Posts mit dem Label St. Pauli werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label St. Pauli werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 16. Mai 2022

Das ehemalige Ernst-Drucker-Theater

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.


Im Winter traf sich das braune Pack täglich in vielen Stadtteilen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Letztlich wollen die Demonstranten aber nichts anderes als einen faschistischen Staat, marschieren inzwischen nicht mehr nur von der AfD begleitet, sondern offen der NDP und anderen rechtsradikalen Parteien und Organisationen hinterher. 

Das heutige St. Pauli Theater hieß bis 1941 Ernst Drucker Theater.

Seit 2011 steht unter dem Schriftzug "St. Pauli Theater" wieder der ursprüngliche Name des Hauses am Spielbudenplatz: "Ernst Drucker Theater". Ich finde ja, man hätte das Theater gleich ganz umbenennen können, aber nun ja. 

Das Theater wird 1841 als "Urania-Theater" eröffnet. Es ist das älteste Privattheater Hamburgs und eines der ältesten Theater Deutschlands. Nach wechselvoller Geschichte kauft der erst 29jährige Ernst Drucker das Haus 1884 und baut es sehr erfolgreich zu einem Volkstheater aus. Auf dem Spielplan stehen überwiegend niederdeutsche Lustspiele mit Lokalkolorit und Sittenstücke, moralisierende Dramen. Die Zuschauer kennen die Orte, an denen die Stücke spielen, und können sich mit den Protagonisten identifizieren. Gleichzeitig setzt Drucker auch auf zeitgenössische Autoren wie Gerhart Hauptmann und Henrik Ibsen. Seine Mischung hat Erfolg, wenngleich "das Drucker" mehr für Amüsemang als für Anspruch steht. 

Über Ernst Drucker ist wenig bekannt. Er wird am 23. Oktober 1855 als Nathan Drucker in eine jüdische Hamburger Kaufmannsfamilie geboren. Er heiratet die Opernsängerin Anna Dombrowska, eine Protestantin. Die Ehe ist kurz; Anna Drucker stirbt 1882 im Alter von 27 Jahren. Drucker heiratet erneut.

Kurz vor seinem 27. Geburtstag im Oktober 1882 konvertiert Nathan Drucker zum Protestantismus und gibt sich den Vornamen Ernst. 1908 gibt Drucker die Theaterleitung ab, übernimmt sie dann aber im Ersten Weltkrieg wieder. Jetzt stehen Sonderaufführungen für verletzte Soldaten auf dem Spielplan. Ernst Drucker stirbt am 19. Mai 1918 in Hamburg. Seine Frau Else führt das Theater weiter, verkauft es drei Jahre später an Siegfried Simon, der u.a. das Flora-Theater am Schulterblatt betreibt. Nach dessen Tod übernimmt es seine Frau Anna. Sie bleibt bis zu ihrem Tode 1964 die Intendantin.

Anlässlich des 100. Jubiläums des Ernst Drucker Theaters am 24. Mai 1914 wird eine Festschrift erstellt - samt Grußwort von Emmy Göring. Die Festschrift wird schnell wieder eingestampft, denn es stellt sich heraus, dass Ernst Drucker als Jude geboren wurde. Auch sein Nachfolger Siegfried Simon ist Jude. Seine Kinder Kurt und Edith, die ihre Mutter bei der Theaterleitung unterstützen, gelten nach den NS-Gesetzen als Juden. Kurt Simon erhält Berufsverbot als Regisseur. Das Theater wird in St. Pauli Theater umbenannt und trägt diesen Namen bis heute. Nach der Befreiung ist das St. Pauli Theater eines der ersten, dass am 29. August 1945 den Spielbetrieb wieder aufnimmt.

Ernst Drucker und seine Frau haben drei Töchter, Wally, Gerda und Helga, die ebenfalls den NS-Rassengesetzen unterliegen. Wally Drucker, verheiratete Boothby, später Valerie Boothby-Colonna, kann nach Frankreich emigrieren, kam über New York und Ägypten schließlich 1970 nach Hamburg zurück. Die Schauspielerin und Autorin verstarb hier 1982. Generell ist die Geschichte der Familie Ernst Drucker noch zu wenig erforscht.  

Montag, 3. Januar 2022

Die Schilleroper

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.  

Aktuell tarnen sich die Demokratiefeinde als Kritiker jeglicher Corona-Maßnahmen und marschieren sonnabends durch die Innenstadt. Aber auch unter der Woche laufen Nazis gerne durch verschiedene Stadtteile. Dabei ignorieren sie ungeahndet jegliche Auflagen bezüglich Abstand und Maskenpflicht. An Intelligenz und Anstand mangelt es ihnen ohnehin, sonst wären sie keine Nazis. 

