Samstag, 6. Juni 2020

Samstagsplausch KW 23/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XII

In dieser Woche hatte mich so was wie Alltag wieder. Nach elf Wochen weitgehender Heimarbeit war ich drei Tage im "echten" Büro. Den vierten pendelte ich zwischen heimischem Schreibtisch und Besprechung. Zukünftig werde ich bis auf Weiteres zwei Tage in der Woche im "echten" Büro sein und ansonsten von Zuhause aus arbeiten.

Entspannung am Pfingstmontag: Fäden verziehen bei der neuen Strickjacke.
So viele Menschen wie in dieser Woche sah ich seit drei Monaten nicht mehr, und irgendwie war's mir viel zu trubelig. Aber es ist auch schon, wieder Menschen "in echt" zu sehen und zu hören, wie es ihnen während des Lockdowns ging.

Langsam fährt nicht nur in meinem Job alles wieder hoch, sondern auch beim Gatten. Er ist ab dieser Woche zwei Tage im Büro und ansonsten weiter auf Abruf in Kurzarbeit. Generell gilt: Wir sind seit 12 Wochen weitgehend zu Hause.

Wir könnten diese entschleunigte Zeit gerne noch etwas beibehalten und versuchen, das eine oder andere in den sich normalisierenden Alltag herüberzuretten. So sind meine beiden Tage im "echten" Büro identisch mit den beiden Arbeitstagen des Gatten, und ich versuche, dann möglichst keine Überstunden zu machen, damit ich zur Teezeit zu Hause bin. Das klappte diese Woche immerhin einmal. An den anderen Tagen werde ich hoffentlich mit dem Gatten gemeinsame Pausen machen können, beispielsweise, um zum Wochenmarkt zu fahren.

Und da es im Job immer noch stressig ist, hilft es mir ungemein, wenn ich im Heimbüro zwischendrin einfach mal fünf Minuten auf dem Balkon sitzen und ins Grüne sehen kann, als auf Excel-Listen und CMS zu starren. Im "echten" Büro gucke ich nur auf Hauswände. Außerdem sind Überstunden leichter zu verkraften, wenn ich vom Rechner gleich in den Riesling fallen kann, als noch ein oder zwei Stunden in Bus oder Bahn zu stehen.

Meine Überstunden sind noch immer episch, obwohl ich regelmäßig Ausgleichstage nehme. Für dieses Wochenende waren sogar Nachtschichten im Gespräch, weil die Digitalisierung des Mammutprojektes bislang mitnichten für Arbeitserleichterung sorgte. Wir haben aber beschlossen, lieber ab Montag ausgeruht ans Werk zu gehen, als am Wochenende zu arbeiten. Und ich versuche, nicht an das nächste Jahr zu denken, denn wenn dieses Jahr die Erleichterung zum Vorjahr war, nehme ich mir im kommenden Jahr das nächste Burnout. Zum Glück habe ich einen wunderbaren Kollegen an der Seite. Ohne ihn hätte ich die Digitalisierung nicht durchziehen mögen.

Normalerweise wird es nach Veröffentlichung des Mammutprojekts entspannter, aber coronabedingt müssen wir jetzt eine Nachbarbehörde unterstützen, weil wir das Know-How und die technischen Ressourcen haben. Das macht Sinn, und ich stehe auch hinter der Entscheidung meines Chefs, weiß, dass ich alle personelle Unterstützung bekomme, die ich brauche, aber eine Verschnaufpause wäre dennoch fein. Durch die Kooperation wird mir das Pressegedöns erspart bleiben, bis auf ein bereits geführtes Interview. Mit anderen Worten: Ab jetzt erntet die Nachbarbehörde die Lorbeeren, und ich mache die Arbeit.

Wenigstens ist in meinem zweiten Projekt momentan Ruhe, weil im Kulturbereich noch nicht viel geht. Ansonsten wäre ich jetzt parallel mit dem Weihnachtsgeschäft und der für das kommende Jahr geplanten Umsetzung der Neukonzeption mehr als beschäftigt. Um das dritte Projekt brauche ich mich erst im Oktober zu kümmern, falls es coronabedingt im kommenden Jahr nicht pausieren muss.

