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Montag, 31. Dezember 2018

Rosengarten und Mahnmal am Bullenhuser Damm

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell pausiert das blau-braune Pack. Meinswegen kann es das auch für die nächsten 73 Jahre - mindestens.

In der Langen Nacht der Museen gibt es auch schon mal Musik im Rosengarten.
Zur Gedenkstätte Bullenhuser Damm gehört auch ein Rosengarten. Inmitten des betongrauen Gewerbegebiets ist er eine kleine zauberhafte Oase. Der Rosengarten wurde 1985 von der Hamburger Künstlerin Lili Fischer. Er ist rund um die Uhr geöffnet, und jeder, der mag, kann dort eine Rose pflanzen. Die Rosen blühen fast das ganze Jahr über.


Verpflichtung.
Für die 48 Kinder und Erwachsenen, die in der Nacht vom 20. auf den 21. April ermordet wurden, ist der Rosengarten auch so etwas wie ein symbolischer Friedhof: Einige der Leichen wurden vermutlich in den Bombentrichtern der Umgebung verscharrt, andere im Krematorium des KZ Neuengamme verbrannt. Für jedes der 20 Jungen und Mädchen sowie für ihre vier Pfleger gibt es einen Stein mit ihren persönlichen Daten und einem Foto.


Am Eingang zum Rosengarten informieren Holztafeln in verschiedenen Sprachen darüber, was hier geschehen ist.
An die ermordeten 24 sowjetischen Kriegsgefangenen erinnert eine vom sowjetischen Kulturministerium gestiftete Bronzeplastik des Künstlers Anatoli Mossijtschuk am Eingang zum Rosengarten. 


Als ich hier das erste Mal stand, reichten mir die Koniferen gerade bis zum Knie: Die Bronzeplastik, mit der Anatolis Mossijtschuk an die mindestens 24 ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen erinnert.
Weitere Impressionen aus der Gedenkstätte Bullenhuser Damm gibt es hier und hier.

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Montag, 24. Dezember 2018

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell pausiert das blau-braune Pack. Meinswegen kann es das auch für die nächsten 73 Jahre - mindestens.

Die Biographien der hier ermordeten Kinder werden in Koffern präsentiert.
Sie werden im Vernichtungslager Auschwitz buchstäblich bestellt: 10 Jungen und 10 Mädchen, die der SS-Arzt Dr. Kurt Heißmeyer für Tuberkulose-Experimente im KZ Neuengamme benötigt. Nach Auschwitz verschleppt werden sie aus ihren Heimatländern Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen und der Tschechoslowakei.  Am 29. November 1944 kommen die zwischen 5 und 12 Jahre alten Kinder mit dem Zug nach Neuengamme, begleitet von drei polnischen Krankenschwestern und einer belgischen Ärztin. Die Polinnen werden wenige Tage nach Ankunft des Transports erhängt, die Belgierin in ein anderes KZ verlegt.

Seitenansicht der Schule. Durch eine der Kellertüren werden die Kinder in die Heizungskeller gebracht, in denen sie später ermordet werden. Über der Uhr brütet jedes Jahr ein Turmfalke.
Die 20 Kinder werden abgesondert von den erwachsenen KZ-Häftlingen in einer Sonderbarracke untergebracht. Zwei niederländische und zwei französische Häftlinge werden abgeordnet, sich um die Kinder zu kümmern. Die Kinder werden von KZ-Ärzten in sehr schmerzhaften Versuchen mit Tuberkulose infiziert und erkranken schnell daran.

Den KZ-Häftlingen bleibt die Anwesenheit von Kindern nicht verborgen und so beschließen sie an Heiligabend 1944, ihnen eine Weihnachtsüberraschung zu bereiten. Wie das vor sich ging, kannst Du hier nachlesen. Zu diesem Zeitpunkt sind viele der Kinder sind schon zu schwach, um Weihnachten feiern zu können.