Die demokratische Mehrheit der Stadt hingegen trifft sich am 15. Januar 2022 um 15:30 Uhr am Ferdinandstor - coronakonform mit Anstand, Abstand und Maske.

Die Schilleroper ist auch eine große Freiluft-Galerie.

Der markante Rundbau, dessen Stahlkonstruktion unter Denkmalschutz steht, im Oktober 2018.

Der markante Rundbau der Schilleroper, der nicht zufällig an ein Zirkuszelt erinnert, wird Ende des 19. Jahrhunderts nach Plänen des Architekten Ernst Michaelis für Circus Busch errichtet und fasst über 1.000 Zuschauer. Nur wenige Jahre später zieht Circus Busch allerdings an den Zirkusweg auf St. Pauli um. Das Gebäude wird zum Theater umgebaut, eröffnet 1905 mit Schillers "Wilhelm Tell" und erhält anlässlich des 100. Geburtstags des Dichters den Namen "Schiller-Theater". In den 1920er Jahren werden im Wesentlichen politische Stücke gespielt, treten Laiengruppen der Hamburger Arbeiterbewegung auf. Das Theater ist in finanziellen Schwierigkeiten.

Die Nebengebäude, die nicht unter Denkmalschutz stehen, sind inzwischen abgerissen.

Ab 1933 passt sich das Theater den Nationalsozialisten an, nimmt zum Beispiel ein Drama von Joseph Goebbels auf den Spielplan. Aufgrund eines fehlenden Luftschutzkellers muss das Theater mit Beginn des Zweiten Weltkriegs den Betrieb einstellen. 

Erinnerung an die Zeit zwischen 2003 und 2006, als die Schilleroper zum letzten Mal als Club genutzt wurde. 

Spätestens ab 1943 befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Schilleroper in der damaligen Amselstraße ein Lager für etwa 500 italienische Kriegsgefangene, bewacht von Soldaten. Die Männer werden bei Aufräumarbeiten von Bombenschäden eingesetzt; körperliche Schwerstarbeit, die in der Regel u.a. aufgrund von Blindgängern und einstürzendem Mauerwerk viele Opfer fordert. Das Lager besteht bis Anfang 1945, dann werden die Männer verlegt.

Die denkmalsgeschützte Rotunde mit dem "Laterne" genannten Oberlicht, das an einen Leuchtturm erinnert.

Außerdem befindet sich auf dem Gelände die Großküche Hönisch, die zahlreiche Lager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter mit Essen versorgt, aber auch das Mittagessen für die Wachmannschaften des KZ Neuengamme lieferte. Die Großküche liefert zumindest in einem Falle auf Wunsch eines Betriebes, bei dem Kriegsgefangene eingesetzt sind, auch schon mal doppelte Verpflegungssätze, was aufgrund einer Anzeige allerdings geahndet wird.  

Im dichtbebauten Areal Bei der Schilleroper / Lerchenstraße sollen Neubauten mit bis zu 10 Stockwerken entstehen.

Nach der Befreiung wird das einstige Theatergebäude, das nicht von Bomben zerstört wurde, als Unterkunft für Flüchtlinge und Ausgebombte genutzt, schließlich als Hotel, Unterkunft für Arbeitsmigranten bzw. Flüchtlinge und Obdachlose, aber auch immer wieder für kulturelle Zwecke. Uneinigkeit über die weitere Nutzung und Leerstand setzen dem Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, sehr zu. Im letzten Jahr kam es kurzfristig zu Abrissarbeiten einsturzgefährdeter Nebengebäude, sollte das Stahlgerüst der Rotunde endlich gestützt werden, aber kaum begannen die Arbeiten, wurden sie auch schon wieder wegen unsachgemäßer Durchführung gestoppt. 

Das freigelegte Stahlskelett der Rotunde im Oktober 2021. Die Abbrucharbeiten wurden im August gestoppt. Die Konstruktion ist einsturzgefährdet und soll einen Stützturm erhalten, der allerdings noch immer fehlt.

Heute ist die Schilleroper der letzte erhaltene Zirkusbau, der im 19. Jahrhundert in Stahlskelettbauweise errichtet wurde, ein Juwel der Architekturgeschichte. Was die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs nicht schafften, schaffte das Desinteresse der Nachkriegszeit: Seit fast 70 Jahren verfällt das Gebäude. Besitzer und Stadt schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu, so dass sich nichts tut, was den Verfall aufhält. Ein realistisches Konzept fehlt. Aktuell sieht alles nach der typischen Hamburger Lösung im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden aus: Verfallen lassen, bis ein Abriss unvermeidbar ist, dann lukrativ neu bauen.

