Sonntag, 6. Dezember 2020

Samstagsplausch KW 49/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XXXVI

Auch in dieser Woche gab's keine neuen Baustellen, was aber nicht bedeutet, dass ich zur Ruhe kommen konnte. Ich bin einfach nur noch erschöpft, bräuchte mal richtige Erholung, eine Zeit, in der ich mich weder um die Mütter noch um den Gatten kümmern muss. Nur: Is' halt nich. Also weitermachen, irgendwie, und ignorieren, dass ich chronisch krank bin, dass ich behindert bin, dass ich durch dieses ganze Wechseljahrsgedöns angeschlagen bin, und immer wieder über meine Grenzen gehen. Für vieles fehlt mir die Kraft, auch für eine Kommentarrunde in den Blogs, die ich gerne lese.

Sonntag waren wir gemeinsam bei Schwiegermutter, die inzwischen in ihrer Wohnung in der Seniorenwohnanlage angekommen ist. Sie hatte sogar schon zwei Mal Herrenbesuch in ihrer Wohnung! Erstaunlicherweise leben in der Anlage wohl mehr alleinstehende Männer als Frauen. Ihrer Aussage nach sei aber leider nichts Interessantes dabei. 

Dienstag holte Schwiegermutter mich nach einem Stadtbummel von der Arbeit ab, weil ich ja zurzeit mit dem Auto fahre und auf dem Heimweg ohnehin bei ihr vorbei komme. Sie genoss es, mal eine halbe Stunde in anderer Gesellschaft zu sein, denn bis auf ihre Mitbewohner, das Personal der Anlage, den Gatten und ihre Putzfrau, die nach wie vor kommt, sieht sie ja seit Monaten niemanden. Ihre Bridge- und Englischrunden fanden seit über neun Monaten nicht mehr statt, und selbst, als es möglich gewesen wäre, trafen sich die Damen nicht, weil alle weit über 80 und Risikogruppe. 

Der Gatte pflegt seine Maladien und tut das so gründlich, dass er sich um nichts anderes mehr kümmert, schlechte Laune verbreitet und kaum ansprechbar ist. Schwiegermutter beschwerte sich schon mehrfach bei mir darüber, nur was soll ich machen? Sie hat ihn schließlich so erzogen. Immerhin: Er hatte diese Woche einen Neurologentermin, bei dem die Trigeminus-Neuralgie bestätigt wurde, und bekam Medikamente, die anscheinend auch wirken. Das läuft also.

Montag bekam ich einen Anruf, ob man mich am letzten Tag vor der Jahresend-Sitzungspause als Schöffin laden dürfe. Ich fiel aus allen Wolken, denn ich bin zwar seit zwei Jahren als Schöffin bestellt, bekam aber bislang keine Ladung, habe alle Unterlagen verkramt und alle Infos aus der Schulung erfolgreich verdrängt. Da ich meinen Listenplatz kenne, weiß ich, dass die Kollegin am Telefon erst bei mir landet, wenn sie viele Absagen kassierte. Ich sagte zu ihrer Erleichterung zu, und jetzt bin ich gespannt, was da auf mich zu kommt. 

Hier gilt seit mittlerweile 38 Wochen: Der Gatte und ich sind seit März weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Der Gatte ist dabei öfter unterwegs als ich. Ich kann es tagelang in der Wohnung aushalten, während der Gatte mindestens einmal am Tag raus muss. 

Der Gatte ist im neunten Monat Kurzarbeit, was ihm immer mehr zu schaffen macht, fehlen doch Alltag und Struktur. Immer öfter fragt er, welchen Wochentag wir haben. Er vergräbt sich in seinem Zimmer, kümmert sich allenfalls um seine Hobbies und überlässt mir so ziemlich alles andere. Das sorgt für Reibereien. Seit letzter Woche arbeitet er wieder zwei Tage und mehr Stunden. Normalerweise wüsste er zwischen Oktober und Ostern vor Arbeit nicht, wohin, wäre Urlaubssperre. Jetzt ist quasi nichts los.

Ich bin einen Tag im Laden, einen Tag im Büro und drei Tage im Heimbüro. Chef setzt konsequent seit Wochen auf Masken, Abstand und Kontaktminimierung, was sich diese Woche als gut erwies: Eine Kollegin stand unter Corona-Verdacht, ausgerechnet die mit einem schwer lungenkranken Mann, weswegen sie sich seit März ohnehin schon Sorgen macht. Am Ende der Woche erhielt sie Gott sei Dank ein negatives Testergebnis. Ich musste gar nicht überlegen, wann ich die Kollegin das letzte Mal sah. Das muss Mitte Oktober gewesen sein. Also keine Ansteckungsgefahr.

Da ich immer öfter das Gefühl habe, durch den fehlenden Kontakt zu den Kollegen etwas zu verpassen, bin ich inzwischen wieder in der betrieblichen Whatsapp-Gruppe. Die hatte ich im Frühjahr ziemlich schnell verlassen, weil nur noch "lustige Bildchen" verschickt wurden. Inzwischen weiß ich habe, wie ich die Benachrichtigungen stumm schalte ... 

