wird auch nicht durch Schwiegermutters Anwesenheit minimiert, denn im Ernstfall wüsste sie nicht, was zu tun ist, scheitert schon an der Bedienung des Telefons. 

Ich versuchte trotz der widrigen Umstände, mir selbst etwas Gutes zu tun, und so war ich jeden Morgen zwischen sieben und acht Uhr im Fitnessraum, genoss die Ruhe, die hoppelnden Wildkaninchen vorm Fenster und dass ich mich gerade mal ganz auf mich konzentrieren kann. Krafttraining ist für mich pure Meditation. Wann immer es ging, war ich auch schwimmen, und einmal buchte ich Wassergymnastik - der Trainer war klasse, den hätte ich gerne zu Hause. Ich gönnte mir auch zwei Massagen, nachdem ich anfangs dachte, ich möchte keine, weil ich es nicht mag, wenn an mir herumgezuppelt wird. 

Leider klappte es nicht mit der angedachten Radtour nach Hohwacht - oder zum Glück, denn der einzige Tag, an dem die möglich gewesen wäre, war der Tag, an dem der Gatte verunfallte und ins Krankenhaus musste, und wir mögen uns nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wäre Schwiegermutter mit der Situation alleine gewesen. So war da zumindest eine ruhige Angehörige für die Rettungskräfte ansprechbar. Ich schob Schwiegermutters Ansinnen, mit dem Gatten ins Krankenhaus zu fahren, auch gleich einen Riegel vor, denn es war nur eine Besuchsperson erlaubt (wobei der Gatte ohnehin auf der Aufnahmestation blieb, auf der Besuchsverbot ist). 

Hier gilt seit mittlerweile 112 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Der Gatte wurde im ersten Corona-Jahr schwerkrank, ist inzwischen berufsunfähig verrentet und schwerbehindert. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus.

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Mal schauen, wie lange noch. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Ich trage weiterhin FFP2-Maske, wann immer ich unter Menschen bin - okay, beim Schwimmen nicht (gäbe es Schwimm-Masken, trüge ich auch die). Der Gatte möchte in Situationen, in denen keine Masken vorgeschrieben sind, zu Alltagsmasken wechseln, weil er die hübscher findet.

Corona ist ja inzwischen politisch für beendet erklärt worden - wie falsch das ist, war im Krankenhaus zu merken, denn für den Besuch beim Gatten brauchte ich seit fast einem Jahr wieder einen Nachweis über einen negativen Corona-Test. Zum Glück war am Urlaubsort ein Testzentrum. Das Krankenhaus hatte aber auch ein Testzentrum vor der Tür, nur war das erst klar, als ich dort war. Und solange die Krankenhäuser noch Besuchseinschränkungen bzw. Besuchsverbote haben, auf Kontakterfassung, Negativtests und FFP2-Maske bestehen, vertraue ich eher den Krankenhäusern und nicht den Politikern.

Wieder zu Hause, genossen der Gatte und ich den ersten lauen Abend auf dem Balkon. Bei allem Genuss macht uns das Wetter aber auch Sorgen: Es regnete seit 13. April nicht, und in der nächsten Zeit ist weit und breit kein Regen in Sicht.

Mudderns und Tante geht's Gott sei Dank gut. Tante hat kommende Woche Geburtstag, und dass wir den das dritte Jahr in Folge nicht zusammenfeiern können, ist schade. Aber sie wird vor Ort Gesellschaft haben, einen Ausflug machen, und hat so hoffentlich einen schönen Tag. Von uns machte sich ein Päckchen auf den Weg, und natürlich werden wir telefonieren.   

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

1 Kommentar:

  1. Du hats es aber auch nicht leicht. Deine SchwieMu hört sich wie meine an. Zum Glück haben wir unsere auf Abstand!
    Liebe Grüße
    Andrea

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