Montag, 30. April 2018

Das Rappolt-Haus in der Mönckebergstraße 11 - 13

Montags gegen Nazis
Update 13.04.2018: Aktuell scheint sich das braune Pack zweiwöchentlich zu treffen. Heute müsste also demofrei sein. Ich bleibe beim wöchentlichen Beitrag, denn zu erzählen gibt es genug. Würde ich jeden Montag nur über Hamburger Orte schreiben, hätte ich genug Beiträge für 25 Jahre. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.


Der Eingang zum Rappolt-Haus I in der Mönckebergstraße 11.
In der Mönckebergstraße gibt es viele Kontorhäuser mit Geschichte. Eines davon ist das Rappolt-Haus in der Mönckebergstraße 11 -13. Es wird zwischen 1911 und 1912 als Sitz des Textilunternehmens Rappolt & Söhne gebaut. Architekt ist Fritz Höger, einer der führenden Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus, der vor dem Zweiten Weltkrieg Hamburgs Stadtbild maßgeblich prägte. 


Bauplastik über dem Eingangsportal, erschaffen von Georg Wrba.
Erbaut wurde das Kontorhaus als Firmensitz und Produktionsstandort der Firma Rappolt & Söhne. Das Unternehmen wird 1861 von aus dem hessischen Friedberg eingewanderten Joseph Rappolt unter dem Namen Oppenheim & Rappolt gegründet. Als Oppenheim aussteigt, steigen die Söhne Rappolts ein. Das Unternehmen produziert Herrenbekleidung, war besonders bekannt für Gummiröcke, sprich Regenmäntel.

Auf der anderen Seite des Portals blickt eine vermutlich ebenfalls von Wrba erschaffene Dame auf die Mönckebergstraße herab. Über ihr wirbt ein Plakat für Mammographie-Screenings - ihre Armhaltung passt irgendwie dazu ... 
Franz Max Rappolt, für den vor dem Gebäude ein Stolperstein liegt, kommt nach verschiedenen Stationen im In-und Ausland als 33jähriger zurück nach Hamburg an den Hauptsitz der Firma. Gemeinsam mit seiner Frau Charlotte hat er drei Söhne. Spätestens 1906 konvertiert die ganze Familie vom Judentum zum Christentum, denn für dieses Jahr ist die Taufe der drei kleinen Söhne in der Hauptkirche St. Katharinen belegt. Etwa 20 Jahre später allerdings tritt zumindest Franz Rappolt wieder in die jüdische Gemeinde ein.

Eine der wenigen Figuren am Rappolt-Haus, dem ehemaligen Firmensitz eines Bekleidungsherstellers, die zumindest ansatzweise bekleidet ist. Die Keramik wird Richard Kuöhl zugeschrieben.
Das Rappolt-Haus zeugt von der Expansion des Unternehmens. Außen eher zurückhaltend, ist das Gebäude im Inneren hochmodern und zeugt vom sozialen Verantwortungsbewusstsein des Bauherrn. Es gab Hausrohrpost, Haustelefon mit farbigen Licht- und Rufsignalen, elektronische Pausensignale, fünf Treppenhäuser, fünf Warenaufzüge plus Lastenaufzug, drei Paternoster plus Direktionsfahrstuhl, Ventilations-Einrichtungen mit Luftabsaugschächten für die Produktion, mehrere hundert elektrische Nähmaschinen und Mülltrennung, Mitarbeiterkantine und diverse Trinkwasserstellen, gespeist aus der hauseigenen. Auf den rund 3.500 m², die die Firma nutzt, arbeiten etwa 600 Menschen. Dazu kommen noch etwa 200 Heimarbeiter.

Der Brunnen im Eingang des Rappolt-Hauses wird Richard Kuöhl zugeschrieben.
Mit Machtantritt der Nationalsozialisten werden Leben und Arbeit für die Rappolts zunehmend unmöglich. Ihr Lebenswerk und ihre Familie zerbrechen Stück für Stück. Wer kann, versucht zu emigrieren, was in den kommenden Jahren zunehmend schwerer und schließlich unmöglich wird.

Brunnendetail: Der Wasserspeier, der ebenfalls Richard Kuöhl zugeschrieben wird.
Im Juni 1933 wird Franz Rappolt als Mitglied der Handelskammer entfernt. Drei Jahre später beginnen die Nazis Schritt für Schritt damit, Firmen mit jüdischen Inhabern de facto enteignen zu können. Die Rappolts können nicht mehr selbst über ihr Eigentum und ihr Vermögen bestimmen.