Die Digitalisierung kostete unwahrscheinlich viel Nerven. Die Kommunikation mit der Agentur erinnerte mich an die mit einer israelischen Ex-Kollegin in meiner Wüstenzeit. Am ersten Abend einer gemeinsamen Reiseleitung erzählte sie mir lang und breit, das Programm des kommenden Tages ginge überhaupt nicht, weil nicht jüdisch genug, zu arabisch, zu wenig Geschäfte, in denen man Provision machen könne, zu lange Touren, zu speziell und und und.

Ich beharrte auf der Programmplanung gemäß Veranstaltervorgabe, und am kommenden Abend meinte sie, das wäre ja so ein toller Tag gewesen, die Gäste wären alle so glücklich. Aber das Programm des kommenden Tages ginge ja gar nicht, weil ... So ging es jeden Abend, bis sie in meiner Gegenwart mit israelischen Kollegen über meine Starrköpfigkeit lästerte. Bis dahin unterhielten wir uns nämlich nur auf Englisch, wusste sie nicht, dass ich Hebräisch spreche.

Bei der Agentur kamen viele Informationen einfach nicht an. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir coronabedingt mit der Umsetzung der ersten Phase nicht wie geplant sechs Monate Zeit haben, sondern in sechs Wochen live gehen müssen. Vier Wochen lang forderten wir die Info an, wie die Daten für den Import aussehen müssen, aber es kam nichts, und mir war klar, dass die für den Druck aufbereiteten Daten, die der Agentur vorlagen, so nicht importiert werden können.

Dass die Datenbank Anfang Juni stehen muss und nicht Ende September, wurde erst zwei Arbeitstage vor Livegang wirklich verstanden. Einen Arbeitstag vor Livegang arbeitete ich mich "mal eben" in ein mir bis dahin völlig unbekanntes CMS ein, um den erwartungsgemäß in weiten Teilen schiefgegangenen Datenimport zu korrigieren.

Okay, dafür, dass die Digitalisierung mit Lichtgeschwindigkeit und ruckelnder Kommunikation erfolgte, ist das Ergebnis wirklich gelungen, aber der Weg war sehr steinig. Zum Glück hat mein wunderbarer Kollege ein Kommunikationskonzept für die im August startende nächste Phase entwickelt, das für Entspannung sorgen könnte.

Der Gatte konnte diese Woche einiges bei Haushaltsauflösung und Umzug seiner Mutter regeln. Sonntag drängte ich ihm auf, dass er bei der Besprechung zwischen seiner Mutter und dem Umzugsunternehmen dabei ist. Er war erst unwirsch, aber seine Anwesenheit war wirklich gut, denn sie war kein bisschen vorbereitet, konnte nicht sagen, was mit soll usw. Sie ist gerade in der gleichen Phase wie meine Mutter, die sagt, sie kann noch alles alleine machen, es dann aber mich erledigen lässt. Seitdem Tante weg ist, baut sie wieder ab. Ihr fehlt die gleichaltrige Gesellschaft ihrer Bridge- und Englischdamen.

Das Umzugsunternehmen ist auf Seniorenumzüge spezialisiert und bietet einen Rundum-Service an. Wir hoffen, dass Schwiegermutter den auch annimmt, insbesondere bei ihren Wertsachen, denn das Unternehmen wies darauf hin, dass beispielsweise Porzellan nur versichert ist, wenn es von ihnen eingepackt wird. Aktuell ist Schwiegermutters Meißner in einer dünnen Plastik-Klappkiste gelagert ...

Die Monsterschrankwand, die für das künftige Wohnzimmer viel zu klobig ist, konnte ihr das Umzugsunternehmen bislang nicht ausreden. Der Gatte will sich weigern, das Monster in der neuen Wohnung wieder rauszureißen und durch Billys zu ersetzen, wenn Schwiegermutter realisiert, dass sie sich nicht bewegen kann, aber ich vermute, darauf wird es hinauslaufen. Sie beharrt darauf, dass von der Breite her doch alles passe, nur ist nicht die Breite des Monsters das Problem, sondern seine Tiefe.

Der Gatte hat momentan viel auszuhalten, und ich versuche, mich herauszuhalten, damit es nicht noch mehr Stress gibt. Zum Glück ist er mit dem Ausräumen gut vorangekommen, denn ein Bürotag mehr bedeutet zwar weniger Kurzarbeit und weniger Sorge um seinen Arbeitsplatz, aber auch weniger Zeit für Schwiegermutters Umzug.