Affiliate link zum Thema:

Montag, 27. Januar 2020

Das ehemalige Zwangsarbeitslager in der Reeperbahn 168

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Blick auf das Gebäude Reeperbahn 168. Im Dachgeschoss befand sich ein Zwangsarbeiterlager.
Unweit des ehemaligen Logierhauses Concordia in der Reeperbahn 152 / 154 befand sich in Hausnummer 168 im Dachgeschoss eines Wohnhauses ein weiteres Zwangsarbeitslager der Deutschen Werft.

Das Haus scheint eine wechselhafte Geschichte zu haben, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts finden sich unter dieser Adresse beispielsweise Gäthgen's Hamburger Varieté- und Burlesken-Ensemble, aber auch eine Lotterieloshandlung von Max Isenthal.

Zu dem Lager gibt es nur einen Hinweis. Weder ist bekannt, wer dort untergebracht war noch, wie lange es bestand. Mehr zur Zwangsarbeit bei der Deutschen Werft schrieb ich schon im Beitrag zum ehemaligen Logierhaus Concordia.

Samstag, 18. Mai 2019

Samstagsplausch KW 20/19: Street Art-Spaziergang mit Angry Koala durch St. Pauli

Auch wenn es jobbedingt drüben in der Kombüse etwas ruhiger geworden ist, bekomme ich doch noch immer mehr Einladung zu PR-Events, als ich annehmen kann. Das liegt zum einen an mangelnder Zeit und Gesundheit, zum anderen daran, dass ich nur zu Events gehe, wenn ich das Produkt auch selbst verwende oder (halbwegs) guten Gewissens empfehlen kann.

Auf Tour.
Der Blick für kleine Kunstwerke wird geschult.
Bunte Fassaden.
Diese Woche verbrachte ich einen lauen Frühlingsabend mit Dark Horse Wines. Zuerst ging's auf die Straßen von St. Pauli, wo uns Julian von Angry Koala Street Art zeigte, dann in die Street Art School in der Rindermarkthalle und schließlich zum Essen samt korrespondierender Weine (Impressionen davon gibt es in der Kombüse).

Mural von Angry Koala.
Am Wegrand.
Der Spaziergang war sehr unterhaltsam und lehrreich, machte wirklich Spaß und öffnete die Augen auch für kleinste Stückchen Street Art. Und als Highlight gab's auch noch eine personalisierte Messenger Bag für jeden!

Die Hamburger Wall of Love (Detail) oder #nohatefamily.
Wall of Love (Detail).
Wall of Love.
Ansonsten war's 'ne anstrengende Woche, weil ich noch arg erklältet war und eigentlich ins Bett gehört hätte, aber Montag die Endabnahme meines Mammutprojektes hatte. Ich schleppte mich von Hustenkrampf zu Hustenkrampf, schlief wegen des Hustens kaum, steckte den Chef an.

Dark Horse Wine trifft auf Angry Koala.
Grüße an den Gatten.
Als ich dann Donnerstag die Druckfreigabe erteilte, beschloss ich, bis zur Abnahme in der Druckerei in der kommenden Woche sei's dann jetzt auch mal gut, und blieb gestern zu Hause. Dass die Ruhe wirklich notwendig war, merkte ich, als ich mich nur kurz hinlegen wollte, aber prompt sechs Stunden tief und fest schlief. Das war das Gesundschlafen, auf das ich seit letzter Woche wartete.

Auch irgendwie Street Art: Historische Inschrift über dem Weinladen St. Pauli
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und eine gute Woche!

Montag, 13. Mai 2019

Heute vor 80 Jahren: Kapitän Gustav Schröder und die Irrfahrt der St. Louis

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell phantasiert das blaubraune Pack darüber, durch Hamburg zu marschieren. Es bleibt also spannend.

Gedenktafel an Brücke 3 für die Passagiere der St. Louis - hamburgtypisch optisch gut der Umgebung 
Am 13. Mai 1939, heute vor 80 Jahren, legt die St. Louis, eines der großen HAPAG-Transatlantikschiffe, in Hamburg ab. Ziel der Sonderfahrt ist Havanna. Kapitän des Schiffes ist der 1885 im dänischen Haderslev geborene Kapitän Gustav Schröder (hier gibt es einen ausführlichen Artikel über ihn).