Hohe Zwangsabgaben, also staatliche Beraubung, führen dazu, dass Immobilien und Wertsachen weit unter Wert verkauft werden müssen. Zwischen 1937 und 1939 wird das Unternehmen "Rappolt & Söhne" schrittweise verkauft, zwangsenteignet, "arisiert". Am 31. März 1940 räumt Franz Rappolt seinen Schreibtisch. In den kommenden Jahren werden alle jüdischen Mitarbeiter entlassen. Deportation und Ermordung sind für die meisten unausweichlich.

1941 gibt es eine Ausreisezusage für Franz Rappolt, sein Frau Charlotte, ihren Sohn Paul sowie für zwei seiner Brüder. Die USA, Kuba, Uruguay, Kolumbien - egal, Hauptsache weg, eine Chance zum Leben haben. Die HAPAG zieht die Ausreisezusage wieder zurück. Die Deutschen überfallen die Sowjetunion. Juden wird die Ausreise nun gänzlich untersagt - für die Dauer des Krieges, wie es zynisch heißt. Die Rappolts sitzen fest.

Am 15. Juli 1942 wird Franz Rappolt nach Theresienstadt deportiert. Am 25. November 1943 stirbt er dort.

Stolperstein für Franz Rappolt in der Mönckebergstraße 11.
1965 wird in Lohbrügge eine Straße nach Franz Rappolt benannt. Im April 2007 wird vor seinem ehemaligen Firmensitz ein Stolperstein verlegt.

Die wunderbare Baukeramik am Rappolt-Haus stammt übrigens von Georg Wrba und Richard Kuöhl. Letzterer schuf auch das 76er Denkmal am Dammtor. In eben diesem Infanterie-Regiment diente 1892 auch Franz Rappolt. Als es 1936 aufgestellt wurde, waren die Ermordung Franz Rappolts, die aller europäischen Juden schon lange beschlossen.

Eine ausführliche Biographie von Franz Rappolt gibt es auf der Hamburger Stolperstein-Seite.

Freitag, 27. April 2018

Treppenhausfreitag: Museum Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe

Das Treppenhaus der historischen Villa Kaltehofe, 1894 als Hygienisches Staatsinstitut erbaut, in der heute das Museum des des Industriedenkmals Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe untergebracht ist.

Treppenhaus des Museums der Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe.
Affiliate links zu Büchern zum Thema "Wasser für Hamburg":

Montag, 23. April 2018

Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken (Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe)

Montags gegen Nazis
Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

Besucherin vorm Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken.
In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Auf dem Geländes des Industriedenkmals Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe gibt es seit zwei Jahren ein Denkmal, dass an die Menschen erinnert, die zwischen 1940 und 1945 Zwangsarbeit für die Hamburger Wasserwerke leisten mussten. 


Detail des Denkmals.
Insgesamt arbeiteten etwa 500 Menschen im "Kommando Wasserwerke". Es waren zivile Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene sowie Häftlinge aus den Außenlagern Dessauer Ufer und Fuhlsbüttel des KZ Neuengamme. Die Männer kamen aus Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, der Sowjetunion und der Ukraine. Sie mussten unter widrigen Umständen körperliche Schwerstarbeit leisten, u.a. beim Bau von Kanälen und bei der Reinigung der Sandfilteranlagen im Wasserwerk Kaltehofe. Dort, an den öffentlich zugänglichen Museumsbecken, steht heute das Denkmal.

Entworfen wurde das Denkmal von Meinhard Weidner. Die Gestaltung übernahmen Auszubildende von Hamburg Wasser. Material ist ein zeitgenössisches Wasserrohr. Initiiert wurde das Denkmal vom Sohn eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Die Finanzierung erfolgte durch Hamburg Wasser, die auch einen Historiker mit der Aufarbeitung dieses Kapitels der Firmengeschichte beauftragte. 


Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken.
Namentlich bekannt ist der Einsatz von 139 italienischen Militärinternierten, deren Namen im Denkmal genannt werden. Sie waren in einem Lager in der Süderstraße 110 - 112 untergebracht. Dort ist heute ein Industriegelände. 

