Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!
Der Gatte ist die fünfte Woche im Krankenhaus. Das Haus ist leer ohne ihn, die Nächte sind unruhig, die Sorge ist groß. Ursprünglich war ein Krankenhausaufenthalt von zehn Tagen geplant, maximal zwei Wochen.
Ich werde mit Meldungen zu Trumps Plänen für einen Atomreaktor auf dem Mond geweckt und prüfe erstmal, ob nicht der erste April ist. Anziehen, schnelles Frühstück und Wassermelone aufschneiden. Bevor es ins Krankenhaus geht, muss ich erst die reparierte Brille des Gatten vom Optiker abholen. Über die Siedlung fliegen drei Sikorsky CH-53-Maschinen, warum auch immer. Ich sollte so was kennen, war hier doch Übungsgebiet, gab's viele Tiefflieger, als ich Kind war, lebte ich die letzten zwanzig Jahre in einer Soldatensiedlung, aber dennoch macht mir so was Angst. Als ich dem Gatten von den Hubschraubern berichte, meint er trocken, das dürften die einzigen drei Maschinen dieses Typs sein, die noch flugfähig sind.
Ab ins Krankenhaus zum Gatten. Bei jedem Besuch ist ungewiss, was mich erwartet. Dementsprechend bin ich angespannt.
Die Stimmung ist schlecht. Der Gatte darf am Vormittag nicht raus, weil seine Füße nach der Visite neu verbunden werden müssen, aber niemand Zeit dafür hat. Er hat einen neuen Zimmernachbarn, der in sehr schlechtem Zustand ist. Die Ärzte planen für kommenden Montag eine weitere OP. Wenn ich mich nicht verzählte, wird das die siebte in diesem Jahr. Ich versuche, den Gatten aufzubauen, aber das wird immer schwerer.
Wie jeden Tag bleibe ich bis mittags im Krankenhaus. Dann müsste ich eigentlich einkaufen, bin aber zu erschöpft und fahre nach Hause. Ich suche die Sachen zusammen, die der Gatte nachmittags mitgebracht bekommen möchte und lege mich eine Stunde hin, schlafe komatös. Eigentlich müsste ich Betten beziehen und den Vorratskeller aufräumen, damit dort kommende Woche ein neuer Stromzähler eingebaut werden kann, aber ich habe einfach keine Kraft.
Kurz vor fünfzehn Uhr fahre ich zum Bahnhof, denn Besuch aus der großen Stadt hat sich angesagt. Der Gatte freut sich sehr (und ich mich noch mehr). Der Metronom ist tatsächlich pünktlich. Der Besuch hatte in diesem Jahr schon eine Überdosis Krankenhaus und wartet daher vorm Eingang auf einer Bank, während ich den Gatten hole. Das dauert länger als gedacht, weil die Füße des Gatten noch immer nicht verbunden sind. Das soll der Chefarzt machen, der zum Glück rasch zur Nachmittagsvisite kommt. Jetzt darf der Gatte endlich raus!
Wir sitzen lange zusammen, irgendwann bei Tee, Kaffee und Kuchen, bis ich den Gatten wieder auf sein Zimmer bringe. Der Gatte hat sichtlich Spaß am Besuch. Ich habe ihn lange nicht mehr aus vollem herzen lachen gesehen! Das ist so ein schöner Anblick! Als ich den Gatten zurück auf's Zimmer schiebe, seufzt er glücklich: "Das war ein schöner Nachmittag!"
Nachdem der Gatte für die Nacht versorgt ist, fahre ich mit dem Besuch zum Essen. Endlich mal wieder eine ordentliche Mahlzeit ... Anschließend geht's zum Bahnhof, wo der Besuch noch einen Zug früher erwischt als geplant.
Auf dem Heimweg lege ich spontan eine Vollbremsung ein: In der Parallelstraße haben Nachbarn altes Zeugs entsorgt, und darunter ist ein Tragekorb, wie der Gatte ihn mag. Dieses Exemplar ist grauer Landhausstil, ziemlich schick. Wenn der Gatte wieder zu Hause ist, wird er sich darüber freuen.
Der Abend wird ruhig. Ich freue mich, dass ich endlich wieder die Kraft habe, Socken zu stricken.
Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. August 2020 lebte Mudderns noch in ihrem Haus und ärgerte sich über die linken Nachbarn, mit denen wir auch schon eine unerfreuliche Begegnung hatten. Der Gatte war noch gesund und hatte einen Bürotag in Kurzarbeit. Das Verhältnis zu den linken Nachbarn hat sich übrigens sehr gebessert. Ich vermute, die Nachbarin hat ihren Lebensgefährten vor der Tür gesetzt. Jedenfalls gibt es kein betrunkenes Gegröle mehr. Am 5. August 2021 war der Gatte schon krank, hatte ich noch Kraft, vor der Arbeit schwimmen zu gehen. Am 5. August 2022 zeigten sich schon heftige Erschöpfungsmerkmale bei mir, begannen wir mit den Verhandlungen um einen Baukredit, den wir erst mehr als vier Monate später bekommen sollten. Am 5. August 2023 leben wir auf einer Baustelle - und ein Jahr später immer noch.
Weiterhin viel Kraft !
AntwortenLöschenWas du leistest ist außergewöhnlich, ich bewundere dich sehr.
Alles Liebe Jutta