An Bord sind 937 Passagiere, überwiegend jüdische Deutsche, die hoffen, in Kuba eine Zuflucht zu finden, denn das Land akzeptiert zu diesem Zeitpunkt auch die Einreise von Juden, die nur ein Touristenvisa haben. 

Als das Schiff zwei Wochen später am Ziel ist, haben sich die Visabestimmungen geändert, verweigert Kuba die Einreise. Kapitän Schröder ankert in der Bucht vor Havanna und beginnt mit verzweifelten Verhandlungen, unterstützt von jüdischen Organisationen. Schließlich dürfen 29 Menschen an Land. 

Schröder kreuzt vor Florida und versucht mit wachsender Verzweiflung, einen sicheren Hafen zu finden. Als sowohl die USA als auch Kanada das Schiff abweisen, erhält die St. Louis Order, zurück nach Europa zufahren. Die Passagiere drohen mit Selbstmord und Meuterei, haben Angst vor der Haft in Konzentrationslagern - einige von ihnen haben bereits KZ-Haft hinter sich und ahnen, dass das nur der Anfang war.

Am 17. Juni 1939 darf das Schiff in Antwerpen anlegen, dürfen die Passagiere von Bord gehen. Großbritannien, Belgien, Frankreich und die Niederlande erklären sich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit. Aber ihre Sicherheit ist trügerisch: Mit dem deutschen Einmarsch in den Niederlanden, in Belgien und Frankreich geraten viele wieder in die Fänge der Nazis. Über 250 der St.-Louis-Passagiere werden ermordet. 

Zugang zu Brücke 3 mit der Gedenktafel für die St. Louis (rechts, perfekt mit der Wand harmonierend). 
Gustav Schröder wird verhältnismäßig früh für sein Verhalten geehrt: 1957 erhält der 72jährige das Bundesverdienstkreuz. Yad Vashem ehrte den Kapitän posthum 1993 mit dem Titel "Gerechter unter den Völkern". Neben einer Straße in Langenhorn und der Gedenktafel an den Landungsbrücken ist seit gestern der Park zwischen der St. Trinitatis-Kirche und der Kirchenstraße nach Kapitän Schröder benannt. Dort befand sich einst das jüdische Herz Altonas. 

Aber das ist eine andere Geschichte.  

Affiliate links

Samstag, 20. April 2019

Samstagsplausch KW16/19: Ein Kessel Buntes

Mein Mammut-Projekt dominiert momentan alles. Mein Überstundenkonto wächst, Mittagspause ist ein Fremdwort, außer montags, wenn ich meine Lektorin beim Italiener treffe, wir die letzten Korrekturen durchsprechen, und wenn ich mal frei habe, kann ich nur noch kraftlos mindless stricken. Zum Bloggen, Lesen oder gar zum Kommentieren komme ich zurzeit kaum.

Mitte Mai kann ich ein bisschen durchatmen, dann ist das Manuskript in der Druckerei. Dann heißt es, bis zur Pressekonferenz Anfang Juni durchhalten, und Ende Juni, wenn die Sommerferien anfangen, kann ich endlich runterkommen.

Aktuell auf den Nadeln: Wassermelonensocken*.
So, wie es aussieht, kann ich dann auch endlich wieder die Terrasse und unseren kleinen Garten genießen, denn es scheint, als wäre der Vermieter beim Durchsetzen des Fußballverbots auf der Grünfläche zwischen unseren Häuserblöcken endlich erfolgreich. Seit einer Woche wird dort nicht mehr gebolzt, sondern gespielt, landen keine Bälle mehr auf der Terrasse, sind unsere Fenster kein Fußballtor mehr. Das ist richtig schön!

Beute: Hedgehog Fibres Skinny Singles*
Entspannung brachte Sonntag die Strickhafenrundfahrt vom Maschenwunder. Diesmal machte ich keine Fotos, aber hier gibt es Impressionen vom vorletzten Herbst. Stell' Dir vor, wir haben mitten im Hafen-Industriegebiet einen Fuchs gesehen! Er saß am Ufer und sah so aus, als wolle er auf die Enten los, die dort schwammen.

Eigentlich wollte ich ja keine Wolle kaufen, bis mein Stash abgearbeitet ist (bei einigen Knäulen weiß ich schon gar nicht mehr, wofür ich sie kaufte ...), aber an "Guppy" von Hedgehog* kam ich auf der Hafenrundfahrt nicht vorbei. Daraus wird ein Schal. Überhaupt kaufe ich momentan zu viele schöne Sachen - irgendwie muss ich mich für den Stress belohnen ...