Affiliate links zu Büchern zum Thema "Wasser für Hamburg":

Sonntag, 22. April 2018

Lange Nacht der Museen 2018 oder: Wehe, wenn er losgelassen

Gestern um 18 Uhr startete die Lange Nacht der Museen, an der 59 Museen teilnahmen. Bis 2 Uhr nachts gab's ein vielfältiges Programm, an dem 26.000 Menschen teilnahmen. Der Gatte und ich waren zwei davon. Wir nehmen Dich einfach mal mit durch die Nacht.

Ein besinnlicher Moment, bevor ich mich in den Trubel stürze: Geigenmusik im Rosengarten für die Kinder vom Bullenhuser Damm.
Zuerst ging's zum Deichtorplatz, wo es die Tickets gibt und die 11 Shuttle-Bus-Linien starten. Die Idee der Shuttle-Busse ist großartig, denn so sind auch die Museen am Stadtrand gut erreichbar (wenngleich Licht an den Haltestellen praktisch wäre, gerade so nachts mitten im Industriegebiet unweit des Straßenstrichs, aber hey, ich weiß jetzt, dass ich da als fette Frau mit Strickjacke echt 'ne Verdienstmöglichkeit fände).

Vorbereitung ist alles.
Am Deichtorplatz war die ganze Nacht was los, gab's gute Musik, lecker Essen und Trinken und Sitzmöglichkeiten zum kommoden Lümmeln. Der Gatte stürzte sich gleich ins Getümmel, während ich erst mal ein bisschen arbeiten musste.

Woher kommen nur diese ganzen Massen an Menschen?!
Die wollen doch nicht alle in einen Bus?!
Dank lieber Kolleginnen hatte ich pünktlich Feierabend und musste die schwere Arbeitstasche nicht mit durch die Nacht schleppen, sondern kann sie morgen auf dem Weg ins Büro einsammeln.

In der Gedenkstätte Bullenhuser Damm gab's Liebe, Toleranz, Freundschaft und Vielfalt zum Mitnehmen, den Hamburg ist weltoffen und bunt.
Der Gatte meldete sich wie verabredet und überraschte mich mit der Nachricht, er wäre gerade in der Kunsthalle, weil: "Die lag gerade so auf dem Weg, und da ist 'ne Gainsborough-Ausstellung, wusstest du das?" Oookaaay ... Eigentlich wollten wir jetzt ja mit der Barkasse ins Hafenmuseum, aber nun gut. Als ich dann ankam, saß er im Restaurant, und so kam ich dann auch mal zum Durchatmen.

Stärkung, flüssig und fest.
Während ich Gnocchi mit Spinat und Ziegenkäse aß, erzählte der Gatte ohne Punkt und Komma Fotos zeigend von seinen bisherigen Erlebnissen im Geologisch-Paläontologischen Museum, Mineralogischen Museum ("Goldschürfen ging gerade nicht, weil ein Kind in die Wanne fiel, die Pyrite und Malachite hätten dir gefallen, aber als ich den Vorschlag machte, den Bergkristall mit 'ner Farbwechsel-LED zu präsentieren, guckten die so komisch"), Zoologischen Museum ("Da wollte ich ja eigentlich gar nicht hin, aber dann lag das auf dem Weg, das ist echt toll, ich wusste ja gar nicht, dass es so was in Hamburg gibt, die haben da 'ne ganze Vitrine voller Hasen, und erst der Leopard, der auf dem Baum abhängt, so toll, und woher haben die nur die ganzen Wal-Skelette?!"), Völkerkundemuseum ("Das lag gerade so auf dem Weg, da dachte ich, warum nicht?") und Kunsthalle ("Guck mal hier, der Gainsborough, der sieht ja erst mal ganz unspektakulär aus, aber wenn man alle diese Linien verbindet, ergibt es eine Pyramide, und diese moderne Kunst kann doch echt weg, hier im Restaurant ist es echt schön, warum waren wir hier eigentlich noch nie?!").

"Unter dieses Bild musst du 'Endlich mal richtig abhängen!'" schreiben."
"Guck mal, das Wasserschwein, das ist so süß!"
Springhasen.
Nach einigem Hin und Her - Hafenmuseum? Energieberg? Electrum? Altonaer Museum? Museum für Hamburgische Geschichte? - entschieden wir uns für letzteres, nur kam der Gatte auf dem Weg zum Ausgang wieder mal vom Weg ab, denn "Wohin geht's denn da? Da war ich noch nicht!" Während er also durch die Galerie der Gegenwart stromerte, warf ich einen Blick in die Gainsborough-Ausstellung.

