Samstag, 25. Mai 2024

Samstagsplausch KW 21/24: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXIX

Das war wieder eine extreme "Ich kann einfach nicht mehr!"-Woche. Ich rannte schon am Wochenende ständig gegen Mauern an. Nichts, was ich erledigen wollte, ließ sich erledigen, sei es die Übertragung der Bankkonten meiner Mutter auf mich, sei es das Buchen und Bezahlen zusätzlicher Services für unseren Urlaub, die Bevollmächtigung des Steuerberaters oder Blogger, das auch nicht mehr so arbeitet, wie es soll.

Dienstag und heute klappte ich dann schlichtweg zusammen. Dienstag, weil es trotz des dritten Besuchs des Klempners in diesem Monat noch immer eine Leckage im Badezimmer gibt, und heute, weil es einen Kurzschluss hab, zwei Tage, nachdem der Elektriker neue Steckdosen für die neue Küche legte und dabei eine Leitung traf. 

Nach wie vor ist es der Normalzustand, dass es kaum einen Tag gibt, an dem ich das machen kann, was ich mir vorgenommen habe, was ich machen möchte, weil irgendwas aus dem Ruder läuft. Wie der Gatte vor zwei Wochen sagte: "Wir können nur noch reagieren!" Immerhin: Niemand kam ins Krankenhaus. Angesichts der Erfahrungen der letzten vier Jahre sollte ich dafür dankbar sein.

Hier gilt seit mittlerweile 219 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch  vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so.   

Zu den guten Dingen in dieser Woche gehörte, dass ich in die Therapiegruppe, zum Reha-Sport und in ein Konzert gehen konnte, dass es eine nette Begegnung mit einer Nachbarin gab. Ich überlege, Therapiegruppe und Reha-Sport aufzugeben, denn beides kostet mich über vier Stunden, die ich irgendwo anders wieder einholen muss. Gleiches gilt für jede Aktivität außerhalb des festgelegten Tagesablaufs. Wenn jeden Tag Unvorhergesehenes passiert, muss ich gucken, wie ich die verlorene Zeit wieder eingeholt bekomme. Da ist es dann fast schon Glück, dass ich momentan vor Panik und Migräne mal wieder nicht schlafen kann. Aber wenn sich dann in solchen Nächten nichts online erledigen lässt, weil es immer wieder Stolpersteine gibt, bringt mich das auch nicht voran.  

So habe ich mich damit abgefunden, dass wir bis ans Ende unserer Tage zwischen Umzugskartons hausen werden, dass es jeden Tag etwas gibt, das uns um die Ohren fliegt, dass es keine Woche ohne Handwerkertermine gibt, ich langsam nicht mehr weiß, wie ich die Handwerker bezahlen soll. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich keine Küche habe, dass ich im Badezimmer kein Licht habe, weil der Fehler in der Elektrik nicht zu finden ist, und dass ich mich in der Regel um alles alleine kümmern muss, weil der Gatte nicht planbar belastbar ist. Die Kraft, die ich in der fünfwöchigen Reha schöpfen sollte, ist schon lange wieder weg. Für jeden Stein, den ich aus dem Weg geräumt habe, kommt ein Felsbrocken nach, und so geht das seit über vier Jahren. Die Baustelle und die sich kontinuierlich verschlechternde Gesundheit des Gatten toppen seit zwei Jahren alles. 

Bislang dachte ich, wenn wir Küche eingebaut ist und die Umzugskartons im Esszimmer ausgeräumt wurden, könnte alles gut werden. Inzwischen bin ich mir sicher, dass auch die Küche eine einzige Reihenfolge von Pleiten, Pech und Pannen werden wird wie alles, was wir im Haus anfassen. Gleiches gilt für mein Zimmer, das auch in Monaten keinen Kleiderschrank haben wird, für meinen Werkstattkeller, in dem sich auf ewig die Kartons des Gatten stapeln werden, für die Kellerküche, die nie eingerichtet werden wird, für die Beleuchtung der Kellertreppe, die nicht installiert werden wird, oder für das Wohnzimmer, in dem kein Fernseher richtig angeschlossen werden wird. 