Blick auf die ehemalige Schule vom einstigen Schulhof aus. Links sind die Kellerräume, in denen die Kinder ermordet werden.
Vier Monate später, im April 1945, stehen die britischen Soldaten nur noch wenige Kilometer vom KZ Neuengamme entfernt auf dem Hamburger Stadtgebiet. Für die Nazis ist klar: Die Kinder müssen verschwinden - und "verschwinden" bedeutet nichts anderes, als die Kinder zu ermorden. Am Abend des 20. Aprils 1945 wird ihnen erzählt, sie kämen ins Ghetto Theresienstadt zu ihren Eltern und Geschwistern.

Blick in die Ausstellung.
Dass die meisten ihrer Angehörigen zu diesem Zeitpunkt bereits ermordet wurden, wissen die Kinder nicht. Gemeinsam mit ihren vier erwachsenen Betreuern werden sie in ein leerstehendes Schulgebäude im zerstörten Stadtteil Rothenburgsort gebracht. Hier befindet sich ein bereits geräumtes Außenlager des KZ Neuengamme.

Blick in die Ausstellung.
Im Laufe der Nacht werden die 20 Mädchen und Jungen im dortigen Heizungskeller erhängt, ebenso wie ihre erwachsenen Betreuer und mindestens 24 sowjetische Kriegsgefangene.

Durch einen Schreibfehler konnte der 12jährige Walter Jungleib erst 70 Jahre nach seiner Ermordung identifiziert werden. Seine Schwester Grete überlebt das KZ Auschwitz. Als sie 2015 von der Ermordung ihres kleinen Bruders erfährt, übergibt sie seine Briefmarkensammlung der Gedenkstätte.
Drei Jahre nach der Befreiung gehen wieder Jungen und Mädchen am Bullenhuser Damm zur Schule. Dass hier 48 Menschen ermordet wurden, wird jahrzehntelang verschwiegen. Ausschließlich die Überlebenden des KZ Neuengamme erinnern jährlich am 20. April mit einer Kranzniederlegung an die Kinder, ihre Betreuer und die sowjetischen Kriegsgefangenen. Ihre Mörder werden in den wenigsten Fällen verurteilt, sondern machen in der Bundesrepublik und in der DDR Karriere.

"Commemoration in Reflection" heißt das Kunstprojekt von Daria Filippova. Fotos von Opfern und Tätern werden von Spiegeln, in denen sich der Betrachter sieht, unterbrochen.
Günter Schwarberg, einem Journalisten des Magazins "Stern", ist es zu verdanken, dass seit 1979 Namen und Schicksale dem Vergessen entrissen werden. Ein Jahr später gründet sich ein Verein, der unter anderem die Einrichtung eines Gedenkortes in der Schule fordert. Ein Jahr später ist die Initiative erfolgreich. Inzwischen gehört das kleine Museum zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

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Montag, 1. Oktober 2018

Die Georgsburg, das ehemalige Außenlager des KZ Neuengamme in der Spaldingstraße 156/158

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das braune Pack kündigte an, im Herbst demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Nachdem sie sich im September die 11. Klatsche  für dieses Jahr von der demokratischen Mehrheit der Stadt abholten, werden sie im Oktober prompt pausieren. 


In dem markanten Klinkergebäude links in der Spaldingstraße 156/158 befindet sich 1944/1945 ein Konzentrationslager.
Vor 75 Jahren tobt der "Hamburger Feuersturm" über der Stadt. Hammerbrook gehört zu den Stadtteilen, die zwischen dem 25. Juli und dem 3. August 1943 dem Erdboden gleichgemacht werden. Mehr als 35.000 Menschen, darunter etwa 5.000 Kinder, sterben. Über 120.000 Menschen werden verletzt, eine Million Menschen flüchtet aus der Stadt. Was von dem Stadtteil noch übrig ist, wird zum Sperrgebiet.