In der Galerie der Gegenwart.
Ilya Kabakov, Healing with Paintings (1996).
Mona Hatoum, Deep Throat (1996)
Thomas Gainsborough, Waldlandschaft mit Wagen (1766)
Ein Besuch im Museumsshop muss sein.
Von der Kunsthalle ging's zurück zum Deichtorplatz, wo wir in den Bus zum Museum für Hamburgische Geschichte umstiegen. Dort war zu meiner großen Freude die Modelleisenbahn geöffnet!

Nachts auf dem Deichtorplatz.
Im Museum für Hamburgische Geschichte.
Nachts im Museum.
Funktechnik im Dampfer Werner.
Modelleisenbahn (Detail).
Für mich einer der schönsten Räume im Museum für Hamburgische Geschichte (und meistens menschenleer).
Gegen halb eins war der Gatte dann erledigt und weigerte sich, auch nur noch einen Meter zu gehen. Das war leider unvermeidlich, wollten wir nicht fünf Stunden auf den nächsten Linienbus warten. Also auf zur nächsten Shuttle-Haltestelle. Eine gute Stunde später ließen wir den Abend auf dem Balkon ausklingen.

Geht grad so.
Die Eintrittskarten für die Lange Nacht der Museen gelten auch heute noch. Mal schauen, wohin es uns noch verschlägt. Herzlichen Dank an alle Beteiligten vor und hinter den Kulissen, die auch dieses Jahr die Museumsnacht ermöglichten!

Dienstag, 17. April 2018

Socken mit Binärcode-Muster aus ggh Cumba in Größe 46/47 [Tutorial]

Zurzeit stricke ich Socken im Akkord, denn der Gatte findet gerade keine Wollsocken in Größe 46/47, und die, die er bislang trug, hatten Löcher an den Fersen. Auf die Idee, die Löcher zu stopfen, kam er erst, nachdem er die Socken weggeworfen hatte. Nun ja.

Socken mit Binärcode-Muster aus ggh Cumba in Größe 46/47.
Socken mit Binärcode-Muster aus ggh Cumba in Größe 46/47.
Normalerweise sind Ernstings Family und C&A sichere Fundgruben für Wollsocken in Größe 46/47, aber diesmal hatte der Gatte kein Glück, und seitdem ich nicht mehr im Einkaufszentrum arbeite, gehe ich nicht mehr regelmäßig in der Mittagspause auf die Pirsch.

Detail des einfachen Strukturmusters, das einen Binärcode ergibt.
Als wir im März gemeinsam bei Mudderns waren, schleppte ich den Gatten mit zu Ariadne und kaufte alles an Wolle, was er für weich genug befand, denn seine Füße sind nicht nur groß, sondern auch noch ausgesprochen empfindlich (und selbst im Sommer eisekalt). Dann machte ich mich an die Arbeit. Ein Paar Socken schaffe ich inzwischen locker in einer Woche.

Die Hebemaschen-Käppchen-Ferse im Detail. Die sitzt einfach am Besten, finde ich.
Diese Socken sind aus ggh Cumba, einem Wolle-Polyacryl-Alpaka-Gemisch. Für die Spitzen und die Ferse nahm ich farblich passende 4fädrige Sockenwollreste und ließ den Faden doppelt laufen, damit beides verstärkt und belastbarer ist.

Die Spitze im Detail.
Socken mit Binärcode-Muster aus ggh Cumba in Größe 46/47

Material:
100 g ggh Cumba Anthrazit (Farbe 014, 50 g / 150 m)
ca. 30 g farblich passende 4fädrige Sockenwolle, doppelt genommen, für Ferse und Spitze (Wollrest)
Nadelspiel 4,5*

Anleitung:

56 M (4 x 14 M) anschlagen und für das Bündchen 10 Rd 2 re / 2 li stricken, dann weiter mit dem Strukturmuster aus dieser Anleitung.

6 Mustersätze im Strukturmuster stricken, dann 1 Rd re. Die Käppchenferse aus doppelt genommener 4fädriger Sockenwolle in Hebemaschen arbeiten, dann 60 Rd re in Cumba für den Fuß stricken.

Für die Spitze zu doppelt genommener 4fädriger Sockenwolle wechseln. Abnahmen in Rd. 63 / 65 / 67 / 69, ab Rd 70 dann in jeder Rd, bis nur nur 2 M auf jeder Nadel sind. Spitze schließen.

Alle Fäden verziehen und die zweite Socke arbeiten.

