Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!
Die Nacht ist voller Beten und Bangen, denn der Zustand des Gatten, der seit einer Woche im Krankenhaus ist, verschlechterte sich gestern sehr schnell, so dass er auf die Intensivstation kam. Ich schlafe also mit Taschentelefon am Bett und liege ab drei Uhr wach. Davor träumte ich wirr. Zwar weiß ich seit fünf Jahren, dass keine Nachrichten gute Nachrichten sind, dass das Krankenhaus zuverlässig anruft, wenn sich der Zustand des Gatten verschlechtert, aber dennoch kann ich nicht einfach schlafen, als wäre nichts. Gestern Mittag sah es noch so aus, als könnte ich den Gatten mit nach Hause nehmen, und dann das.
Um sechs Uhr stehe ich dann auf. Die Kaffeemaschine anwerfen, zum ersten Mal seit einer Woche. Bislang trank ich Nescafé, aber heute brauche ich mehr als einen Becher, da lohnt die Maschine. Duschen, dann ist der Kaffee durchgelaufen. Anziehen und mit Kaffee ab an den Schreibtisch.
Anruf im Krankenhaus, aber auf der Intensivstation ist erst ab 10 Uhr jemand erreichbar. Also Geduld. Immerhin erfahre ich, dass ich den Gatten zwischen 15 Uhr und 18 Uhr besuchen darf.
Arbeiten inkl. Teamsitzung, bei der ich mit dem Protokoll dran bin. Die Kolleginnen bieten mir einen Tausch an, falls das zu viel für mich ist, aber das geht schon - ich habe jahrelang mit Protokollschreiben mein Geld verdient. Allerdings zickt die Technik, verstehe ich die Kollegen teilweise schlecht. Aber das lässt sich nacharbeiten.
Mein Highlight ist der Kollege, der eine Situation zusammenfasste mit den Worten: "Ich versuche, eine Kommunikation aufzubauen, in der wir beide über dieselbe Sache reden."
Nach der Sitzung rufe ich auf der Intensivstation an, und obwohl die Sprechzeit schon abgelaufen ist, spricht eine Ärztin mit mir. Kurzfassung: Nichts Genaues weiß man nicht. Der Gatte muss noch mindestens eine Nacht auf der Intensivstation bleiben. Weitere Untersuchungen sind angesetzt, um sicherzugehen, dass mit seinem Herzen den Umständen entsprechend alles okay ist. Die Ärztin freut sich, dass ich die Befunde zur Herzerkrankung am Vortag an den Arzt, der den Gatten eigentlich behandelt, mailte und will gleich dafür sorgen, dass sie die bekommt. Ich bin immer wieder erfreut, dass die einzelnen Fachabteilungen miteinander kommunizieren. Das kenne ich leider anders.
Schwiegermutter unterrichten. Sie möchte partout für ein, zwei Tage kommen, "um ihrem Sohn Mut zu zu sprechen", ihn zu sehen und mich zu entlasten. Grandios, dann habe ich zwei Pflegefälle. Ich kenne den Gatten gut genug, um zu wissen, dass er den Besuch nicht möchte, verstehe aber natürlich auch seine Mutter.
Weiterarbeiten bis zum Feierabend.
Normalerweise würde ich die Sachen für den Gatten zusammensuchen, die er am Vortag bestellte, will aber erstmal abwarten, wie die Situation auf der Intensivstation ist. Also packe ich nur den Ordner mit den Arztberichten ein, sicher ist sicher, und eine Dose Brause, nach der der Gatte fragte.
Auf dem Weg ins Krankenhaus fahre ich bei der Buchhandlung vorbei, um ein bestelltes Buch abzuholen. Ich bin zu früh dran und kann noch eine Viertelstunde auf dem Krankenhaus-Parkplatz durchatmen.