Wenn ich an den Büros der beiden anderen Abteilungen, mit denen wir uns die Etage teilen, vorbei komme, ist das eine andere Welt. Während bei uns selbstverständlich Maske getragen wird, sobald ein Kollege ins Büro kommt, um etwas zu besprechen oder wir uns außerhalb des eigenen Büros bewegen, schon im Frühjahr in geteilten Büros zwischen den Schreibtischen ein Spuckschutz installiert wurde, inzwischen gilt, dass nur eine Person pro Büro anwesend sein darf, im Laden trotz Rundum-Spuckschutz während der gesamten Öffnungszeit Maske getragen werden muss, sitzt man in der Nachbarabteilung in großen Runden mit wenig Abstand zusammen, drängelt man sich in der kleinen Teeküche ... Die Ladenkollegin meinte genervt, Corona fände bei ihnen anscheinend nicht statt.

So doof alles ist: Wir sind sehr privilegiert und wissen es zu schätzen. Mein Job ist, anders als der des Gatten, sicher. Das ist in diesen Zeiten eine große Erleichterung. 

Tante geht's gut. Natürlich fehlt ihr wie Schwiegermutter die Bridgerunde, auch Wassergymnastik und andere Aktivitäten mit ihren Freundinnen, aber sie hat eine Hundefreundin, die sich sehr kümmert und mit der sie auch zwei Weihnachtstage verbringen wird. So ist sie nicht alleine. Mudderns ist ohnehin lieber für sich, was in diesen verrückten Zeiten auch 'ne Erleichterung sein kann ... Ihr fehlen aber die Gottesdienste und die Café-Besuche. Zum Glück hat sie ihre Gesellschafterin.

Wir haben diese Woche unseren neuen Kühlschrank bekommen, und weil wir uns für ein Modell entschieden, das wir aus vielen dänischen Ferienhäusern kennen, kommt beim Öffnen jedes Mal ein bisschen Urlaubsfeeling auf. Das Teil ist riesig - wie riesig, ging uns erst auf, als es nicht durch die Tür passte. Aber die Transporteure brachten das Kunststück fertig, den Kühlschrank in unserem winzigen, verwinkelten Flur so zu platzieren, dass er unter dem Türrahmen durchpasste! 

Normalerweise wäre der alte Kühlschrank noch okay gewesen, aber er hatte einen Fabrikationsfehler, den der Hersteller weder beheben konnte noch wollte: Im und unter dem Gemüsefach sammelt sich Wasser, das in den darunterliegenden Tiefkühler läuft. Ich musste den Kühlschrank jede Woche trockenlegen, und dennoch vereiste der Tiefkühler inzwischen so schnell, dass die Tür nicht mehr richtig schloss. Bislang konnte ich das ganz gut ignorieren, aber seit dem Frühjahr, wo ich öfter zu Hause bin, entsprechend auch öfter am Kühlschrank bin, nervte das zusehends. Jetzt hat sogar der Tiefkühler eine Abtauautomatik, und die Temperatur in Kühlschrank und Tiefkühler ist getrennt regelbar! 

Unwahrscheinlich viel Kraft kostet mich auch das Ernährungsgedöns. Essen ist unwahrscheinlich schwierig geworden, und jeden Tag versage ich erneut, weil ich es einfach nicht schaffe, keine Kohlenhydrate zu essen. Essen war mal Genuss. Jetzt ist es nur noch K(r)ampf. Trotz meines Gewichts muss ich mich oft zwingen, um irgendwie auf 1.000 Kalorien / Tag zu kommen, denn weniger darf ich wegen der Tabletten nicht. Früher war das egal, da gab's dann einfach Tage, an denen ich wenig aß, und fertig. 

Ich darf auch keine 4 bis 5 kleinen Mahlzeiten mehr essen, wenn ich Hunger habe, sondern maximal drei große zu festen Uhrzeiten, und um die zu schaffen, muss ich mich oft zwingen, etwas zu essen. Das ist vor allem morgens doof. Und an manchen Tagen lassen sich die Essenszeiten einfach nicht einhalten. Ich bin ohnehin der Meinung, dass die Welt denen gehört, die keine festen Essenszeiten haben.

Obst ist größtenteils verboten, ebenso Nudeln, Brot oder Pizza. Ich esse es manchmal dennoch - wie gesagt, jeden Tag versage ich erneut. Würde ich dabei wenigstens wie versprochen abnehmen, sähe ich wenigstens einen Sinn, aber ich kann schon froh sein, wenn ich bei den Fettmengen, die ich essen muss, nicht zunehme. 

Was mir putzigerweise überhaupt nicht schwer fällt, ist der Verzicht auf Süßes, auch nicht jetzt in der Adventszeit. Obst fehlt mir. Ich esse es trotzdem. Ich kann nicht ohne. Ich liebe zu dieser Jahreszeit Mandarinen, Clementinen, Granatäpfel, Mango und Ananas - sagte ich schon, dass ich jeden Tag versage? Mitte Januar wird sich dann beim Ergebnis der Blutuntersuchung zeigen, wie sehr ich versagte. Generell bin ich aber froh, dass meine Stoffwechselstörung endlich diagnostiziert wurde und behandelt wird. 

Einmal mehr gilt, was seit März gilt: Nützt ja nichts! Irgendwie müssen wir da durch, und ich hoffe, wir schaffen es gesund. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

1 Kommentar:

  1. Ich musste sehr lachen bei Deinem Kommentare Spruch! Ich wünsche dir viel Kraft und eine große Erholungszeit für Dich selbst!

    AntwortenLöschen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.