Sonntag, 9. Februar 2025

Samstagsplausch KW 6/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXLXVI

Abendhimmel.
Dienstag sollte der Gatte aus dem Krankenhaus entlassen werden, aber dann stimmten zwei Blutwerte nicht. Nach harten Diskussionen konnte ich den Gatten überzeugen, auf die Ärztin zu hören und  wenigstens noch eine Nacht zu bleiben. Er wollte sich wieder mal entgegen ärztlichen Rat auf eigene Verantwortung entlassen. 

Ich war kurz vor dem Arztgespräch zur geplatzten Entlassung mit ihm in der Cafeteria, wo er anfing zu zittern, und mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich ihn so nicht mit nach Hause nehmen möchte. Deswegen bestand ich vehement darauf, dass der Gatte noch im Krankenhaus bleibt. Eine halbe Stunde bekam er richtig heftig Schüttelfrost und Fieber. Der Gatte befand, ich solle nach Hause fahren, er werde ja mit Antibiotika, Flüssigkeit und Decken versorgt, ich könne gerade eh nichts machen. Keine Viertelstunde später war das Fieber auf über 40°C Grad gestiegen, war er im Fieber-Delir und wurde vom Chefarzt höchstselbst auf die Intensivstation geschoben. Das bekam der Gatte schon nicht mehr mit. Der Blutdruck rauschte ab, die Nieren versagten, Eile war geboten.

Als mich der Chefarzt informierte, hatte sich der Blutdruck beruhigenderweise schon wieder stabilisieren lassen, aber Aufatmen war trotzdem noch nicht angesagt. Sicher war, dass der Gatte eine Infektion hat, aber wo, war die Frage. Mich erinnerte die Situation zu sehr an Ende 2020. Als ich das dem Arzt sagte, informierte er sofort die Intensivstation, damit die die Vorgeschichte der Schwerbehinderung auf dem Schirm haben und entsprechende Maßnahmen einleiten. Das klappte auch. Ich bin immer wieder erstaunt, dass die Kommunikation in diesem Krankenhaus funktioniert. Inzwischen hat das Krankenhaus auch alle Befunde von 2020 bis 2023, als der Gatte noch in Hamburger Krankenhäusern behandelt wurde.

Ich fing langsam an, aufzuatmen, als der Gatte sich Donnerstag von der Normalstation meldete. Dort liegt er nun solange, bis sich zwei Blutwerte stabilisierten. Der Infektionsherd war gefunden. Zusätzlich zu Infusionen, die der Gatte mehrmals täglich bekommt, wird mit den Tabletten gespielt, um zu gucken, dass der Gatte gut eingestellt ist, in der Hoffnung, dass das Einfluss auf die beiden Blutwerte hat. Der Gatte würde lieber heute als morgen nach Hause, hält sich aber noch tapfer.

Am Wochenende besuche ich den Gatten ja vormittags und nachmittags, und gestern Nachmittag kam er mir erstmals ohne Rollator entgegen! Heute Morgen wollte der Gatte schon ohne Stock los ... Die Wirkung der Stents ist verblüffend! Wenn das zweite Bein behandelt ist, hüpft der Kerl vermutlich durch die Gegend wie ein Flummi. Dennoch gilt: Solange zwei Blutwerte nicht im Normbereich sind, muss der Kerl im Krankenhaus bleiben. Das fällt ihm schwer, denn zum Lesen oder Kreuzworträtsel ist das Licht nicht gut, und er hat jetzt wieder ein Zimmer mit defektem Fernseher. Dafür ist er so viel wie möglich unterwegs. Aktuell liegt er sehr beengt in einem Dreibrettzimmer und zudem noch auf einer Station, auf der es keine Lounge gibt, in der er sitzen könnte. Aber es hilft nichts. Ich hoffe, er kommt nicht wieder auf die Idee, sich entgegen ärztlichen Rat zu entlassen. Das hatten wir zu oft. Dafür habe ich keine Kraft mehr. 

Die Woche war im Wesentlichen von der Sorge um den Gatten bestimmt. Das Vorgespräch für die Anschlusstherapie an die Reha-Nachsorge musste ich absagen, weil ich in Rufnähe des Krankenhauses bleiben, nicht 80 km entfernt sein wollte. Das interessiert den Psychotherapeuten natürlich nicht, so dass ich meinen Platz jetzt los bin. Okay, muss ich halt sehen, wie ich so zurecht komme. Der Platz war ein Sechser im Lotto, und ich habe aktuell keine Kraft, Shrinks hinterher zu telefonieren. Ich telefoniere ungern. Therapeuten sind ja nur telefonisch erreichbar, und das auch nur zwischen 7:00 Uhr und 7:01 Uhr, wenn Weihnachten und Ostern zusammen mit Vollmond auf einen 29. Februar fallen. Dafür habe ich einfach keine Nerven.

Unseren Hochzeitstagurlaub in Dänemark sagten wir ab. Der Gatte schlug es selbst vor, und ich war froh über so viel Vernunft. Krankenhäuser sind in der Gegend Dänemarks, in die wir fahren wollten, rar gesät, im Zweifel dauert es ewig, bis ein RTW da ist. Ich hoffe, wir bekommen vom behandelnden Arzt noch ein Attest, damit die Versicherung greift. Falls nicht, ist es halt so.

Bis vorgestern telefonierte ich täglich mit Schwiegermutter, was sehr anstrengend war. Sie wollte unbedingt ein paar Tage zu Besuch kommen, um dem Gatten Mut zuzusprechen - verständlich, aber nichts, was der Gatte möchte (und ich hätte quasi zwei Pflegefälle). Als ich ihm Mittwoch davon berichtete, wurde er gerade auf der Intensivstation überwacht, stieg sein Blutdruck in ungeahnte Höhen. Es war schwierig, den Pflegekräften klarzumachen, dass der eskalierende Blutdruck keine medizinische Ursache hatte. Zum Glück gelang es mir, Schwiegermutter den Besuch vorerst auszureden. Hätte der Gatte seine Mutter unbedingt sehen wollen, hätte ich das natürlich irgendwie geschafft. Vorgestern war dann wieder alles beim alten: Schwiegermutter redete in dem abendlichen Telefonat nur von sich. 

Hier gilt seit mittlerweile 256 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so.

Gestern sah ich kurz die Freilassung der Hamas-Geiseln Eli Sharabi, Or Levy und Ohad Ben Ami. Die Bilder machten fassungslos! Die Männer sind nur noch ein Schatten ihrer selbst, und das, obwohl sie sicherlich Tage vor der Freilassung aufgepäppelt wurden. Erinnerungen an die Bilder von KZ-Überlebenden kamen auf. Es lässt nichts Gutes ahnen oder hoffen für die 73 Menschen, die noch in der Hand der Hamas sind, vor allem für Kfir und Ariel Bibas, einem Baby und einem Kleinkind. Bring them home now gilt unvermindert weiter. Immerhin sieht man, wohin die Hilfsgelder der letzten Monate flossen: In Fuhrpark, Waffen und Uniformen der Hamas. Dass die Lebensmittel, die kostenlos verteilt werden sollten, teuer auf den Märkten und in Supermärkten verkauft werden, interessiert außerhalb der jüdischen Community kaum jemanden. Immerhin haben die nicht-jüdischen deutschen Medien inzwischen mitbekommen, dass unter den Geiseln auch Deutsche sind.    

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

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