Samstag, 19. März 2016

Samstagsplausch KW 11/16: Furnituren, Fagotterien und Fagottrohre

In dieser Woche führte mein Weg unerwartet in ein Hamburger Kontorhaus, in eines der moderneren: Es wurde 1955 von Rudolf Klophaus erbaut und war eines seiner letzten Werke, denn der Architekt starb zwei Jahre später. Klophaus prägte maßgeblich den Kontorhausbau. Aktuell sind die von ihm konzipierten City-Hof-Hochhäuser am Klosterwall in der Abriss-Diskussion.

Firmenverzeichnis eines kleinen Kontorhauses.
Kontorhäuser sind eine Hamburgensie: Zwischen 1886 und 1938, vereinzelt auch noch später, entstanden hier Bürohäuser nach nordamerikanischem Vorbild und verbreiteten sich in andere norddeutsche Hafenstädte. Üblichweise sind die Gebäude fünf bis sieben Stockwerke hoch. Oft haben sie einen Innenhof.

Äußerlich ist der Grundriss regelmäßig: Stahl- und Betonbau erlauben die Konstruktion tragender Außenwände als Pfeilersystem, das eine optimale Raumvariation und -belichtung gewährleistet. Die Außenwände sind darüber hinaus gleichmäßig in Fensterflächen aufgelöst und zumeist verklinkert.

Die Verbindung zwischen den Geschossen übernahmen zumeist Paternoster, die in Hamburg erstmals auf dem europäischen Kontinent zum Einsatz kamen (heute sind sie leider meistens durch Fahrstühle ersetzt, denen man allerdings noch ansieht, dass sie im Paternosterschacht fahren).

Durch den Verzicht auf tragende Wände im Inneren können die Mieter je nach Anzahl und Bedürfnis die Geschosse frei einteilen, ohne an bestimmte Raumgrößen und -formen gebunden zu sein. So ist es möglich, Büros ab 20m² zu mieten und sich zu vergrößern, wenn die Firma wächst.

Dass Firmen manchmal nur kleine Büros mieteten, darf dabei nicht täuschen: Die Büros mögen klein sein. Die Handelsverbindungen sind oft weltumspannend. Häufig sind die Mieter maritim, haben mit der Hafenwirtschaft zu tun, auch wenn sich das seit zehn, fünfzehn Jahren langsam ändert.

Oft finden sich in Kontorhäusern ungewöhnliche Firmen, weswegen ich gerne auf die Firmenschilder im Eingang gucke. In diesem Haus finden sich Furnituren, Fagotterien und Fagottrohre. Bei "Furnituren" dachte ich an die Eindeutschung des englischen Wortes "furniture", aber es sind Schmuckteile für Goldschmiede.

Dieser Beitrag geht zum Samstagsplausch bei Frau Karminrot.

4 Kommentare:

  1. Ich liebe solche alten Häuser und wünschte, die könnten Geschichten erzählen.
    Schönes Wochenende,
    Andrea

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    1. Manchmal, in einem seltenen stillen Moment, hört man tatsächlich die Klinker leise wispern ;o)

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  2. wir spazieren gerne in diese Hamburggegend, aber ich habe nie auf Firmenschilder im Eingang geschaut :)
    mache ich auch nächstes mal
    liebe grüße
    regina

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    1. Vor allem im Chilehaus finde ich das sehr spannend. Da sind die alten Firmenverzeichnisse etwas versteckt hinter den Ständern mit den aktuellen zu finden. Das Kontorhausviertel ist eine Fundgrube. Viel Spaß beim Stöbern!

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