Mein erstes Hörbuch auf CD war "Nackt" von David Sedaris, gelesen vom Autor und von Harry Rowohlt. Es erschien 2002, und mir gefiel der Humor des Amerikaners auf Anhieb.
Die Geschichten, die überwiegend von seiner Familie handeln, waren herrlich skurril, tragikomisch, manchmal tiefsinnig. Na ja, und Harry Rowohlt könnte mir eh das Telefonbuch von Arnis in Endlosschleife vorlesen, ich würde ihm begeistert zuhören.
Zu "Nackt" gesellten sich dann schnell die nächsten Bücher Sedaris, "Ich ein Tag sprechen hübsch", Holidays on Ice" und "Fuselfieber", teils als Hörbuch, teils als gedruckte Ausgabe, manchmal auch beides. Dann las ich lange nichts mehr von Sedaris, bis ich jetzt über "Sprechen wir über Eulen und Diabetes", dem aktuellen Buch von David Sedaris, stolperte.
In seinem neuesten Band mit 26 zum Teil absurden Alltagsgeschichten entführt Sedaris die Leser unter anderem in den australischen Busch, wo allerlei Getier verborgene Ängste und längst verdrängte Erfahrungen in ihm aufleben lässt; er erzählt von einer durchzechten Nacht mit wildfremden Alkoholikern im Zug von Chicago nach New York, weiht ein in die Geheimnisse der französischen Kieferchirurgie und in die Abgründe des britischen Handwerkertums, verrät seinem präpotenten Patenkind, wie Tagebuchschreiben funktioniert und wozu es gut ist.
Sedaris' Stil ist tagebuchähnlich, und tatsächlich ist er auch ein
passionierter Tagebuchschreiber, der seine und die Erlebnisse seiner
Umwelt akribisch festhält, gleichsam seziert. Ich mag seine Schreibe, die sich selbst wichtig nimmt und gleichzeitig auch wieder nicht. Sedaris hat selten Scham, sich und seine Umwelt in Geschichten der Lächerlichkeit preiszugeben. Gleichzeitig ist ihm bewusst, welchen Stellenwert seine Geschichten (und seine Tagebücher) für die Nachwelt haben: Sie sind belangloses Zeug. Das ist etwas, das wohl jeder Tagebuchschreiber, jede Tagebuchschreiberin nachvollziehen kann.
Wie in den Büchern zuvor, schildert Sedaris in kurzen Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven seine Beobachtungen des amerikanischen oder europäischen Alltags und Erlebnisse seiner zahlreichen Reisen. Ob er seine Kindheit aufarbeitet – die Hölle eines amerikanischen Vorortes –, seiner Jugend nachspürt – der Versuch, der Hölle durch haarsträubende Jobs und persönlichkeitsverändernde Drogen zu entkommen – oder sich über sein Leben im englischen Wahlexil wundert: Sedaris’ Beobachtungen und Erinnerungen sind immer präzise, gelegentlich überraschend und komisch.
Oft bleibt mensch aber auch das Lachen im Halse stecken, nimmt eine Geschichte eine tragikomische Wendung. Teilweise gehen die Geschichten abrupt zuende, so, als wenn der Autor nun auch nicht mehr weiß, was er eigentlich sagen möchte, oder die erforderliche Wortzahl erreicht hat und einfach aufhört zu schreiben. Das finde ich verstörend. Und als Dichter ("Sprechen wir über Eulen und Diabetes" endet mit einem Gedicht) gefällt Sedaris mir auch nicht, aber ich denke, damit können wir beide leben.
Fazit: Auch wer bislang Sedaris' Kosmos noch nicht kennt, findet in "Sprechen wir über Eulen und Diabetes" schnell einen Zugang zu seiner Welt, selbst in der deutschen Übersetzung von Georg Deggerich (wenngleich ich die Übersetzungen von Harry Rowohlt noch immer am Liebsten habe). Hier gibt es einen Blick ins Buch mit einer Leseprobe.
Verlagsangaben zum Buch: David Sedaris / Sprechen wir über Eulen - und Diabetes / Originaltitel: Let's explore diabetes with owls / Aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich / Taschenbuch / 288 Seiten / ISBN: 978-3-453-41812-7 / € 9,99 / Verlag: Heyne
Vielen Dank an Heyne für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar!
Affiliate links zu den Büchern von David Sedaris:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.