In der Panik City.
Dienstlich ging's diese Woche mal nicht ins Theater, sondern in die Panik City, dem Udo-Lindenberg-Museum auf dem Spielbudenplatz. Für richtige Fans ist das sicher ein Muss. Ich hingegen bin mehr so die klassische Museumstante; mir fehlten die verschiedenen Ebenen und die Gelegenheit, einzelne Themen zu vertiefen, denn man hat genau 90 Minuten Zeit für den Besuch.

Diese Woche stand auch die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst bei Mudderns an. Den Termin gab's diesmal rasend schnell. Die Gutachterin war die gleiche wie vor zwei Jahren, und diesmal scheint es mit Pflegestufe 1 geklappt zu haben, denn Mudderns körperlicher und seelischer Verfall fiel ihr auch auf.

Der zweite Monat des Verspätungsschals. Damit das Dunkelrot besser auffällt, stricke ich Perlen ein.
Inzwischen habe ich den zweiten Monat des Verspätungsschals gestrickt. Zwischen dem 11. März und dem 5. April zählte ich 46 Fahrten mit 325 Minuten Verspätung, also 7,06 Minuten Verspätung pro Fahrt. Bei zwei Fahrten hatte ich über 20 Minuten Verspätung und bekam jeweils 1 Euro erstattet. Wie ich zum Verspätungsschal kam, kannst Du hier nachlesen.

Dieser Beitrag wandert rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Ich wünsche Euch chag pessach semeach, frohe Ostern und ein schönes Wochenende.

*Affiliate links

Montag, 11. Februar 2019

Ausstellung im Schulmuseum: Schule im Nationalsozialismus

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen.Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell versucht das blau-braune Pack ein alte Taktik: Die Großstadt vom Rand her einzunehmen. Getarnt mit gelben Westen trifft es sich sonnabends in Harburg. Wären die besorgniserregenden Bürger nicht so bildungsresitent, sie gingen statt zur Demo ins nahegelegene Archäologische Museum und lernten, dass Zuwanderung keinen Untergang bedeutet.

Apropos Bildungsresitenz und Museum: Heute geht's ins Hamburger Schulmuseum, das in einer Ausstellung zeigt, wie das so ist mit der Bildung und den Faschisten: Als historischer und demokratiepädagogischer außerschulischer Lernort zeigt das Hamburger Schulmuseum in einer Dauerausstellung, wie sich die Schule zwischen 1933 und 1945 entwickelte.


Der Ausstellungsraum zu "Schule im Nationalsozialismus" wird durch ehemalige Bunkertüren betreten.
Die nicht nur fundierte, sondern auch noch liebevoll gestaltete Ausstellung verdient in ihrer Einzigartigkeit Respekt, umso mehr, wenn mensch weiß, dass sie in ehrenamtlicher Arbeit entstand. Sie verdeutlicht die nationalsozialistische Durchdringung des Schulsystems. Die erlassenen Gesetze und Verordnungen sind an Wand- und Schaubildern, im Schulbuch, im Konferenzprotokoll und im Schülerheft anhand originaler Exponate sichtbar.


Blick in den Ausstellungsraum.
Die Ausstellung gibt viele Denkanstöße: Wie funktioniert Manipulation? Wie werden Schüler und Lehrkräfte in ihrem Denken und Fühlen derart beeinflusst, dass viele widerstandslos mitlaufen? Wie wirken sich Kinderlandverschickung, Flucht, Widerstand und Hunger auf den Schulalltag aus?


Bis zum 80. Jahrestag des Verbots der Beschulung von Juden 2022 soll die Ausstellung neu konzipiert werden - vorausgesetzt, es findet sich eine Finanzierung. 

Aktuell zeigt das Schulmuseum übrigens die sehr sehenswerte Sonderausstellung Im Schatten von Auschwitz“ mit Fotografien aus der Ukraine, Belarus und Polen.

Freitag, 1. Februar 2019

Treppenhausfreitag: Schulmuseum in der Seilerstraße 42

Das Hamburger Schulmuseum befindet sich in der Seilerstraße 42 auf St. Pauli in einer ehemaligen evangelisch-reformierten Realschule, die zwischen 1884 und 1885 erbaut wurde. Bis 2002 war hier Schulbetrieb. Nach umfangreicher Renovierung zog dann 2006 das Museum ein.

Im Treppenhaus des Schulmuseums.
Einstimmung auf die Ausstellung "Spiele der Straße um 1900". 
Im Treppenhaus des Schulmuseums. 
Aktuell zeigt das Schulmuseum übrigens die sehr sehenswerte Sonderausstellung Im Schatten von Auschwitz“ mit Fotografien aus der Ukraine, Belarus und Polen.

