Die Tage sind aktuell schwarz, voller trauriger Gedanken und Abschiede, Tränen und letzter Male. Wir realisieren langsam, dass sich unsere Wünsche und Hoffnungen, mit denen wir im Sommer 2022 in das neue Leben im alt-neuen Haus aufbrachen, nicht mehr umsetzen lassen. Wir realisieren, dass es keine gemeinsamen Urlaube mehr geben wird, dass der Gatte die im Krankenhaus geplante Lanzarote-Reise nicht mehr machen wird. Ich soll sie alleine machen, dabei an ihn denken.
Es wird keine Kinobesuche, keine Spaziergänge, keine Einkaufsbummel, keinen Stadtfest-Besuch, keine Sommer im Garten mehr geben ... Der Gatte wird nicht mehr erleben, wie das nach seinen Plänen umgebaute Haus fertig wird.
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Der Wein trägt dieses Jahr sehr üppig; die Trauben sind besonders süß. |
Das letzte Mal den kleinen Apfelbaum ernten, der so üppig trägt, als gäbe es kein Morgen. Das letzte Mal die Weintrauben ernten, die ebenfalls üppig tragen und dieses Jahr unglaublich süß sind. Das letzte Mal an der Hummel-Rast sitzen.
Die Kindheitswege, die ich so gerne gemeinsam mit dem Gatten gegangen wäre, werden wir nicht gemeinsam gehen. Die Wanderungen, die wir machen wollten, werden wir nicht mehr gemeinsam machen. Wir wollten Ausflüge in die umliegenden Städte machen. Diese Ausflüge wird es nicht mehr geben. Es wird kein Hund ins alt-neue Haus einziehen.
Wir hätten gerne eine Prognose zur Lebenserwartung des Gatten, aber die gibt es nicht, und das macht alles nochmal schwerer. Seitens des Krankenhauses war mehrfach von einer Lebenserwartung von zwei Monaten die Rede. Die wären spätestens Mitte Oktober vorbei. Dann wiederum hieß es, man würde keine Prognose wagen. Wir sind dankbar für jeden Morgen, den wir zusammen aufwachen, für jeden Abend, den wir zusammen einschlafen. "Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter" wird zur hohlen Phrase, wenn jeder Tag der letzte sein könnte.
Dieses Wochenende ist Schwiegermutter zu Besuch, was für den Gatten und mich unwahrscheinlich anstrengend ist. Riss sie sich während der Wochen, die der Gatte im Krankenhaus war, noch einigermaßen zusammen, lebt sie nun ihren Narzissmus komplett aus. So wollten wir gestern eigentlich einen schönen Tag in der Heide verleben. Da Schwiegermutter darauf bestand, dass ich mich entspannen sollte, sollte nicht mit dem Auto gefahren werden, sondern mit dem Heide-Shuttle. Wir haben Schwiegermutter vorher lang und breit mehrfach erklärt, dass der Bus mitnichten mitten über die Heideflächen des Naturparks fährt, sondern durch die Heide-Dörfer, und an jeder Milchkanne hält, so dass wir bis zum Ziel über eine Stunde brauchen. Das kam nur nicht bei ihr an, und so meckerte sie in einer Tour, sie bekäme ja gar keine Heide zu sehen, der Bus wäre so ruckelig, sie habe in der prallen Sonne sitzen müssen (sie hätte sich umsetzen können). Am Ziel angekommen, hätte sie bis zur Heide 500 m gehen müssen, aber das wollte sie nicht.
Mittlerweile war der Gatte kurz vorm Zusammenbruch, so dass ich für die Rückfahrt kurzerhand ein Taxi organisierte. Beim Einstiegen verletzte sich der Gatte am Fuß ... Es war ein in jeder Hinsicht gebrauchter Tag. Wenigstens hatte Schwiegermutter ein Einsehen und bestand nicht auf das abendliche Essengehen, so dass der Gatte ein wenig Ruhe finden konnte. Ich hoffe, die kommende Woche wird für ihn ruhiger.
Wir fanden diese Woche einen Relax-Sessel für den Gatten, und die Verkäuferin erkannte, das Eile Geboten ist. So zeigte sie uns ein Modell aus dem Abverkauf, das wir sofort hätten mitnehmen können. Der Sessel wird Mittwoch geliefert. Ansonsten dauern die Lieferzeiten schon mal bis zu 18 Wochen, und die hat der Gatte nicht mehr. Der Gatte hat jetzt einen Hausnotruf, und der Treppenlift ist auch in Arbeit. Der wird allerdings erst Mitte / Ende Oktober kommen.
