Als ich Mittwoch ins Theater ging, war ich schlauer: Ich ließ im Wohnzimmer eine Lampe an. Wobei: Mittwoch wäre der Gatte normalerweise mitgekommen, denn er wollte "Marlene Jaschke" sehen. Wir wären dann vorher Essen gegangen. Aber zu zweit in ein dunkles Zuhause zu kommen, ist etwas anderes, als alleine in ein dunkles Zuhause zu kommen in dem Wissen, dass da bis vor Kurzem noch jemand da war, der auf einen wartete.
Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren coronabedingt weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten steckte er sich bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. Jetzt ist Woche 295.
Ich versuche, alles ruhig anzugehen, mich nicht zu überfordern, denn ich erkenne meine Grenzen angesichts der Überforderungen der letzten Monate, Jahre nicht mehr. So achte ich denn auch immer wieder auf Pausen, setze mich mit Tee und Zeitung oder Strickzeug in den Relax-Sessel des Gatten und schaue in den Garten. Ich habe noch immer Probleme, mich zu konzentrieren und bin gespannt, wie es mit dem Arbeiten klappt. Eine Wiedereingliederung habe ich abgelehnt - ich wäre länger unterwegs als im Büro. An meinen Heimbüro-Tagen kann ich mich ohnehin jederzeit ausloggen und Pause machen, wenn ich es brauche, und für die beiden Echtbüro-Tage wird sich notfalls eine Lösung finden. Bis dahin sind aber ohnehin noch drei Wochen Zeit. Ansonsten schlage ich mich mit diversen Maladien wie Dauerkopfschmerzen, Schlafstörungen und Refluxösophagitis herum.
Ich habe einen Grabstein für den Gatten ausgesucht und hoffe, er ist mit der Wahl zufrieden. Es ist Säulenbasalt, der sich im Laufe der Jahre verändern wird. Genaugenommen sind es zwei einzelne Säulen, die sich zueinander neigen. Das passt sehr gut zu unserem Traugedicht "Von der Ehe" von Khalil Gibran. Da man für alles auf dem Friedhof eine Baugenehmigung braucht, kommen gleich ein Ewiges Licht, eine Vase, ein Sitzpoller und eine Vogeltränke mit Bronzehasen dazu. So ist einmal alles komplett, fange ich nicht in ein paar Jahren wieder an. Ich muss mich dann auch um meine eigene Beerdigung kümmern, festlegen, wer für die Grabpflege etc. verantwortlich ist, denn wenn ich zum Gatten komme, kann das Grab erst nach 25 Jahren aufgelöst werden. Da wir keine Kinder oder andere Verwandten haben, bin ich gerade etwas überfragt, wem ich diese Verantwortung aufbürde - notfalls dem Verein, der irgendwann mal alles erbt. Das wird sich aber auch finden.
Ich habe spontan einen kleinen Tisch für den Relax-Sessel gekauft. Der fehlte mir schon in den letzten Lebenswochen des Gatten. Da improvisierten wir mit einem Stuhl. Ich bin stolz, dass ich es schaffte, das Tischchen selbst zusammenzubauen. Das ist bei Möbeln von Jysk einfacher als bei Möbeln von Ikea, an denen ich zuletzt auch immer wieder verzweifelte. Das Möbel scheint auch insgesamt wertiger als die letzten Möbel, die wir bei Ikea kauften, und es wurde auch an Filzgleiter gedacht, anders als bei Ikea. Jysk hat zudem den Vorteil, dass eine Filiale im hiesigen Gewerbegebiet ist, ich nicht 40 km nach Hamburg fahren muss.
Fliederbeere und die kleine Rose, die ich im August aus dem Krankenhaus rettete, sind endlich eingepflanzt. Ich hoffe, beides wächst gut an.
Die Einkäufe des Gatten, die ich noch zurückgeben konnte, sind retourniert, ein paar der anderen Artikel sind per Kleinanzeigen inseriert, zwei sind auch schon verkauft. Ich hoffe, so bekomme ich schnell Platz. Der Gatte hatte ja bis zuletzt die Hoffnung, wieder gesund zu werden, wieder sehen zu können, an seiner Werkstatt und an der Modellbahn weiterbauen zu können, und kaufte bis zuletzt ein. Es wird lange dauern, bis ich den Nachlass aufgelöst habe. Von den Modellen mag ich mich nicht trennen und muss mal gucken, wo ich die unterbringe, wenn Ende des Monats hoffentlich der Lagerraum des Gatten aufgelöst ist. Ich sehe mich schon einen Lagerraum in den lindgrünen Hölle mieten ...