Ich selbst habe einfach keine Kraft mehr, irgendwas zu Ende zu bringen, vieles kann ich auch schlichtweg nicht, und der Gatte ist keine planbare, zuverlässige Hilfe, hat auch keine Kraft mehr. Ich hätte gerne jemanden, der mir zuverlässig hilft, natürlich gegen Bezahlung, aber die letzten Handwerker über myHammer waren ein Fehlgriff. Im Prinzip bräuchten wir einen mobilen Hausmeister, aber die guten sind ausgebucht, und schlechte hatte ich schon zu oft. Und dann ist da ja auch noch der Gatte, der darauf besteht, die Arbeiten selbst machen zu können. Er brauche nur Zeit. Da er schon zwei Jahre nicht zu Potte kommt, frage ich mich, wie viel Zeit es denn noch sein muss.  

Wenigstens ist das Chaos im Büro beherrschbar, denn was mich an Pleiten, Pech und Pannen bei der anstehenden Jubiläumsfeier erwartet, weiß ich im Voraus und kann entsprechend planen. Ich weiß aus beruflicher Erfahrung, der einzige Unterschied, ob du eine Veranstaltung für 5 oder 5.000 Menschen planst, ist die Anzahl der Dixi-Klos. Außerdem habe ich da tolle Unterstützung. Gelegentlich werde ich zwar panisch, weil die Zeit davon läuft - nur noch fünf Wochen - aber wie gesagt: Das Chaos ist beherrschbar. 

Spannend waren die Entwicklungen rund um AfD und Co. in dieser Woche. Das rassistische Gegröle auf Sylt hat wenig überrascht, dergleichen kenne ich von Klein auf von Stadt- und Schützenfesten, und dass Geld Faschismus stützt, ist auch nicht neu. Aber dass es so schnell Konsequenzen hatte, überraschte schon. Überraschend war auch, dass die Brandmauer gegen die AfD ausrechnet von französischen und italienischen Faschisten im EU-Parlament gezogen wurde. Nein, sie haben ihre Einstellung nicht geändert. Die Pläne, die die AfD nach ihren Wahlsiegen umsetzen wird, waren ihnen nur zu offensichtlich. Ich bin gespannt, ob die AfD nach der Europawahl wieder in die ID aufgenommen wird oder doch eher bei der EVP landet. Ich wette auf Letzteres. Und letztlich war ich überrascht, dass ausgerechnet die SPD sich nicht entblödete, mit dem Slogan "Deutschland den Deutschen" Wahlwerbung zu machen (Link).   

Natürlich nahm ich auch wahr, dass mit Orion Hernandez, Hanan Yablonka und Michel Nissenbaum drei weitere Geiseln der Hamas tot geborgen wurden. Drei weitere Familien haben nach 230 Tagen grausame Gewissheit. 125 Männer, Frauen und Kinder sind noch in den Händen der Hamas, die es alleine in der Hand hat, dem Elend in Gaza ein Ende zu setzen. Bring them home gilt weiterhin. Da es aber keinen politischen Druck auf die Hamas gibt, ihre Forderungen erfüllt werden, gibt es wenig Hoffnung auf eine baldige Geiselbefreiung oder ein Kriegsende.

Als ich letztes Wochenende noch dachte, es würde eine normale Woche, versuchte ich, dem Giersch mit kochendem Wasser zu Leibe zu rücken. Das scheint generell auch ganz gut zu funktionieren, nur habe ich dieses Wochenende keine Zeit bzw. Kraft, ihn zu entfernen, so dass er sich erholen wird. Er darf also weiter wuchern. 

Seit einiger Zeit weckt uns ein Vogel mit sehr markantem Gesang. Das ist schon ein wenig nervtötend ... Weil ich wissen wollte, wer der Krachmacher ist, installierte ich BirdNET und weiß nun, dass in der Kletterpflanze auf dem Nachbarbalkon eine Mönchsgrasmücke ihr Nest hat. Der Vogel ärgert auch den Nachbarskater, was lustig anzusehen ist - zumindest, solange der Kater ihn nicht erwischt. 

Von Schwiegermutter und Tante gibt's nichts Neues. Der Gatte telefonierte diese Woche nicht mit seiner Mutter. Schwiegermutter wiederum weigert sich beharrlich, unsere neue Festnetznummer zu nutzen, ruft den Gatten nur auf seinem Taschentelefon an, das er wiederum immer abgeschaltet hat. So hoffe ich, dass keine Nachrichten gute Nachrichten sind.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. Und jetzt warte ich auf die Katastrophen der kommenden Tage. Wenn niemand ins Krankenhaus kommt, ist alles gut, egal, wie schlecht es ist.