Der Weg zur Intensivstation ist schwer, denn hier musste ich vor anderthalb Jahren Abschied von meiner Mutter nehmen. Zum Glück liegt der Gatte nicht im gleichen Zimmer wie sie damals. Als ich komme, sitzt der Gatte auf dem Bett und ist genervt, dass er nicht aufstehen darf, weil er voll verkabelt ist. Kleinlaut murmelt er, es wäre wohl doch ganz gut gewesen, dass er sich am Vortag nicht auf eigenes Risiko entließ. Er berichtet, wie er auf die Intensivstation kam, soweit er das mitbekam, da im Fieber-Delir, und dass er völlig fertig war, weil ich nicht da war, nicht anrief. Er fühlte sich völlig verlassen, zumal auch die Schlafhasen nicht mitkamen. Erst seit dem Vormittag hat er seinen Nachttisch und die Hasen. Dass ich nicht anrufen konnte, ihn erst nachmittags besuchen durfte, kam nicht bei ihm an. Seit ich da bin, beruhigt sich sein Blutdruck zusehends - bis ich berichte, dass seine Mutter ihn besuchen will. Das treibt den Blutdruck in ungeahnte Höhen.
Ich habe Glück und komme rechtzeitig zur Nachmittagsvisite. Die Ärzte freuen sich über den Ordner mit den Befunden und beauftragen eine Schwester, alles relevante zu kopieren. Ansonsten gibt es noch keine klare Diagnose oder Prognose, aber es zeichnet sich eine neue Baustelle ab. Der Gatte mag nicht mehr, verständlicherweise, nur: Nützt ja nichts.
Ich flitze auf die Normalstation, wo die Sachen des Gatten verpackt auf mich warten, denn man kann sein Bett nicht freihalten, bis er von der Intensivstation kommt. Ich flitze zum Auto, um die Sachen zu verladen, und dann zurück zum Gatten, um noch ein Stündchen mit ihm zu verbringen.
Nach Hause fahren, Sachen ausladen und sichten. Ein Teil geht gleich in die Wäsche, ein Teil muss zurück ins Krankenhaus, denn dem Gatten wurden Sachen seines Bettnachbarn eingepackt. Die Waschmaschine anwerfen, dann für zwei Stunden zurück an den Dienstrechner. Es ist gerade sehr viel zu tun, und ich möchte meiner Kollegin, die am kommenden Tag dran ist, nicht alles überlassen. Sie hat schon genug zu tun.
Schwiegermutter auf den neusten Stand bringen, dann ein Stück Blumenkohl-Auflauf in die Mikrowelle geben und die restlichen vier Stücke einfrieren. Den Kamin anheizen und mit dem Abendessen auf's Sofa fallen. Ich merke, wie erschöpft ich bin.
Fernsehen und stricken. Gestern war ich dazu nicht mehr in der Lage, heute geht es einigermaßen. Während des heute journals in den Keller zur Waschmaschine. Ich merke, dass ich zu erschöpft, die Wäsche aufzuhängen, und nehme nur die Teile raus, die der Gatte am kommenden Tag mit ins Krankenhaus gebracht haben möchte, falls er dann schon wieder auf die Normalstation darf. Die Teile trocknen vor dem Kamin, während ich mich bettfertig mache.
Einmal mehr freue ich mich über das Wärmeunterbett*. Meine Verspannungen sind seitdem sehr viel weniger geworden. Der Gatte hat inzwischen auch eines, konnte es wegen des Krankenhausaufenthaltes aber noch nicht ausprobieren, freut sich hoffentlich bald darüber. Das Taschentelefon in Griffweite legen, hoffen, dass die Nacht ruhig wird und vor dem Einschlafen noch etwas lesen*.
Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. Februar 2020 erfasste uns langsam die Coronahysterie in Form von vergriffenen Desinfektionsmittel, ging ich noch davon aus, dass mein Mammutprojekt noch ein paar Monate analog bleibt. Am 5. Februar 2021 gab's schon einen Impfstoff gegen Corona, hatten wir noch die Hoffnung, dass der Gatte gesund wird. Am 5. Februar 2022 wussten wir schon, dass der Gatte nicht mehr gesund wird, waren noch immer mit der Schlafzimmerrenovierung beschäftigt. Am 5. Februar 2023 lebte meine Mutter schon ein halbes Jahr im Pflegeheim, versank immer mehr in Aggression und Wut und nahm langsam vom Leben Abschied. Am 5. Februar 2024 war ich zur Reha. Die könnte ich jetzt auch wieder machen ... / *Affiliate links / Das Rezept zum Tag gibt's demnächst in der Kombüse.
Ach je, das liest sich nicht schön. Ich drücke Daumen - für rasche gute Besserung, dafür dass man mal findet woran das alles krankt und dafür, dass etwas mehr Ruhe einkehrt bei euch.
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