Der Beitrag geht rüber zu den Linkparties "Creadienstag", "DienstagsDinge", Liebste MaschenCrealopeeGestricktes & Gehäkeltes und "Handmade on Tuesday".

*Affiliate links

Montag, 16. April 2018

Allende-Platz 1: Gedenktafeln für die Bornplatz-Synagoge und die Neue Dammthor-Synagoge

Montags gegen Nazis
Update 13.04.2018: Aktuell scheint sich das braune Pack zweiwöchentlich zu treffen. Heute müsste also demofrei sein. Ich bleibe beim wöchentlichen Beitrag, denn zu erzählen gibt es genug. Würde ich jeden Montag nur über Hamburger Orte schreiben, hätte ich genug Beiträge für 25 Jahre.

Alle zwei Wochen montags um 17.30 Uhr trifft sich das demokratische Hamburg vor Saturn am Beginn der Mönckebergstraße, um vereint gen Dammtor zu laufen, denn: Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Im Eingangsbereich des Gebäudes am Allende-Platz 1 erinnern Fotos und Baupläne an zwei Synagogen.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

An die Neue Dammthor-Synagoge, die für mich schönste ehemalige Hamburger Synagoge, erinnern heute nur noch eine unscheinbare Stele am Rande des Von-Melle-Parks und eine Aufrisszeichnung im "Alten Pferdestall" am Allende-Platz 1. Sie wurde 1895 im orientalisierenden, maurischen Stil nach Plänen der Architekten Georg Schlepps und Rudolf Rzekonski errichtet - durchaus ungewöhnlich für die Zeit, in der sich Synagogen immer öfter an der gefälligeren neoromanischen Kirchenarchitektur orientierten.

Aufrisszeichnung der Neuen Dammthor-Synagoge.
Die Synagoge lag hinter den Vorderhäusern Beneckestraße 2 und 6 (die Straße verschwand in den 1960er Jahren für den Bau der Universität) und war durch einen schmalen Zugang zu erreichen. Die Fassade wurde mit farbigen Ziegelmustern ausgestaltet. Die Synagoge bot Platz für 300 Männer und 200 Frauen, erhielt 1927 im Rahmen einer Erweiterung 150 weitere Plätze. Gleichzeitig wurde das Innere farbig gestaltet, bekam das Gotteshaus Buntglasfenster.

Im Novemberpogrom 1938 wurde das Innere der Synagoge verwüstet, konnte aber durch private Spenden wieder so hergestellt werden, dass Gottesdienste und Nutzung der Mikwe möglich waren. Bis zur Beschlagnahmung des Gebäudes durch die Gestapo 1943 war es das einzige größere Gotteshaus in Hamburg, in dem die verbliebenen Jüdinnen und Juden ihrem Glauben nachgehen konnten, gab es hier die einzige noch funktionierende Mikwe. Ein Bombenangriff zerstörte das Gebäude am 27. Juli 1943, im Hamburger Feuersturm.

Blick in den Eingangsbereich mit Aufrisszeichnung der Neuen Dammthor-Synagoge.
Das zweite Gotteshaus, an das am Allende-Platz 1 erinnert wird, ist die einstige Bornplatz-Synagoge. Die erste freistehende Synagoge Hamburgs war einst weithin sichtbares stolzes Symbol für die (vermeintliche) Gleichberechtigung der jüdischen Hamburgerinnen und Hamburger. Gleichzeitig war es mit 700 Plätzen für Männer und 500 für Frauen die damals größte Synagoge Nordeuropas, erbaut nach Plänen von Semmy Engel und Ernst Friedheim.

1906 geweiht, wurde das Gotteshaus im Novemberpogrom 1938 geschändet und in Brand gesetzt. Die Reste der einst so stolzen Synagoge mussten im Juli 1940 auf Kosten der Gemeinde abgerissen werden. Die Stadt baute am Rande des einstigen Synagogen-Areals einen Hochbunker, der bis heute dort steht und von der Universität genutzt wird. Dort, wo einst die Synagoge stand, befand sich jahrzehntelang ein Universitäts-Parkplatz.

Stolz ragte einst die Bornplatz-Synagoge im Grindel empor.
Zum 50. Jahrestags des Novemberpogroms wurde der Bornplatz ungestaltet: Die Künstlerin Margrit Kahl bildete Umriss und Deckengewölbe der Synagoge als Bodendenkmal nach. Im Allende-Platz 1 erinnern zudem Bilder in den Treppenhäuser an die Synagoge und ihre Geschichte. Der einstige Bornplatz ist heute nach Rabbiner Josef Carlebach benannt.