Auch wenn sie eigentlich die ehemalige Volksschule gegenüber besingt, sei an dieser Stelle an das wunderbare musikalisches Denkmal erinnert, das Heidi Kabel der Schule Seilerstraße setzte. Die besungene höhere Schule beherbergt heute das Schulmuseum.

Montag, 28. Januar 2019

"Im Schatten von Auschwitz": Ausstellung mit Fotografien von Mark Mühlhaus im Hamburger Schulmuseum

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell pausiert das blau-braune Pack. Meinswegen kann es das auch für die nächsten 74 Jahre - mindestens.


Vor dem Schulmuseum in der Seilerstraße. Über das Gebäude rechts habe ich hier schon mal geschrieben.
Anlässlich des diesjährigen Holocaust-Gedenktages zeigt der Fotograf Mark Mühlhaus seit heute im Hamburger Schulmuseum seine Foto-Ausstellung „Im Schatten von Auschwitz“ mit Bildern aus der Ukraine, Belarus und Polen.

Das Museum bietet für Schulklassen ein pädagogisches Begleitprogramm zur Ausstellung in Form von Projekttagen an. Außerdem kann die Ausstellung bei Attenzione ausgeliehen werden.

Montag, 6. August 2018

Das ehemalige Logierhaus Concordia an der Reeperbahn 152/154

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das braune Pack kündigte an, ab September 2018 wieder demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Mal gucken, wie lange sie den Wind, der ihnen von der demokratischen Mehrheit der Stadt entgegen weht, aushalten.

Wenn man sich die Zeit nimmt und die Reeperbahn mal bei Tag besucht, abseits von Glitzer, Glitter und Leuchtreklamen, wenn man sich dann auch noch die Fassaden anschaut, merkt man schnell, dass da einige Häuser mit Geschichte stehen. Eines davon ist der Gebäudekomplex Reeperbahn 152 / 154.


Das ehemalige Logierhaus Concordia an der Reeperbahn 152/154.
Anfang des 20. Jahrhunderts befindet sich unter dieser Adresse das Logierheim bzw. Logierhaus Concordia. Später wurde es in Fremdenheim St. Pauli umbenannt. Bauherr des 1891 fertiggestellten Gebäudes ist der Verein für Volkskaffeehallen, der auch zahlreiche Kaffeeklappen betreibt, um so den Alkoholkonsum unter den Arbeitern einzudämmen. Das Haus verfügte über 235 Einzelzimmer mit einfachster Ausstattung: Bett, Schrank, zum Waschen ein Tisch mit Schüssel und Wasserkanne, für die Notdurft Etagentoiletten. Dafür gibt es eine Wasch- und Badeanstalt sowie geräumige Lese- und Speisesäle.

Hier kommen die unter, die keine andere Möglichkeit haben: Seeleute, die auf die nächste Heuer warten; Männer vom Reichsarbeitsdienst auf dem Weg zum nächsten Einsatz, Reisende ohne Geld ... Übernachten durften ausschließlich Männer, die nicht in Hamburg gemeldet waren. 

Die Zimmer sind mehr als günstig und sprechen schnell auch die an, die nicht vor haben, eine ganze Nacht zu bleiben: Huren und ihre Freier oder schwule Paare, die sich nicht in Parks, auf öffentlichen Toiletten oder unter Brücken herumdrücken wollen. Die Männer werden vor allem in der NS-Zeit häufig von den Portiers denunziert und verhaftet.

Für August 1940 ist ein Zwangsarbeitslager der Deutschen Werft AG unter dieser Adresse nachgewiesen. Das Unternehmen beschäftigt ab 1940 insgesamt mehrere tausend Kriegsgefangene, Zwangs- bzw. Arbeiter aus den besetzten Gebieten und ab 1944 auch KZ-Häftlinge. Drei Lager befinden sich direkt auf dem Firmengelände, fünf im Stadtteil Finkenwerder, sechs im Hafengebiet und neun im Stadtgebiet, zum Beispiel an der Reeperbahn 152/154. Weitere Details zum Lager in der Reeperbahn 152/154 sind unbekannt.

Nach der Befreiung wird das Gebäude wieder zum Fremdenheim. Als der Hamburger Senat 1964 beschloss, die Straßenprostitution einzudämmen, machte Willi Bartels, ein Unternehmer, dem zahlreiche Grundstücke und Hotels rund um die Reeperbahn gehören, daraus ein Groß-Bordell. Das "Eros-Center" gilt lange Zeit als "das größte Freudenhaus der Welt" mit vergleichsweise guten Arbeitsbedingungen für die Frauen.   

