Samstag, 4. Juli 2020

Samstagsplausch KW 27/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XVI

Donnerstag ebbte die Datenflut, die ich seit knapp zwei Wochen im Büro bewältigen muss, langsam ab. Das war auch dringend notwendig, denn ich war mehr als am Ende meiner Kraft. Klar ist, ein Szenario wie in den letzten sechs Wochen tue ich mir kein zweites Mal an. Für's kommende Jahr müssen sich meine Chefs eine Lösung überlegen. Ich ging nicht in Teilzeit, um das nächste Burnout zu bekommen.

Zum Glück kann ich überwiegend zu Hause arbeiten, so dass ich zumindest zwei bis drei Stunden Fahrzeit spare. Und ich nehme regelmäßig Gleittage zum Überstundenabbau, aber die dienen weniger meiner Erholung, sondern gehen für die Betreuung von Mudderns und Schwiegermutter drauf.

Der Gatte und ich sind seit 16 Wochen weitgehend zu Hause. Beim Gatten beginnt inzwischen der vierte Monat Kurzarbeit. Er ist zwei Tage im Büro und ansonsten auf Abruf, kümmert sich in dieser Zeit um Haushaltsauflösung und Umzug seiner Mutter in eine Seniorenwohnanlage. So gesehen ist die Kurzarbeit des Gatten fast schon ein Segen, denn ohne seine Hilfe wäre seine Mutter ziemlich aufgeschmissen, da total überfordert. Der Gatte arbeitet in der Veranstaltungsbranche, in der durch die Pandemie quasi alles stillsteht. Es ist also nicht absehbar, wann er wieder normal arbeiten wird, ob sein Arbeitgeber die Coronakrise übersteht.

Ich bin ebenfalls zwei Tage pro Woche im "echten" Büro und arbeite ansonsten im Heimbüro. Die drei Projekte, für die ich verantwortlich bin, sind alle auf unterschiedliche Weise von der Pandemie betroffen, aber mein Arbeitsplatz an sich ist sicher. Ich kann versetzt werden oder andere Projekte bekommen, aber Arbeitslosigkeit ist ausgeschlossen, sofern ich keine silbernen Löffel klaue oder ähnliches. Da ich jahrzehntelang selbstständig oder prekär beschäftigt war, ist das gerade in der aktuellen Situation eine unwahrscheinliche Erleichterung (und silberne Löffel habe ich ausreichend).

In der letzten Woche stellte sich heraus, dass das ganze Vermessen der neuen Wohnung noch gar nicht richtig bei Schwiegermutter ankam. Also waren wir in dieser Woche alle drei in der Wohnung, klebten die Möbelmaße mit Malerkrepp auf die Auslegeware und versuchten so, Schwiegermutter vor Augen zu führen, wie voll die Wohnung wird, wenn sie auf den bisherigen Möbeln beharrt. Dabei konnten wir allerdings nicht sicher sein, das Schwiegermutter die korrekten Maße ihrer Möbel nahm, weil sich plötzlich herausstellte, dass sie den Zollstock mehr nicht lesen kann. Normalerweise hätten wir noch mal ins Haus fahren müssen, um dort alles auszumessen, aber das wollten weder Gatte noch Schwiegermutter. Stattdessen schätzten wir die Maße - vorsichtshalber etwas großzügiger.

Im Schlafzimmer passt alles - vorausgesetzt, ein Stück der Marmorfensterbank wird weggeflext, damit der antike Sekretär Platz hat ... Im Wohnzimmer sorgt seit Wochen die Monsterschrankwand, die Schwiegermutter unbedingt mitnehmen möchte, weil sie vor 55 Jahren ein kleines Vermögen kostete, für Diskussionsstoff. Sie ist zu tief und zu wuchtig für das kleine Zimmer.

Es zeigte sich aber, dass sie tatsächlich passt - allerdings lässt sich die Wohnzimmertür nicht mehr vollständig öffnen. Und dann ging dem Gatten irgendwann auf, dass niemand die Deckenhöhe in der neuen Wohnung maß - womöglich ist die Schrankwand zu hoch.

In der kommenden Woche steht nun der Umzug an, und bei der Schrankwand gibt es drei Szenarien:
  • Alles geht gut: Die Schrankwand lässt sich ab- und wieder aufbauen. Die Höhe passt. Der Schreiner kann ein Regal so versetzen, dass sich die Wohnzimmertür öffnen lässt. Die fehlende Backe bei einem Element, das zukünftig frei stehen wird, kann der Schreiner anfertigen. Dann hat Schwiegermutter sogar einen Esstisch.
  • Beim Abbau der Schrankwand zeigt sich, dass die Rückwand mit Schwarzschimmel befallen ist. Dafür gibt es einige Indizien, die Schwiegermutter aber hartnäckig ignoriert. Da ich an dem Abbau- und Einpacktag dabei sein werde, weil der Gatte Bürotag hat, kommt mir dann die dankbare Aufgabe zu, Schwiegermutter zu überzeugen, dass sie die Schrankwand nicht mitnehmen kann, sondern etwas neues kaufen muss.
  • Beim Abbau geht alles gut, aber beim Einbau zeigt sich, dass die Schrankwand zu hoch für die Wohnung ist. Dann hat der Schreiner Spaß.
Mir ging irgendwann auf, dass Schwiegermutter eine Nacht lang kein Bett haben wird, denn das Umzugsunternehmen packt an einem Tag alles im Haus ein, inklusive Bett, lagert es über Nacht im Umzugswagen und packt es am nächsten Tag in der neuen Wohnung aus. Als ich den inzwischen komplett entnervten Gatten darauf ansprach, befand er, seine Mutter könne ja auf der Gartenliege schlafen, mache sie ja tagsüber im Sommer auch. Oder auf der Matratze in der Garage, dem alten Sofa - der Sperrmüll käme ja erst später ...