Blick in den Eingangsbereich des "Alten Pferdestalls" am Allende-Platz 1.
Affiliate links zu den beiden Synagogen und ihrer Geschichte:

Sonntag, 15. April 2018

#12von12 im April 2018

Heute bin ich nicht in Hamburg, sondern in Borstel, das wiederum zu Sülfeld gehört, einem Ort mit knapp 3.500 Einwohnern mitten im schleswig-holsteinischen Nirgendwo, wo die Uhren bummelig 30 Jahre nachgehen.

#1: Sonnenaufgang vor dem Klinikfenster.
Mein Tag beginnt früh: Um halb fünf reißt eine Krankenschwester meine Zimmertür auf, schlägt meine Bettdecke zurück, rupft Schlafmaske, Elektroden und Meß-Dingsis von mir ab, denn: "Der Messzeitraum ist beendet".

#2: Die Reste der Nacht entfernen.
Einzig die Elektroden im Gesicht lässt die Schwester mir, weil: "Die können Sie sich selbst abmachen." Ah ja.

#3: Warten und stricken.
Ich lasse die Elektroden, wo sie sind, drehe mich auf die andere Seite und versuche noch etwas zu schlafen, bis um halb sieben die nächste Krankenschwester zum Fiebermessen kommt und die Nacht entgültig zu Ende ist.

#4: Warten und Strickmuster notieren.
Aufstehen, duschen, anziehen, frühstücken, dann zweieinhalb Stunden warten auf die Visite oder weitere Untersuchungen. Ich bin optimistisch, dass ich heute nach Hause darf.

#5: Warten und Tagebuch schreiben.
Bei der Visite teilt mir ein Arzt mit, der Oberarzt sei heute nicht im Hause, daher könne ich gehen, er würde mich irgendwann anrufen, um die weitere Behandlung mit mir zu besprechen.

#6: Gleich geht's los.
Nun gut, wir doktern an der ganzen Sache ja erst seit acht Monaten rum, also warte ich einfach weiter zu. Ich habe ja Gott sei Dank nichts Lebensbedrohliches, im Gegensatz zu vielen Mitpatienten.

#7: Kerze anzünden.
Meine Sachen sind schnell gepackt und verladen. Ich verzichte aufs Mittagessen, weil ich weiß, dass ich schnell zu Hause bin und lieber da esse. Nicht, dass das Essen in der Klinik schlecht ist, aber ich will dort nicht mehr Zeit verbringen als notwendig, und bis zur Essenszeit wär's noch gut 'ne Stunde.

#8: Die Segel heimwärts setzen.
Auf dem Heimweg mache ich einen Umweg zum Friedhof in Sülfeld, um eine Kerze an einem Gräberfeld für die Kleinkinder polnischer und ukrainischer Zwangsarbeiter aufzustellen, denn heute ist Yom haShoah, der Gedenktag für die Opfer der Shoah, für den jüdischen Widerstand und die jüdischen Untergrundkämpfer.

#9: Mittagbrot.
Nun sind die Kinder keine Juden, aber ich weiß, dass mein Gott damit kein Problem hat, und mit seinem katholischen Kollegen wird er sich schon irgendwie arrangieren.

#10: Feierabendbier mit dem Gatten auf dem Balkon.
Zu Hause gibt's Mittagbrot, dann melde ich mich für den nächsten Tag im Büro an, mache ein bisschen Mittagsschlaf, und irgendwann ist dann auch der Gatte da. Wir tauschen uns über die letzten drei Tage aus, denn so lange war ich weg, und trotz abendlicher Telefonate gibt's noch das eine oder andere zu erzählen.

#11: Theaterkarten bestellen.
Schon bevor ich weg fuhr, bat der Gatte mich darum, Theaterkarten zu bestellen. Er will immer noch in das Stück, also bestelle ich sie jetzt. Der Gatte macht derweil Abendessen. Den Rest des Abends verbringe ich strickend und fernsehend auf dem Sofa. Vor dem Einschlafen lese ich noch etwas, aktuell "Kaiserschmarrndrama*" von Rita Falk*.

#12: Lesen* mit der Hasenbande.
Wie jeden Monat am 12. sammelt Caro von Draußen nur Kännchen 12 Impressionen unseres Tags. Vielen Dank dafür!

* Affiliate links