Nachdem das "Eros-Center" ein paar Häuser weiter in einen Neubau zieht, wird aus dem Gebäude Reeperbahn 152/154 das Hotel "Inter-Rast". Das Hotel mit dem laut Eigenwerbung "Schlüssel zum Herzen der Stadt" hat nie den besten Ruf. 

Ende der 1980er Jahre, als sich viel Geld mit Zuwanderern, Spätaussiedlern und Flüchtlingen verdienen ließ, wird das Hotel zur öffentlichen Unterkunft. Die Zustände sind erbärmlich: Die Menschen sind auf engstem Raum eingepfercht, die Wände schimmeln, es gibt Kakerlaken. Die Miete, gezahlt von der Sozialbehörde, ist Wucher, die Vertragsbedingungen suspekt. Ende der 1990er Jahre schließlich wird die prekäre Unterkunft geschlossen und das Gebäude renoviert. Es zieht wieder ein Billig-Hotel ein.

Montag, 11. Juni 2018

Ehemaliges Zwangsarbeitslager in der Seilerstraße 41

Montags gegen Nazis
Update 11.06.2018: Momentan sind die Montagsdemos abgesagt. Wohlwissend, dass der Schoss fruchtbar bleibt, mache ich mit meiner Montagsreihe weiter. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt.

Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

In der ehemaligen Volksschule in der Seilerstraße 41 waren zwischen 1943 und 1945 Zwangsarbeiter für die Reederei Blohm & Voss untergebracht.
Die Seilerstraße verläuft parallel zur Reeperbahn. Beide Straßen erinnern an ein Gewerbe, das seit dem 17. Jahrhundert auf St. Pauli ansässig war: Die Seil- oder Reepschlägerei. Reepe sind lange, dicke Schiffstaue, und für ihre Herstellung braucht es damals wie heute lange Bahnen - Reeperbahnen eben.

Die schmale Straße ist gesäumt von Etagenhäusern. Auffällig sind zwei Backsteingebäude: Sich gegenüber stehen die einstige evangelisch-reformierte Realschule (Hausnummer 42, heute Sitz des Schulmuseums) und die ehemalige Volksschule für Jungen (Hausnummer 43) und Mädchen (Hausnummer 41, beide erbaut 1887/88). Das Gebäude beherbergt heute eine Berufsfachschule.

Ab Oktober 1940 wurden wie überall auch Hamburger Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihren Lehrkräften in Gebiete verschickt, die Sicherheit vor Bombardierungen versprachen. Von der sogenannten Kinderlandverschickung (KLV) waren zwischen 1940 und 1945 etwa 150.000 Hamburger Kinder betroffen.

Nach den Luftangriffen des sogenannten Feuersturms im Juli 1943 blieben die Schulen im Stadtgebiet geschlossen. Manche der nun leerstehenden Gebäude wurden zu Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter- oder Konzentrationslagern. In der Seilerstraße 41 befand sich ein Lager der Reederei Blohm & Voss mit 446 männlichen und weiblichen ausländischen Arbeitskräften (Oktober 1943) bzw. 118 Arbeitskräften (März 1945).

Die Reeder Rudolf und Walther Blohm begrüssten die Machtübernahme der Nationalsozialisten, waren auch schon vor 1933 entsprechend engagiert. Das Kalkül, dass mit der Aufrüstung auch Mittel in den Schiffbau flößen, ging auf. Das Unternehmen setze auf den U-Boot-Bau und baute zusätzlich ein Tochterunternehmen für den Flugzeugbau auf.

Die Reederei setzte über 16.000 Zwangsarbeiter ein - bislang sind 26 Lager im Hamburger Stadtgebiet und auf dem Firmengelände bekannt. Dazu kommt ein Außenlager des KZ-Neuengamme auf dem Firmengelände. Die Männer und Frauen wurden in der Maschinenfabrik eingesetzt, aber auch bei Räumungen von Trümmern nach Bombardierungen oder zur Entschärfung von Blindgängern. Die Arbeit war körperlich schwer und forderte viele Tote.

Eines der Lager von Blohm & Voss befand sich mitten auf St. Pauli: In der Seilerstraße 41.

Einen Überblick aller bislang bekannten Lager und den dazugehörigen Informationen liefert die Website "Zwangsarbeit in Hamburg".

Affiliate links mit Büchern zum Thema:

Freitag, 11. Mai 2018

Treppenhausfreitag: Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule (Dr. Alberto-Jonas-Haus)

Das Treppenhaus der ehemaligen Israelitischen Töchterschule in der Karolinenstraße 35 ist in das Ausstellungskonzept der Gedenk- und Bildungsstätte einbezogen.

