Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!
Ich muss heute eine Stunde früher los als sonst, denn ich habe tatsächlich einen dienstlichen Termin vor zehn Uhr. Das kommt selten vor.
Die Nacht war unruhig, der Gatte brauchte Hilfe, und dementsprechend stehe ich etwas gerädert auf. Immerhin halfen die Schmerztabletten, die ich vorm Einschlafen nahm, kann ich mich einigermaßen schmerzfrei bewegen.
Kaffee kochen, Tabletten und den Tageszettel für den Gatten zurecht legen, anziehen, den Rucksack kontrollieren, Brotdose* und Lunch Pot* aus dem Kühlschrank holen, Kaffeebecher* füllen, schnell eine Scheibe Roggenbrot mit Honig auf die Hand, damit ich meine Tabletten besser vertrage - und dann ist der Gatte plötzlich wach: "Ich wollte dich noch sehen, bevor du gehst!" Das ist schön, denn so muss ich mir keine Gedanken machen, ob es mit seinem Wecker klappte, damit er rechtzeitig zu seinem Termin kommt. Normalerweise wecke ich ihn, aber heute geht das nicht, weil ich in einem Termin bin und nicht telefonieren kann.
Einen Schluck Kaffee mit dem Gatten trinken, dann den Riesen-Rucksack* schultern und anderthalb Kilometer zum Bahnhof laufen. Als ich aus dem Haus komme, winkt mir die 90jährige Nachbarin zu, die gerade ihre Zeitung aus dem Briefkasten holt. Am Bahnhof komme ich rechtzeitig an. Ausnahmsweise fährt der Zug vom angekündigten Gleis, ist einigermaßen pünktlich und einigermaßen leer.
Pünktlich im Büro. Ein neuer Kollege fing Freitag an, was ich in meiner üblichen Verpeiltheit vergaß, was mir aber einfiel, als ich ihn im ehemaligen Chef-Büro sitzen sah. Ihn willkommen heißen, kurzer Austausch, macht einen sympathischen Eindruck, mal gucken, wie es wird.
Pünktlich zur Telefonkonferenz den Klapprechner aufgebaut und gestartet. Während der Telko kann ich frühstücken - Mikro und Kamera sind ausgeschaltet, ich muss nur zuhören. Ich freue mich, dass ich es gestern noch schaffte, die Brotdose zu packen und nun Käsebrote mit Gurke und Weintrauben habe. In der Telko wird verkündet, dass künftig jedes Druckerzeugnis von einer Kollegin abgenommen werden muss. Oh Freude! Angeblich haben wir zu viele Rechtschreibfehler, weswegen sie kontrollieren will. Die Erfahrung aus dem Sommer zeigt aber: Es werden nicht nur Rechtschreibfehler überprüft, sondern Texte komplett umgeschrieben. Nochmal: Oh Freude! Die Fehler fanden sich überwiegend in den Druckerzeugnissen der Chefin, die u.a. Werbematerialien mit falscher Adresse drucken ließ. Ausbaden darf es das ganze Team.
Die Leichtigkeit, die vor fünf Jahren mit dem Wechsel des Chefs einzog, ist schon lange dahin. Abstimmungsprozesse werden immer schwieriger, das Desinteresse seitens der Vorgesetzten immer größer, die Produktivität immer weniger. Inzwischen erfasst mich auch der Frust meiner Kollegen, weil auch in meinem Projekt Entscheidungen schon lange auf Eis liegen.
Nach der Telko brauche ich Luft und Bewegung und gehe zu Globetrotter. Der Gatte braucht einen Karabiner für seine Schlüssel, und einmal hier, bestelle ich bei der netten Crew Stiefelspikes. In der lindgrünen Hölle werden die Gehwege und Straßen nicht geräumt. Bei den täglich drei bis fünf Kilometern, die ich so laufe, könnten die Spikes im Winter gute Dienste leisten. Der Gatte bekommt auch ein Paar.
Wieder im Büro, beschäftige ich mich mit dem neuen Telefon, denn wir telefonieren ab sofort per Klapprechner. Heißt: Ich kann erstmal gar nicht telefonieren, denn mein Headset will nicht. Am kommenden Tag werde ich dank eines hilfsbereiten Kollegen feststellen, dass das kabellose Headset nicht per USB geladen werden kann, sondern ein Stromkabel braucht. Das ist zwar mitgeliefert worden, aber die einzige verfügbare Steckdose ist am anderen Büro-Ende. Ich muss mir also erstmal eine Verlängerungsschnur besorgen, um kabellos telefonieren zu können. Immerhin lässt sich das Telefon auf ein Taschentelefon umleiten. Das soll angeblich nur bei App funktionieren, aber mein Zweit-Taschentelefon ist so alt, dass es davon nichts weiß. Ich beschließe, die neue Technik doof zu finden.