Blick in den schmalen Innenhof, in dem morgens und abends stundenlange, zermürbende  Zählappelle stattfanden. 
Im Oktober 1944 errichtet das KZ Neuengamme in der sogenannten Georgsburg, einer ehemaligen Tabakfabrik in der Spaldingstraße 156/158, ein Außenlager. In dem markanten gelb-weißen Klinkergebäude sind auf sieben Stockwerken bis zu 2.000 Männer aus unterschiedlichen Nationen untergebracht. Es ist das größte Nebenlager des KZ Neuengamme im letzten Kriegsjahr.


Blick auf die Gedenktafeln und den Durchgang zum Innenhof, wo die KZ-Häftlinge morgens und abends zum Appell antreten mussten.
Die Männer werden in der unmittelbaren Umgebung eingesetzt. Sie müssen im Auftrag der Hansestadt Aufräumarbeiten auf bombardierten Grundstücken durchführen, Leichen bergen oder Bomben entschärfen, für das Telegrafenamt Kabelschächte für die Reparatur freilegen, für die Reichsbahn Gleisanlagen reparieren, Pflanzarbeiten im Botanischen Garten (heute Planten un Blomen) verrichten oder für den SS-Führungsstab einen Bunker an der Alster bauen. 


Die beiden Tafeln erinnern an das KZ-Außenlager in der Spaldingstraße.
Angesichts unzureichender Unterbringungen, fehlendem Arbeitsschutz bei lebensgefährlichen Tätigkeiten, schwerster körperlicher Arbeit. mangelnder Ernährung und Krankenversorgung ist die Sterblichkeitsrate des Lagers sehr hoch: Mindestens 800 Männer verloren ihr Leben. Die Toten werden entweder im Krematorium des Stammlager verbrannt oder auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. 

Mitte April 1945 wird das Lager geräumt. Die Männer werden per Bahn in das Auffanglager Sandbostel transportiert, wo die wenigen Überlebenden am 29. April 1945 von britischen Soldaten befreit wurden.

Blick auf die eine Ausstellungstafel im Foyer.
2007 setzen sich Menschen für eine Gedenktafel am Gebäude ein. Nach zwei Jahren stimmt der Besitzer des Gebäudekomplexes, ein Nachfolger der Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie, von welcher die SS das Gebäude 1944 mietete, der Anbringung zu. Bereits während der Einweihung gibt es lautstarke Mieter-Proteste gegen die Gedenktafeln.

Drei Wochen später lässt der Besitzer des Gebäudekomplexes die Tafeln von der Front des Hauses entfernen und stellt sie im Innenhof auf, dessen Betreten verboten ist. Begründung: Die Tafeln wirkten sich geschäftsschädigend aus, Mieter beschwerten sich. Nach Protesten werden die Tafeln wieder an der Frontfassade angebracht.

Blick auf den zweiten Ausstellungsteil.
Nach einem Eigentümerwechsel wird das Gebäude von einem Hostel genutzt. Es eröffnet 2012. Im öffentlich zugänglichen Foyer finden sich zwei zweisprachige Schautafeln, die die Geschichte des KZ-Außenlagers Spaldingstraße darstellen und in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erstellt wurden.

Montag, 20. August 2018

Stolperstein für Walter Steinbeck an der S-Bahn Hammerbrook

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das braune Pack kündigte an, ab September 2018 wieder demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Mal gucken, wie lange sie den Wind, der ihnen von der demokratischen Mehrheit der Stadt entgegen weht, aushalten.

Stolperstein für Walter Steinbeck, der bis zu seiner letzten Verhaftung in der Hammerbrookstraße 52 wohnte.
Walter Steinbeck macht schon früh die Erfahrung, dass bestraft wird, wer den falschen Menschen liebt: Bereits im Alter von 19 Jahren wurde er aufgrund seiner Homosexualität verhaftet und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Er verbüßte die Strafe an seinem damaligen Wohnsitz Lüneburg, wo er als Verkäufer arbeitet.