Für die Auflösung des Lagerraums in Hamburg habe ich einen günstigen Sperrmülltermin für Metall- und Elektroschrott ergattert. Genaugenommen darf ich den Schrott aus Hamburg nicht in Buchholz entsorgen, aber egal. In Hamburg kann ich die Sachen nur als immens teuren Gewerbeabfall entsorgen, weil sie nicht aus einem Privathaushalt stammen, sondern aus einem Lagerraum, und der ist für die Stadtreinigung immer gewerblich, auch, wenn er privat genutzt wird. Ich hoffe, ich kann eine Tour in Hamburg mit einer Hamburger Freundin machen, denn die Entsorgung in Hamburg ist günstiger als in der lindgrünen Hölle (und die Anzahl der zu entsorgenden Gegenstände ist auch nicht begrenzt). Ich fahre zwar immer noch einen Wagen mit Hamburger Kennzeichen, aber es werden auch die Ausweise kontrolliert.
Angesichts der Fülle der Gerätschaften in der Werkstatt hatte ich die Idee, einen privaten Heimwerker-Flohmarkt zu veranstalten, sobald ich halbwegs einen Überblick habe. Einer der Abholer fragte auch schon, ob er mal gucken solle, was er mir abkaufen könne. Ich melde mich bei ihm, sobald ich soweit bin.
Ich habe angefangen, die ersten Verträge des Gatten zu kündigen. Lustig wird es mit zwei Lebensversicherungen, denn von beiden fehlen seit Schwiegermutters Umzug vor fünf Jahren die Policen bzw. bei einer ist unklar, ob der Gatte überhaupt eine Police bekam oder sein Arbeitgeber. Dusseligerweise wusste nicht mal mehr der Gatte, welcher Arbeitgeber sie als vermögenswirksame Leistung abschloss. Na ja, komplizierter als die Übernahme der Konten meiner Mutter bei ihrer zweiten Hausbank kann es auch nicht sein. Die Bank schickte gerade die jährliche Erinnerung, dass ich nachweisen soll, dass ich meine Mutter bin, die ihren Namen in meinen änderte. Der Nachweis lässt sich schon aus biologischen Gründen nicht erbringen. Strebeurkunde? Notarielles Testament? Erbschein? Generalvollmacht über den Tod hinaus? Alles irrelevant, solange ich nicht nachweisen kann, dass ich meine Mutter bin, die meinen Namen annahm. Aber ich habe ja jetzt Zeit, das Problem anzugehen, und ich bin sehr dankbar, dass ich es mir leisten konnte, das Konto bislang links liegen zu lassen, denn solange ich nicht nachweisen kann, dass ich meine Mutter bin, komme ich nicht an das Geld. Der Gatte hat zum Glück nur ein Konto bei unserer gemeinsamen Hausbank. Das macht manches einfacher.
Schwiegermutter schlug vor, den Treppenlift zu verkaufen, denn der ist ja noch keine vier Wochen alt. Die Idee, ist gut, aber ich befürchte, sie fällt aus allen Wolken, wenn sie hört, dass wir dafür gerade mal eben einen dreistelligen Betrag bekommen (wir zahlten trotz Zuschuss der Pflegekasse einen fünfstelligen Betrag). Ich könnte mehr bekommen, wenn ich hier in der Siedlung ein baugleiches Haus finde, deren Bewohner ein Interesse an dem Lift haben. Dann könnte ich auch Geld für das Gestänge verlangen. So gibt es nur Geld für den Sitz. Momentan nutze ich den Treppenlift als Lastenaufzug.
Ich habe endlich eine Idee für die Gestaltung des Vorgartens, von der ich sicher bin, dass sie dem Gatten gefallen würde. Wenn ich etwas zur Ruhe gekommen bin, werde ich mal Kontakt mit unserem Gärtner aufnehmen.
Die kommende Woche wird schwer, denn es stehen Trauerfeier und Beisetzung an. Ich bin überwältigt von den vielen Kondolenzen für den Gatten - der Platz vom Panoramafenster wird langsam eng. Morgen reist die 92jährige Tante an, und von Dienstag bis Freitag sind Schwiegermutter und Tante dann bei mir. Das wird für alle Beteiligten anstrengend, und nach der Beisetzung wird der Tod des Gatten noch realer, als er es jetzt schon ist.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Einen Schritt nach dem anderen.LG Silke
AntwortenLöschenJa, leibe Silke, das muss ich mir immer wieder vor Augen halten. Ich habe ja Gott sei Dank Zeit, alles so erledigen, werde nicht gedrängt. Liebe Grüße von Sabine
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