Diese Woche habe ich schweren Herzens meinen für Mitte Oktober geplanten Kurzurlaub abgesagt. Der Gatte sagte zwar immer, ich solle fahren, er schaffe das schon alleine, aber ich sehe ja jeden Tag, wie schwer es ihm fällt, sich selbst zu versorgen. Also bat ich ihn, nicht an mich zu denken, sondern nur an sich, und danach zu entscheiden, ob ich fahren solle. Er fand es ganz schon krass, vier Tage alleine zurechtkommen zu müssen. Also bleibe ich zu Hause. Es wird schon schwierig, den Gatten übernächste Woche zwei halbe Tage alleine zu lassen, aber ich habe Arzttermine in Hamburg, die ich wahrnehmen muss. Wir werden gucken, dass der Gatte ihm ersten Stock bleiben kann und dort alles hat, was er braucht. Wenn er den Treppenlift noch erlebt, ist es einfacher, den Gatten etwas länger alleine zu lassen.
Normalerweise würde sich der Gatte jetzt Gedanken machen über die Halloween-Deko, denn seitdem wir das alt-neue Haus haben, liebt er das Fest. In diesem Jahr hat er allerdings keine Lust. Ich überlege noch, ob ich mich um Deko und Schnobkram kümmere oder ob wir einfach alles verrammeln.
Morgen Abend beginnt das neue Jahr. Ich kann mich nicht erinnern, es jemals so traurig und voller schwerer Gedanken begangen zu haben.
Hier gilt seit mittlerweile 288 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.
Ich, noch 79 Jahre alt, verfolge schon mehrere Jahre Eure Leidensgeschichte. Ich selber kämpfe noch länger gegen eine immer weiter belastende Krankheit.(Rheuma). Alle 6-8 Wochen darf ich für eine Woche ins Krankenhaus. Ohne die Hilfe meines Mannes und der Kinder wäre ich aufgeschmissen. Daher mein Interesse daran wie andere es in ähnlichen Situationen schaffen.
AntwortenLöschenIn unserer Nachbarschaft wohnt ein "junger" Mann der ungefähr zur gleichen Zeit die Diagnose Hirntumor inoperabel bekam. Er zog dann bei seinen Eltern ein. Eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung lehnten die Eltern ab. Diese kurze Zeit sollte er in Ruhe zu Hause bleiben.
Nun gehören die verschiedenen Therapeuten, die sich täglich um ihn kümmern schon mit zur Nachbarschaft.
Daher würde ich Euch den uralten Spruch, die Hoffnung stirbt zuletzt als Motto vorschlagen.
Mit lieben Grüßen von einer Unbekannten
Ich nehme dich jetzt einfach fest in meine Arme
AntwortenLöschenTina
Lange im Stillen mitgelesen (Herkunft aus Pinneberg lässt grüssen) - die Hoffnung stirbt wirklich zuletzt und so hoffe ich für Sie beide mal weiter. Mit gedrückten Daumen aus der Schweiz ar
AntwortenLöschenSeit langem begleite ich Euch im Stillen. Hoffe immer am Wochenende, dass ich etwas von Euch lese und höre, wie es Euch geht!
AntwortenLöschenDas ganze Umzug- und Umbau-Desaster
hat mich unglaublich beschäftigt, wie auch die diversen Arzt- und Spital-Turbulenzen. Für mich als Schweizerin manchmal unfassbar und völlig unverständlich!
Geniesst die Zeit, die ihr miteinander verbringen dürft! Ob kurz oder länger!
Natürlich wünsche ich Euch von Herzen, dass es länger ist!
Ihr Beide seid mir mit all Euren Themen ans Herz gewachsen!
Ich habe meinen Lebenspartner nach 21 Jahren Zusammenleben plötzlich verloren - Herzinfarkt!
Vielleicht bewegt mich Eure Geschichte auch deshalb, ich hatte keine Gelegenheit, Abschied zu nehmen oder einfach nur „Tschüss“ zu sagen!
Darum bewundere ich Euch, lese zwischen den Zeilen Eure tiefe Verbundenheit und die Auseinandersetzung mit allem, was das Leben und Sterben beinhaltet!
Alles Liebe wünsche ich Euch!
Juliette
Mir wird das Herz schwer, wenn ich deine Zeilen lese.. LG, Silke
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