1933 zieht der aus Lübtheen/Mecklenburg stammende Steinbeck zu Schwester und ihrer Familie nach Hamburg, in die Hammerbrookstraße 52. Fortan arbeitet er im Fettwarengeschäft des Schwagers. Ob der junge Mann hoffte, dass seine Homosexualität in einer Großstadt weniger auffällt als in den Kleinstädten und Dörfern, in der er bislang lebte? Sollte es so gewesen sein, gelang es nicht.

Im September 1935 fühlt sich ein Nachbar von dem 27jährigen belästigt und zeigte ihn an. Steinbeck verbüßt eine dreimonatige Haftstrafe. Vier Jahre später erpresst ihn einer seiner Sexualpartner, der dann in die Fänge der Polizei gerät und Steinbecks Namen nennt. Im November 1939 wird Walter Steinbeck aufgrund seiner Homosexualität zu zwei Jahren Gefängnis we­gen Ver­gehens nach § 175 RStGB verurteilt.

Wo heute der Nordausgang der S-Bahn Hammerbrook ist, stand einst das Wohnhaus, in dem Walter Steinbeck lebte.
Steinbeck verbüßt die Strafe in verschiedenen Gefängnissen und Lagern. Im September 1941 soll er eigentlich entlassen werden, kommt aber stattdessen in das Polizeigefängnis Hütten - vorbeugend, falls er es wagen sollte, seine Homosexualität wieder auszuleben. Von Hütten wird der 33jährige ins KZ Neuengamme überstellt.

Im Mai 1942 stimmt Steinbeck seiner Kastration zu, sicher in der Hoffnung, dann freigelassen zu werden. Der Eingriff erfolgt im Krankenhaus des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis. Steinbeck bliebt weiterhin im KZ Neuengamme inhaftiert, wo er am 22. August 1942 ermordet wird.

Weitere Informationen zum Schicksal von Walter Steinbeck gibt es auf der Stolperstein-Seite.

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Montag, 21. Mai 2018

Frøslevlejrens Museum - das Museum des Internierungslagers Frøslev (Dänemark)

Montags gegen Nazis
Update 05.05.2018: Die Nazis pausieren anscheinend. Momentan sind die Montagsdemos abgesagt. Wohlwissend, dass der Schoss fruchtbar bleibt, mache ich mit meiner Montagsreihe weiter. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.



Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.


Gedenkstein für die im Lager inhaftierten Dänen und die, die ihr Leben für die Befreiung Dänemarks gaben, mit Blumenschmuck zum Befreiungstag am 5. Mai.
Heute geht's nach Dänemark, in das Museum für das Internierungslager Frøslev. Das hat nichts mit Hamburg zu tun, sagst Du? Oh doch, hat es. Das Lager ist eng mit dem KZ Neuengamme verbunden.


Blick auf den rekonstruierten Turm, in dem der erste Ausstellungsteil zu sehen ist, und die ehemaligen Lagergebäude, die heute ein Internat beherbergen.
In einem früheren Leben kam ich sehr oft mit Menschen zusammen, die in Frøslev interniert waren, aber erst jetzt gab's die Gelegenheit, mir das ehemalige Internierungslager einmal anzuschauen. Frøslev gehört zu Padborg, liegt also direkt hinter der deutsch-dänischen Grenze - so ziemlich jeder Dänemark-Urlaub passiert also den Ort bei Ein- und Ausreise.

Das Internierungslager Frøslev, in korrektem NS-Deutsch Polizeigefangenenlager Fröslee, wurde im Sommer 1944 errichtet. Gut ein Jahr vorher stellte die dänische Regierung jegliche Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern ein und trat zurück. Der dänische Widerstand erhielt mehr Zulauf. Es bestand die Gefahr, dass vermehrt Dänen in KZ deportiert würden. 


