Montag, 8. September 2025

#WMDEDGT 09/25: Krankenhaus IV

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Der Gatte ist seit neun Wochen im Krankenhaus. Eigentlich sollte er am Vortage entlassen werden, bekam aber wieder Fieber und Schüttelfrost, war sehr schwach und blieb widerwillig eine weitere Nacht. Ich schlief schon zu Hause, da heute einige Hilfsmittel geliefert werden sollen, die Putzfrau kommt und eine meiner Sandkastenfreundinnen mir mit den letzten Umzugskartons im Wohnzimmer helfen will. 

Der Wecker klingelt um sechs Uhr, aber ich komme nicht aus dem Quark, schaffe es erst kurz vor acht Uhr, mit allem so weit fertig zu sein, dass unsere Putzfrau loslegen kann. Sie bringt Blumen für den Gatten mit - wie lieb! Nescafé und trocken Toast zum Frühstück, außerdem ein Telefonat mit dem Gatten, der fieberfrei ist und optimistisch, heute entlassen zu werden. Zu meiner großen Erleichterung hat er die Nacht alleine ohne Zwischenfälle überstanden. Ich schlief ja drei Wochen bei ihm, weil er im Delir war, und die Nächte waren meistens ein Albtraum.

K. kommt super pünktlich, verschafft sich einen Überblick und legt sofort los. Ratzfatz sind die ersten Kartons geleert, die ersten Bücher in Regale verstaut - unsortiert. Hauptsache, die Kartons sind leer. 

Um zehn Uhr ruft der Gatte an: Er ist vom aktuell behandelnden Arzt mündlich entlassen und will nach Hause. Kurze Zeit später meldet sich das Krankenhaus: Ich solle bitte den Rollstuhl des Gatten abholen. Der Krankentransport sei für 15 Uhr geplant. Warum wird der Gatte nicht ins Rolli-Taxi gesetzt? Antwort des Krankenhauses: Der Gatte hätte noch immer Keime im Urin, das Rolli-Taxi könne nach Transport nicht entsprechend desinfiziert werden, deswegen braucht man einen Krankenwagen. Der kann allerdings den Rollstuhl nicht mitnehmen, weil der verkeimt ist. Ähm, ja, nee, is klaa. Wir brauchten das Rolli-Taxi, weil der Rollstuhl nicht ins Karlchen passt. 

K. meint, ich solle ins Krankenhaus fahren, sie würde die Stellung halten.

Im Krankenhaus angekommen, sind die Sachen des Gatten gepackt, aber er hängt noch an diversen Infusionen und ist total genervt, dass er noch nicht nach Hause darf, bis 15 Uhr warten soll. Ich erschrecke, denn der Gatte sieht alles andere als fit aus, hat leichten Schüttelfrost. Davon will er aber nichts hören. Er will nach Hause, sofort.

Da ohnehin noch eine Infusion läuft, fahre ich erstmal den Rollstuhl ohne Gatten zum Karlchen, um zu gucken, ob's irgendwie passt. Auf dem Weg merke ich, dass ich einfach keine Kraft mehr habe. Am Auto angekommen, verlässt mich meine Kraft total. Ich wirke so verzweifelt, dass mich ein Mann, der gerade neben mir einparkte, anspricht, ob ich Hilfe brauche. Ja, unbedingt, bitte. Er zeigt mir, wie ich den Rollstuhl ins Karlchen bekomme. Gut, das Karlchen ist dann voll, aber egal. Und: Der Rollstuhl ist schwer. 

Zurück beim Gatten lässt sich sich leugnen, dass sein Zustand sich verschlechterte. Er hat definitiv Schüttelfrost und inzwischen auch heftiges Fieber. Er kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Wir bekommen ihn mit Mühe zu zweit vom Hocker ins Bett. Zusammen mit dem Arzt beschließe ich, der Gatte wird eine weitere Nacht bleiben. Die Entlassungspapiere sind fertig und wenn der Gatte am kommenden Tag fieberfrei ist, kann er nach Hause. Der Gatte ist inzwischen zu schwach zum Protestieren, bekommt eine weitere Infusion, diesmal gegen das Fieber.