11 Kommentare:

  1. Liebe Sabine, Reha-Sport und Therapiegruppe ist doch für dich und tut dir hoffentlich gut. Und wenn dem so ist, dann ist die Zeit gut verbracht und muss nicht eingeholt werden. Post-Covid hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, gut zu sich zu sein. Wenn du total zusammenbrichst, ist keinen damit gedient, Dir am allerwenigsten. Hol di fuchtig

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    1. Ja, beides tut mir gut, aber irgendwie ist schlichtweg keine Zeit da für Dinge, die mir gut tun ... Ich fühle mich permanent wie der Weiße Hase.

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  2. Also ehrlich, ich lese ja still bei dir mit, aber nun muss ich schön mal schreiben.
    Dass du mit den Nerven am ende bist, das kann ich mir gut vorstellen.
    Deine Post lesen sich ja fas immer wie aus einem Horrorfilm.
    Ich glaube, ich hätte da schon längst das Handtuch geschmissen bei all dem Ärger und dem stress, den ihr aushalten müsst.
    Hoffentlich lohnt sich das irgendwann in naher Zukunft auch mal,
    Ich wünsche es von Herzen.
    Liebe Grüße
    Jutta

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    1. Danke, liebe Jutta! Es gibt ja keinen Plan B, also müssen wir da irgendwie durch.

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  3. Liebe Sabine
    Ich lese schon lange still mit und möchte Dir einen Tipp (ohne Elektriker!) für die Kellertreppenbeleuchtung geben, der bei uns super funktioniert und nicht teuer ist:
    Ich habe je ein O...M Batterie-LED-Licht mit Bewegungsmelder in ein durchsichtiges Plätzchentüterl gesteckt, mit einem Bändel zugebunden und damit an die Haltestange des Geländers geknotet. Klappt super und leuchtet sehr gut die Treppen aus!
    Sei unbekannterweise gedrückt und gestärkt, Du bist eine tolle starke Frau!
    Herzliche Grüsse aus der fernen Schweiz!
    Petra

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    1. Danke für die Idee, liebe Petra! Das sieht sicher schön aus! Wir haben ein Licht im Kellertreppenhaus. Allerdings hat sich der Gatte in den Kopf gesetzt, Einbauleuchten in die Stufen des darüberliegenden Treppenhauses zu setzen, und bei diesen Arbeiten kommt er nicht weiter ...

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    2. Liebe Sabine
      Meine Bewegungslichter klebt man normalerweise mit dem mitgelieferten doppelseitigen Klebepunkt hin, ging bei mir bloss nicht. Vielleicht ja bei Euch, da wo Dein Holder es wünscht. Auf jeden Fall weiterhin immer gutes und leichtes Gelingen bei allem, ich freue mich sehr für Dich, dass das mit der alten Heizung so flott ging!
      Das soll der Start für bessere Zeiten

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  4. Bitte gebe Reha und Therapie nicht auf! Ich denke ohne das, geht es dir noch schlechter!
    Manchmal steht man Morgens auf und fragt sich, warum eigentlich, weil schon gleich wieder irgendwas ist. Vielleicht solltest du dich auf die schönen Dinge konzentrieren. Der Vogel zu Beispiel ist doch eigentlich ganz lustig.
    Hab eine schöne Woche
    Andrea

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    1. Danke, liebe Andrea. Ja, ich versuche, mich auf das Schöne zu konzentrieren, aber manchmal ist es einfach zu viel.

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  5. Ohje, das hört sich tatsächlich nicht besonders gut an. Aber ich kann dir sagen, bei uns geht auch meist irgendwas schief. Gerade bei Umbauarbeiten oder Neukäufen. Mein Mann geht mittlerweile schon immer gezielt davon aus, und meint immer: Warum sollte auch mal etwas glatt laufen?
    Fühl dich gedrückt und gestärkt. Bleib weiterhin irgendwie positiv.

    Liebe Grüße

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    1. Na ja, wir sind seit zwei Jahren auf der Baustelle einfach am Ende unserer Kräfte ...

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.