Auch im Lager wurde Widerstand geleistet: Die Häftlinge bauten ein Radio, mit dem sie die BBC hören konnten, und versteckten es in einer Grube unter einem Bett.
Das dänische Außenministerium verhandelte mit den Deutschen und konnte erreichen, dass ein Lager in Dänemark errichtet wird, um Gestapo- und SS-Gefangene zu internieren: Frøslev. In den knapp neun Monaten seines Bestehens durchliefen knapp 12.000 Menschen das Lager, war es völlig überbelegt. Etwa 230 Menschen wurden in dem Lager ermordet. 

Entgegen der Absprache wurden fast 2.000 Menschen in deutsche KZ überführt. Viele kamen nach Neuengamme oder in eines seiner Außenlager. 


Blick in einen der rekonstruierten Schlafsäle. 
Als ab März 1945 etwa 15.000 überwiegend norwegische und dänische KZ-Häftlinge im Rahmen der Bernadotte-Aktion nach Schweden transportiert wurden, wurde im KZ Neuengamme ein Sammellager eingerichtet, bevor die Menschen über Frøslev und Horsens nach Schweden transportiert wurden. 


Auch Bücher können zum Widerstand gehören: Die ersten wurden eingeschmuggelt und heimlich gelesen, bis es gelang, den Deutschen die Erlaubnis für eine Bibliothek abzuringen.
Die Geschichte des Lagers wird in zwei ehemaligen Baracken und einem rekonstruierten Wachturm sehr anschaulich dargestellt. Ausführlich werden beispielsweise Lageralltag, Häftlingsbiographien und Widerstand dargestellt. Die Ausstellung ist mehrsprachig, in Teilen auf Dänisch, Deutsch und Englisch, in Teilen auf Dänisch und Englisch, und da, wo sie nur Dänisch ist, gibt es Hefte mit Übersetzungen der Texte auszuleihen.


Ausschnitt aus der Transportliste.
Frappierend war für mich wieder mal die Effektivität der deutschen Verwaltung: Egal, ob ein Lager in Deutschland, Polen, Dänemark oder in einem anderen besetzten Land war, Aufbau und Formulare war immer gleich. Ich arbeite lange genug mit Verwaltungsfachangestellten zusammen um zu wissen: Das würde heute alles genau so effektiv und reibungslos ablaufen. 


Einer der Weißen Busse, der vielen Menschen das Leben rettete.
Mich berührten die Transportlisten, auf denen ich mache Namen und Schicksale kenne, und der Weiße Bus, weil ich den einen oder anderen Menschen kennenlerne durfte, der in so einem Bus in Sicherheit gebracht wurde, ihm sein Leben verdankt. 

Unmittelbar nach der Befreiung am 5. Mai 1945 inhaftierte die dänische Widerstandsbewegung die deutsche Minderheit in Frøslev, zum Teil wegen Kollaboration, zum Teil aber schlichtweg zum Schutz vor Übergriffen wütender Dänen. Das betraf vor allem Frauen, die eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten hatten. 


Blick auf das Gelände des ehemaligen Lagers. In den Baracken sind heute Ausstellungen zu sehen.
Das Lager, in dem über 3.000 Menschen inhaftiert waren, wurde nach einem Dorf in der Nähe in Fårhuslejren umbenannt und bestand bis Oktober 1949. Die Ausstellung über das Fårhuslejren ist noch recht neu und in Baracke H6, wo man auch den Eintritt zahlt, zu sehen. 


Blick auf den Teil des ehemaligen Lagers, der heute als Internat genutzt wird. 
Neben den Ausstellungen zur Geschichte der Lager Frøslev und Fårhus sind auf dem Gelände auch eine Naturausstellung, ein über den dänischen Zivil- und Heimatschutz, dänische Soldaten in der UN und über Amnesty International zu sehen. Zudem gibt es ein Café, das am Tag unseres Besuchs leider geschlossen war. Man kann dort gut und gerne einen ganzen Tag verbringen, auch, weil die Umgebung zum Wandern einlädt.