Bei Mudderns ist es zum Glück einigermaßen ruhig. Ihre Gesellschafterin konnte sie endlich dazu bringen, einige mehr als überfällige Reparaturen in Auftrag zu geben und sorgt in vielen Bereichen für Ordnung. Ansonsten freut sich Mudderns gerade über ein Amselnest im Vorgarten und verbringt so viel wie möglich damit, auf ihrer Bank zu sitzen und die Vögel zu beobachten.

Die Gottesdienstbesuche und die damit einhergehenden Gespräche fehlen ihr, aber da es anscheinend möglich ist, mit Kirchenliedern ganze Gemeinden zu infizieren, bin ich ganz froh, dass ihre Gemeinde weiter nur auf Online-Gottesdienste setzt. Pfingstsonntag gab's einen Freiluft-Gottesdienst vor der Kirche, an dem Mudderns zufällig auf dem Rückweg vom Friedhof vorbei kam und von dem sie die ganze Woche erzählte. Inzwischen gibt es auch eine Telefon-Andacht, mal schauen, ob sie die nutzen mag.

Mir machen die Wechseljahre zu schaffen. Weder OP noch Hormone sorgten für die versprochene Beschwerdefreiheit. Ich halte die Beschwerden jetzt seit vier Jahren aus, und das Wissen, dass es noch bummelig zehn Jahre so weitergehen kann, bis ich mit den Wechseljahren durch bin, treibt mich gelegentlich in die Verzweiflung (und Mudderns war erst mit Anfang 70 durch - das wären zwanzig Jahre). Auch, wenn ich weiß, dass es Schlimmeres gibt: Lebensfreude und Lebensqualität leiden. Nur: Nützt ja nichts.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea - vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen in der vergangenen Woche berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

3 Kommentare:

  1. ...so richtig durch ist man nie...man frau gewöhnt sich nur daran und kann besser damit umgehen...das ist meine Erfahrung...Lebensfreude und Lebensqualität stellen sich aber trotzdem wieder ein...mit der gewonnenen Gelassenheit...ich denke, du hast auch einer besonders stressigen Branche zu tun und da ist es bestimmt besonders schwierig gelassen zu bleiben...ich arbeite zeitweise immer noch daran, mein Fell dicker wachsen zu lassen *zwinker...das scheint eine Lebensaufgabe zu sein...
    trotzdem scheint die Coronakrise für dich unterm Strich ein Gewinn zu sein und du siehst Möglichkeiten dir Freiräume zu schaffen...das ist der richtige Ansatz!

    Dir noch ein schönes Wochenende
    es war schön dich wieder zu lesen...
    Liebe Grüße
    Augusta

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    1. Liebe Augusta, schön, Dich zu lesen!

      Der Stress im Büro macht mir zwar auch zu schaffen, aber da bekomme ich Entlastung in den Bereichen, in denen es geht und achte darauf, regelmäßig Überstunden abzubummeln.

      Nur privat gibt's keine Entlastung. Da richtet sich alles nach den Bedürfnissen vom Gatten und den Müttern, bekomme ich keine Ruhe, sondern bin immer in Bereitschaft. Und das ist jetzt in Kombi mit den Wechseljahren einfach zu viel, aber nützt ja nichts. Jeder Antrag auf Atempause in Form einer Reha wird abgelehnt. Damit die bewilligt wird, muss ich erst komplett zusammenbrechen.

      Eine gute Woche wünscht Sabine

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  2. Das ist ja ein interessanter Wochenbericht. Da gibt es nicht nur im Büro viel zu tun, auch um Eltern müßt ihr euch noch kümmern. Aber so ist das im Leben, zuerst kümmert man sich um die Arbeit und die Kinder. Wenn diese dann ausgezogen sind, muss man evtl.Eltern oder Tante "beaufsichtigen". Bei mir war es meine Tante, es war auch ganz schön mit ihr. Jetzt lebt niemand mehr von der alten Generation. Ich bin seit 5 Jahren ehrenamtlich unterwegs und emotional auch etwas zu eng eingestiegen. Da gibt es auch immer ein auf und ein ab und die Wochentage sind immer voll. Aber es ist vielleicht auch besser, als zu zweit alleine zu sein und nur zu sehen wie das Leben vorüber zieht. So ist man noch mitten drin und hat Kontakte mit jungen Menschen. Heutzutage sind die Kinder meistens weit weg und sie leben auch ihr eigenes Leben.
    Liebe Grüße nach Hamburg
    Agnes

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