Immerhin habe ich ihn inzwischen so weit, dass seine Mutter die Nacht bei uns verbringen wird, aber: "Sag's ihr nicht. Ich will, dass sie von selbst drauf kommt." Ja, nee, is klaa. Am Einpacktag muss ich also darauf achten, dass weder Bettzeug noch CPAP-Gerät im Umzugswagen landen - ein Punkt mehr auf meinem langen Zettel für die kommenden beiden Wochen bis zur Übergabe des Hauses an die Käufer.

Der Gatte verbrachte nochmals einen Möbelhaustag mit seiner Mutter, wieder ergebnislos. Sie wird vorerst bis auf die Monsterschrankwand (sofern deren Umzug klappt) und diverse Tischchen keine Wohnzimmereinrichtung haben, weil sie sich nicht entscheiden kann. Ein Sofa wäre fast gekauft worden - dann aber stellte Schwiegermutter fest, dass es ein Schlafsofa ist, und das kann sie ja nicht ins Wohnzimmer stellen, weil man auf einem Schlafsofa nicht sitzen, sondern nur schlafen kann. Ja, nee, is klaa.

Da sie an jedem Möbel etwas auszusetzen hat, wäre es am sinnvollsten, sie nähme die alte Couchgarnitur erstmal mit, aber das will sie nicht. Zwischen Umzug und Sperrmüllabholung sind noch ein paar Tage Zeit; vielleicht entscheidet sie sich ja noch mal um, denn so ganz ohne gemütliche Sitzgelegenheit ist so'n Wohnzimmer ja eher doof.

Schwiegermutters Umzug geht also in den Endspurt, und ausgerechnet jetzt schwächelt auch noch die Umzugsfirma. Sie vergaß, dass Einpackservice gebucht war, lieferte Umzugskartons nicht wie abgesprochen tagsüber, sondern nach 21 Uhr und ähnliches. Eigentlich ist das Unternehmen auf Seniorenumzüge spezialisiert, von der Seniorenwohnanlage empfohlen. Mal schauen, wie sich der Umzug gestaltet.

Ansonsten öffnete Mittwoch endlich wieder die Schwimmhalle unseres Sportvereins. Der Gatte, der so sehr darauf wartete, ist jetzt aber doch nicht interessiert - der Umzug geht vor. Außerdem kann man keine Zeitfenster buchen, und so befürchten wir, dass die Halle überfüllt sein wird. Mal schauen, ob wir uns übernächste Woche mal ein Bild machen können.

Abendessen beim Griechen.
Gestern hatte der Gatte die schöne Idee, beim Stammgriechen essen zu gehen. Zwar können wir uns momentan nicht über zu wenig Zeit zu zweit beklagen, anders als zu normalen Zeiten, in denen ich oft abends beruflich zu Veranstaltungen musste, aber schön war das Fremdessen dennoch.

Mehr Zeit zu zweit bringt auch Schwiegermutters Umzug. In den zwei Jahrzehnten, die der Gatte und ich zusammenleben, war er so ziemlich jeden Sonntagabends bei seiner Mutter, hatte ich sturmfrei. Ich fand das sehr schön, konnte mich verabreden, etwas kochen, was der Gatte nicht isst, in Ruhe "Tatort" gucken, ein Schönheitsprogramm durchziehen ...

Letzten Sonntag war der Gatte unerwartet zum "Tatort" schon wieder zu Hause, und da ging mir auf, dass das jetzt immer so sein wird. Da er bei seiner Mutter keine Werkstatt mehr hat, in der er den Abend verbringen kann, gibt es keinen Grund mehr für ihn, länger als zum Abendessen zu bleiben. Mehr noch: Er kündigte an, nicht mehr jeden Sonntag zu seiner Mutter gehen zu wollen. Das wird dann auch für sie eine Umstellung.

Corona scheint inzwischen für sehr viele sehr weit weg zu sein. Im ÖPNV sind immer öfter Menschen ohne Maske unterwegs, wenngleich der HVV ankündigte, die Einhaltung der Maskenpflicht kontrollieren zu wollen. Im Discounter ist der zusätzliche Abstandshalter zwischen Kasse und Einkaufswagen abgebaut, kann man der Kassiererin jetzt dichter auf die Pelle rücken. In den Geschäften tragen auch weniger Menschen Masken. In Schwiegermutters Seniorenwohnanlage ist Corona hingegen sehr präsent: Der Zutritt erfolgt erst nach Fiebermessen und Handdesinfektion.

Die Corona-Warn-App ist inzwischen einmal durchgelaufen. Ich dachte, sie fängt nach zwei Wochen wieder von vorne an, aber irritierenderweise bleibt es bei der Meldung, dass sie 14 von 14 Tagen aktiv ist, obgleich sie sich täglich aktualisiert.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea - vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen in der vergangenen Woche berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

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