Montag, 23. April 2018

Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken (Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe)

Montags gegen Nazis
Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

Besucherin vorm Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken.
In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Auf dem Geländes des Industriedenkmals Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe gibt es seit zwei Jahren ein Denkmal, dass an die Menschen erinnert, die zwischen 1940 und 1945 Zwangsarbeit für die Hamburger Wasserwerke leisten mussten. 


Detail des Denkmals.
Insgesamt arbeiteten etwa 500 Menschen im "Kommando Wasserwerke". Es waren zivile Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene sowie Häftlinge aus den Außenlagern Dessauer Ufer und Fuhlsbüttel des KZ Neuengamme. Die Männer kamen aus Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Polen, der Sowjetunion und der Ukraine. Sie mussten unter widrigen Umständen körperliche Schwerstarbeit leisten, u.a. beim Bau von Kanälen und bei der Reinigung der Sandfilteranlagen im Wasserwerk Kaltehofe. Dort, an den öffentlich zugänglichen Museumsbecken, steht heute das Denkmal.

Entworfen wurde das Denkmal von Meinhard Weidner. Die Gestaltung übernahmen Auszubildende von Hamburg Wasser. Material ist ein zeitgenössisches Wasserrohr. Initiiert wurde das Denkmal vom Sohn eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Die Finanzierung erfolgte durch Hamburg Wasser, die auch einen Historiker mit der Aufarbeitung dieses Kapitels der Firmengeschichte beauftragte. 


Mahnmal für die Zwangsarbeiter bei den Hamburger Wasserwerken.
Namentlich bekannt ist der Einsatz von 139 italienischen Militärinternierten, deren Namen im Denkmal genannt werden. Sie waren in einem Lager in der Süderstraße 110 - 112 untergebracht. Dort ist heute ein Industriegelände. 

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Sonntag, 2. April 2017

Hamburgs erstes Denkmal: Die Flut-Pyramide

Manchmal kann ich ein früheres Leben, in dem ich mein Geld auf den Straßen der Stadt verdiente, nicht verleugnen. Ich streife meistens noch immer mit offenen Augen durch die Straßen, immer auf der Suche nach Hamburgensien. Früher nutzte ich sie auf Stadtführungen, heute blogge ich gelegentlich darüber.

Gedenktafel für das Deichbruch-Denkmal von 1771, 1774 aufgestellt.
Der Mittagspausenspaziergang zu den Foodtrucks auf dem Deichtorhof führt mich auch durch die Banksstraße. Am nördlichen Widerlager der Oberhafenbrücke ist über Augenhöhe eine unscheinbare Tafel angebracht. Hamburg hat ja das Talent, Gedenktafeln so zu gestalten, dass sie sich optisch gut der Umgebung anpassen. Anders gesagt: Sie fallen nicht auf. Bislang dachte ich, das gilt ausschließlich für Gedenktafeln an die NS-Zeit, aber das hat anscheinend Methode. So ist auch diese Tafel auf den ersten Blick nicht sofort zu erkennen.

Der Platz, auf dem das Denkmal stand, heute.
Die Gedenktafel erinnert an die Flut von 1771. In diesem Sommer gab's ungewöhnlich starke Regenfälle, in deren Folge am 8. Juli die Elbdeiche bei Neuengamme brachen. Das Hochwasser überflutete die Marschen und das Umland, bedrohte schließlich auch die Stadt Hamburg selbst.

Am 21. Juli erreichte die Flut ihren Höchststand am Deichtor, klopfte also sozusagen ans Stadttor. Die Deiche der Stadt hielten glücklicherweise stand, das Wasser ging kurze Zeit später zurück. Es sollte aber bis Anfang September dauern, bis sich der Wasserstand wieder normalisiert hatte.