K. hält die ganze Zeit über zu Hause die Stellung und mich per WhatsApp auf dem Laufenden. Sie nimmt das Sauerstoffgerät entgegen und lässt sich die Bedienung erklären, die ihr allerdings aus Gründen ohnehin vertraut ist. Sie nimmt den Toilettenstuhl entgegen, baut die Aufstehhilfe für's Bett zusammen und ein, hüllt die Matratze in einen wasserfesten Bezug usw. usf. Gegen 16 Uhr schreibt sie, sie gehe jetzt nach Hause. Da bin ich auch gerade auf dem Weg, muss aber vorher noch Wassermelone für den Gatten besorgen. 

Als ich nach Hause komme, trifft mich der Schlag: K. hat fast alle Umzugskartons ausgeräumt, ins Gartenhäuschen gebracht, aufgeräumt, durchgewischt ... Ich bin sprachlos! Es ist erstaunlich, wie groß die Stube ist, wenn dort nicht 18 Umzugskartons im Weg stehen!

Ich bin nur kurz zu Hause, um Wassermelone für den Gatten zu portionieren, und fahre dann sofort wieder ins Krankenhaus. Der Gatte sitzt gerade vor seinem Abendbrot - am Tisch. Die Infusion half rasch gegen das Fieber, er kann schon wieder aufstehen, ist aber noch wackelig. Zähneknirschend erklärt er sich damit einverstanden, noch eine Nacht zur Beobachtung zu bleiben. Gegen 19 Uhr mache ich mich schweren Herzens alleine auf den Heimweg - es fällt mir sehr schwer, den Gatten zurückzulassen, denn er hat große Angst, im Krankenhaus zu sterben. 

Auf dem Heimweg fahre ich noch beim Pflegedienst vorbei, um die Verordnung für die Wundversorgung abzugeben, damit das nahtlos nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weitergehen kann.

Endlich zu Hause! Ich rufe Schwiegermutter an, möchte sie über die aktuelle Situation informieren, aber sie erzählt mir erstmal in epischer Breite von ihrem Tag, verschwendet keinen Gedanken an ihren Sohn. Narzissmus ist fein. Als ich endlich zu Wort komme, ist sie betroffen wegen der aktuellen Entwicklung.

Ich bin zu erschöpft, um zu essen, überlege hin und her, ob ich etwas bei der Schiebetür bestelle, habe aber nicht genug Appetit für den Mindestbestellwert. Im Kühlschrank sind noch zwei vorgebackene Camemberts, die in die Pfanne wandern. 

Auf's Sofa fallen, essen, etwas stricken und fernsehen. Das Taschentelefon erinnert mich daran, dass das Simchat-Tora-Massaker 700 Tage her ist - und das seit unglaublichen 700 Tagen noch immer 48 Männer und Frauen Geiseln der Hamas sind. Die Hamas veröffentlicht heute ein Propaganda-Video, aufgenommen vermutlich am letzten Donnerstag, das mit Guy Gilboa-Dalal und Alon Ohel zwei der noch etwa 20 lebenden Geiseln zeigt. Die jungen Männer sind schwach und ausgemergelt. Bring them home now gilt mehr denn je.

Früh und erschöpft ins Bett und darauf hoffen, dass es eine ruhige Nacht wird, dass ich den Gatten am kommenden Tag endlich nach Hause holen kann.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. September 2020 urlaubten wir in Dänemark, waren auf der Suche nach Kreuzkümmel, war der Gatte noch gesund. Am 5. September 2021 waren der inzwischen kranke Gatte und ich zum ersten Mal seit seiner Erkrankung im Urlaub und ruhten uns am ersten Urlaubstag nach einer anstrengenden Anreise aus. Am 5. September 2022 bereiteten wir uns auf die juristische Übernahme des alt-neuen Hauses vor. Am 5. September 2023 waren wir noch immer nicht umgezogen, hatten mal wieder Probleme mit einem betrügerischen Handwerker und suchten einen Dachdecker. Den suchen wir immer noch, denn die Ausbesserungsarbeiten, die bei uns gemacht werden müssen, sind zu unattraktiv. Am 5. September 2024 war der Gatte noch fit genug, um selbst zu Fuß zum Arzt zu gehen. Heute ist er schon froh, wenn er ein paar Meter gehen kann, nutzt meistens den Rollstuhl.

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