Schulung zur neuen Telefon-Technik, und bin ich erfreut, dass ich nicht die einzige bin, die Probleme hat. Ich finde ja grundsätzlich alles doof, was sich nicht intuitiv bedienen lässt. Ich bin gespannt, wann ich das erste Mal mit der neuen Technik telefonieren kann. Erstmal setze ich auf das alte Taschentelefon. Das funktioniert wenigstens.
So lange arbeiten, dass ich die Letzte im Büro bin, dann mit dem Bus zur Hausarztpraxis. Dank neuem Terminmanagement ist es dort erfreulich leer. Die Ärztin auf den aktuellen Stand bringen, feststellen, dass es mit der Übermittlung der Befunde und Laborwerte aus der Endokrinologie mal wieder nicht klappte, ich da hinterher sein muss, und nach diversen Impfungen fragen. Für Gürtelrose bin ich laut Stiko noch zu jung, aber "Sie haben ja diese Angststörung, da kann ich das dann machen". Guck an, ist das Teil doch für was gut. Als die Ärztin hört, dass ich inzwischen Pflegeperson für den multimorbiden Gatten bin, ist die Impfung gegen Gürtelrose eh kein Thema mehr. Sie warnt aber sehr nachdrücklich vor den Nebenwirkungen, genau wie der Arzt des Gatten, weswegen wir die Impfung erstmal verschieben. Heute wollte ich eh nur die Impfung gegen Diphterie, Keuchhusten und Tetanus haben, die es in dieser Praxis in Kombination mit Polio gibt.
Die Ärztin ist fasziniert von meinem kleinen Luftfilter*. Ich bin in der Praxis mal wieder die einzige mit Maske, aber immerhin liegt die der Ärztin griffbereit auf dem Schreibtisch. Sie ist außerdem entsetzt, dass ich nach dem Umzug noch immer bei ihr Patientin bin, viele Ärzte weiterhin in Hamburg habe, also jedes Mal 80 km fahre, weil die meisten Ärzte in Buchholz Aufnahmestopp haben, Hausarztpraxen total dicht sind. "Was machen Sie, wenn Sie einen Hausbesuch brauchen? Rufen Sie die 116117?" Nein, denn die Notfallpraxis im Krankenhaus ist nur zwei bzw. vier Stunden am Tag geöffnet. Selbst über die 112 kommt kaum ein RTW, es sei denn, man erklärt sich bereit, die Kosten zu übernehmen, sollte der Einsatz kein medizinischer Notfall sein. Abgesehen davon wäre ich selbst in Hamburg nicht auf die Idee gekommen, einen Hausbesuch in Anspruch nehmen zu wollen. Klar, ich könnte mir einen Hausarzt in Seevetal, Buxtehude oder Rotenburg suchen, aber auch da muss ich fahren. Da bleibe ich lieber in der Praxis, in der ich mich seit fast 20 Jahren wohlfühle.
Ich bekomme einen Zug früher als erhofft und bin nach zwölf Stunden endlich wieder zu Hause! Abendessen in Form von Klopsen, Kartoffeln und Möhrchen, zum Glück schon fertig, muss also nur aufgewärmt werden, dann ab auf's Sofa, den Kamin einheizen, stricken und "Die Spaltung der Welt" gucken. Sehr spannend, aber ich muss leider ziemlich schnell ins Bett, da morgen wieder ein langer Tag ist. Daher fällt das Lesen* vorm Einschlafen auch ziemlich kurz aus.
Margot Friedländer feiert heute ihren 103. Geburtstag. Mazel Tov, und bis 120!
Der Blick zurück in die ersten vier Corona-Jahre: Am 5. November 2020 verzweifle ich an der ketogenen Ernährung, ahnen wir noch nicht das Ausmaß der Erkrankung des Gatten und denken, wir können den Advent ganz normal feiern, beschäftigen uns Corona-Regeln. Am 5. November 2021 wissen wir schon um das Ausmaß der Erkrankung des Gatten. überrascht er mich mit roten Rosen. Am 5. November 2022 war ich zum ersten Mal im Repair Café, waren wir gefrustet, weil im Haus nichts vorwärts geht, obwohl die Baubrigade schon seit Ende September fertig sein sollte, wir schon mitten in den Umzugsvorbereitungen stecken sollten. In denen stecken wir am 5. November 2023.
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Ich kann vielleicht hinsichtlich der Gürtelrosenimpfung etwas beruhigen. Ich habe meine erste (auch ohne Stiko) gerade hinter mir. Mein Oberarm war drei Tage lang recht heiß und dick und geschwollen, aber davon abgesehen habe ich diese Impfung besser verkraftet als z. B. einige der Covid-Impfungen. Ich würde also im Zweifel nur empfehlen, möglichst den Arm zu wählen, auf dem man nicht schläft ...
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