Drei Jahre nach der Flut, also 1774, wurde im Vorland des Deichtors ein auf einem Sockel stehender steinerner Obelisk, gekrönt mit einer Urne, errichtet: Die Flut-Pyramide. Neben einer Inschrift ("Die Elbe, von den Regengüssen eines trüben Sommers angeschwollen, drang über unsre Fluren ein und stieg bis an die unten bezeichnete Linie. Den 21. Juli 1771.") erhielt die Pyramide auch eine Wasserstandsmarkierung.

Das von Johann Georg Büsch gestaltete Flut-Denkmal um 1900 an der Bullenhuser Schleuse (Quelle: Wikipedia).
Die Gestaltung entsprach den ästhetischen Vorstellungen für Trauermonumente der damaligen Zeit. Dieses Denkmal war das erste Denkmal Hamburgs und das zweite Ereignisdenkmal Europas. Einzig die Briten waren schneller und errichteten knapp 100 Jahre vorher das "Monument" in London.

Generell scheint dem Denkmal keine große Bedeutung zugemessen worden zu sein. Nicht nur, dass es rasch in Vergessenheit geriet und häufig umgesetzt wurde, es scheint auch keine Ansicht vom ursprünglichen Aufstellungsort zu existieren.

Im Feuersturm 1943 wurde es beschädigt und anschließend dem Verfall preisgegeben. Auch daran erinnert die Gedenktafel - na ja, mehr oder weniger, denn genau genommen wurde das Denkmal ja nicht 1943, sondern erst nach 1945 zerstört, weil man die Schäden nicht behob. Es gab einfach wichtigeres in der zerstörten Stadt.

Typisch Hamburg: Wenn schon das Denkmal der Zerstörung preisgegeben wurde, stellt man kurzerhand die Gedenktafel unter Denkmalschutz.

Bis heute erinnert am Neuengammer Hauptdeich / Lange Grove ein Denkmal an den Deichbruch 1771, das zum 100. Jahrestag aufgestellt wurde.

Samstag, 24. Dezember 2016

Weihnachten

Jan van Bork aus den Niederlanden, Jupp Händler aus Österreich, Herbert Schemmel aus Deutschland, allesamt politische Häftlinge des KZ Neuengamme, waren drei der Männer, die sich an Weihnachten 1944 an einer nach Lagerregeln illegalen und somit überaus riskanten Hilfsaktion für zwanzig jüdische Kinder beteiligten, die in Neuengamme zu Objekten medizinischer Versuche degradiert wurden und zu diesem Zeitpunkt bereits schwer an Tuberkulose erkrankt sich im Revier IVa befanden.

Es handelt sich um jene Kinder, die einige Monate später, im April 1945, in Hamburg-Rothenburgsort in den Kellerräumen der Schule am Bullenhuser Damm zusammen mit ihren vier erwachsenen Betreuern aus Frankreich und den Niederlanden ermordet werden sollten.

Diese drei und weitere Männer ließen den 4- bis 12jährigen Kindern zu Weihnachten 1944 von ihnen gebasteltes Spielzeug, Schokolade aus den Rot-Kreuz-Paketen für skandinavische Häftlinge und in der Häftlingsküche aus Zucker geschmolzene Karamell-Bonbons zukommen, sprich: in den Revierbau schmuggeln. Der Kontakt zu den Kindern war den Männern bei Todesdrohung verboten. Dies konnte sie nicht abhalten.

Diejenigen, die den Kindern die Geschenke überreichten, erkannten, dass diese bereits zu schwach und zu krank waren, um darauf noch reagieren zu können. Den an der Hilfsaktion beteiligten Männern außerhalb des Reviers logen sie vor, dass die Kinder sich ganz doll gefreut hätten.

Schließlich war ja Weihnachten.

[Mit freundlicher Genehmigung von Marco Kühnert, der diesen Text für die Amicale Internationale KZ Neuengamme schrieb.]