Treppenhaus der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule
(Dr. Alberto-Jonas-Haus).
Das Gebäude wurde zwischen 1882 und 1884 als Schulen für jüdische Mädchen nach einem Entwurf des Architekten Peter von der Heyde erbaut.

Montag, 7. Mai 2018

Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule (Dr. Alberto-Jonas-Haus)

Montags gegen Nazis
Update 05.05.2018: Die Nazis pausieren anscheinend. Momentan sind die Montagsdemos abgesagt. Wohlwissend, dass der Schoss fruchtbar bleibt, mache ich mit meiner Montagsreihe weiter. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.



Ein aus der Zeit gefallenener Kugelschreiber im Naturkunderaum von 1930.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.



Der historische Eingang in die einstige Israelitische Töchterschule wird heute von einer Kita genutzt. Der Eingang in die Gedenk- und Bildungsstätte ist hinter einem Durchgang im Hinterhof.
Die Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule Dr. Alberto-Jonas-Haus in der Karolinenstraße 35 ist ein Juwel unter den Hamburger Museen, denn es verknüpft jüdische Geschichte, Gedenken und Bildungsarbeit. Das Gebäude ist heute in der Trägerschaft der Volkshochschule. 


Blick in den historischen Naturkunderaum.
Ein Modell des Schulgebäudes steht im ehemaligen Naturkunderaum.
Hier finden regelmäßige Kurse zu jüdisch-historischen Themen statt, es gibt Jiddisch- und Hebräisch-Kurse, und donnerstags ist nachmittags das Museum mit seiner Dauerausstellung zum ehemaligen jüdischen Schulleben am Grindel samt historischen Naturkunderaum geöffnet. Außerdem lernen hier Migranten Deutsch, gibt es eine Kita im Haus, finden hier Bildungsurlaube und Fortbildungen für Lehrkräfte statt.


Blick in die Dauerausstellung.
In der Dauerausstellung ist viel Platz, damit Jugendgruppen und Schulklassen diskutieren können.
1884 eröffnet, musste das Gebäude rasch erweitert werden, da die Schülerinnenzahl wuchs. Im Hof wurde 1900 eine Turnhalle gebaut, die auch als Zeichensaal genutzt werden konnte. Zehn Jahre später kamen eine Lehrküche und ein Raum für den Chemie- und Physikunterricht hinzu, der heutige historische Naturkunderaum. 

Der Unterricht bot den Mädchen alle Chancen auf ein Leben als freie, selbstbewusste Jüdinnen. Das Konzept war für die damalige Zeit sehr modern, nicht nur für die jüdische, sondern auch für die nicht-jüdische Mädchenbildung, und wich damit von den üblichen Standards Hamburger Volksschulen ab.


Schirmmütze und Kippa erinnern an die Schüler und Lehrer der Talmud-Tora-Schule, die im Ersten Weltkrieg für ihr Heimatland kämpften. Fünfzehn Jahre später sprachen die Nazis ihnen das Deutschsein ab.
Am 1. April 1939 wurde die Israelitische Töchterschule mit der Talmud-Tora-Realschule, einer Jungenschule, zusammengelegt. Ein halbes Jahr teilten sich die etwa 600 Mädchen das Gebäude mit den Jungen, bevor alle im September 1939 wieder in die Karolinenstraße zurückkehrten. 

Zwei Jahre später begannen die Deportationen deutscher Juden. Am 30. Juni 1942 wurde Juden der Schulbesuch gänzlich untersagt. Die letzten 76 Schülerinnen und Schüler sowie der Schulleiter, die Lehrkräfte und der Hausmeister wurden samt ihrer Familien deportiert. Fortan nutzte die Gestapo das Gebäude.


Unter den Ausstellungsstücken ist auch der Schreibtisch des letzten Schulleiters, Dr. Alberto Jonas. Nach ihm ist die ehemalige Schule heute benannt.
Nach der Befreiung zog eine Sprachheilschule in das Gebäude der ehemaligen Israelitischen Töchterschule ein. In den 1980er Jahren wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt, zur Gedenk- und Bildungsstätte umgebaut und restauriert. Inzwischen steht auch die Turnhalle unter Denkmalschutz. Sie wird beispielsweise von der Liberalen Jüdischen Gemeinde für Gottesdienste genutzt. 


Blick auf den ehemaligen Schulhof und die ehemalige Turnhalle, in der heute beispielsweise Gottesdienste stattfinden.
Link zu den Kursen der Gedenk- und Bildungsstätte
Mehr Informationen zur Geschichte der Israelitischen Töchterschule