Samstag, 30. Januar 2021

Samstagsplausch KW 4/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XLIV

Sonntag war Schwiegermutter bei uns zum Tee - ein richtig netter Nachmittag! Da ja nur Besuch von einer Person aus einem anderen Haushalt erlaubt ist, können der Gatte und ich sie nicht beide in der Seniorenwohnanlage besuchen, sondern nur der Gatte. Also ist sie öfter bei uns, solange diese Vorschrift gilt. Sie überraschte mich mit einem Tulpenstrauß und dem Magazin "So schmeckt Low Carb*", weil sie sah, dass da auch Keto-Rezepte enthalten sind. 

Da haben wir an einem Nachmittag doch glatt den halben Apfelkuchen gegessen! 

Schwiegermutter freute sich auf die Impfung, die für gestern vorgesehen war, plante, nach beiden Impfungen die Tante in Bayern zu besuchen, weil sie Tante und den Dackel vermisst. Die beiden haben sich im Mai zuletzt gesehen. Sonst sahen sie sich drei Mail im Jahr für je vier Wochen. Es ist absehbar, dass der Dackel nicht mehr lange lebt, und Schwiegermutter möchte die Kleine so gerne noch mal knuddeln, vermisst so sehr einen Hund! 

"Schatz, da hat jemand auf dem Balkon
die Sektflasche ermordet!" - Ich hatte
gerade keinen Verschluss zur Hand
und nahm das Kuchenmesser, damit
der Sekt feinperlig bleibt ...

Montag kam dann die Hiobsbotschaft: Schwiegermutter wird nicht geimpft! In Hamburg ist es so, dass in den Alten- und Pflegeheimen nur die Menschen mit Pflegestufe geimpft werden. Alle anderen können sehen, wo sie bleiben. Der Leiter von Schwiegermutters Seniorenwohnanlage hatte interveniert und erreicht, dass das mobile Impfteam alle Bewohner impft, aber dann legte die BASFI ihr Veto ein. Schwiegermutter war am Boden zerstört und rechnet nicht mehr damit, geimpft zu werden.

Ich überlege inzwischen, ob's nicht schneller geht, die Konversion abzuschließen, Aliyah zu machen, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen und mich dort impfen zu lassen, anstatt abzuwarten, wann es in Deutschland Impfstoff und Termine gibt. Und dann werden Großkopferte und Teppichetage häufig genug am Impfplan vorbei geimpft! Das macht einfach nur noch wütend. Und dabei stehe ich hinter der städtischen Corona-Politik. 

Montag soll es wieder ein paar Impftermine geben. Schwiegermutter wird sich ans Telefon hängen, ich werde es am Rechner versuchen. Vielleicht haben wir Glück.  

Tante hat die Impfung bislang übrigens gut überstanden. Sie bemerkte zwar Müdigkeit, aber wer ist in diesen denkwürdigen Zeiten nicht ständig müde?

Hier gilt seit mittlerweile 46 Wochen: Der Gatte und ich sind seit Mitte März 2020 weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Der Gatte ist seit April 2020 in Kurzarbeit und seit Mitte Dezember krank. Die Kurzarbeit konnten wir noch ohne großartige Einschränkungen wuppen, aber jetzt, wo er ins Krankengeld kommt, könnte es finanziell knapp werden. Mal schauen, was wird. In der kommenden Woche soll es eine erste Prognose geben, wann der Gatte wieder zur Arbeit gehen kann. Wirklich belastbar ist er noch nicht. Die Sorge um seinen Job, in dem es erst weitergeht, wenn Veranstaltungen, Theater und Konzerte wieder möglich sind, macht ihm zu schaffen, inzwischen auch die gesundheitliche Prognose. Er ist oft schlecht gelaunt, seit Monaten, so dass es hier öfter kracht. Bislang können wir damit umgehen.

Mein Job ist sicher. Ich muss mir keine Gedanken machen wie der Gatte, bekäme allenfalls einen anderen Aufgabenbereich oder suchte mir eine neue Stelle - der Betrieb ist groß und vielfältig. Momentan steht das aber nicht zur Debatte. Bei uns sind inzwischen alle im Heimbüro. Es gibt lediglich eine Mindestbesetzung mit festen Tagen, so dass ich einen Tag im echten Büro bin. Andere sind zwei oder drei Tage dort, aber es wird streng darauf geachtet, dass jeder ein Büro für sich hat. Selbst Besprechungen im Büro finden digital statt, was gelegentlich irritierend ist, weil alle Türen zu sind. Es ist sehr ruhig auf unserem Teil der Büro-Etage. 

Ansonsten haben wir nach den anstrengenden letzten Wochen endlich wieder so etwas wie Alltag, kommen langsam in ruhigeres Fahrwasser. Mal schauen, wie lange das anhält. Die Erfahrung lehrte mich, die Ruhe nicht zu sehr zu genießen. Ich habe wieder angefangen, Stepper und Theraband zu nutzen, damit ich nicht vollends erschlaffe. Zu Spaziergängen kann ich mich nicht aufraffen. Das war nie so meins, vor allem ohne Hund. 

Mudderns pflegt weiterhin ihre Januar-März-Depression, liegt im Bett und starrt an die Decke. Immerhin schaffte es ihre Gesellschafterin, dass sie wieder zu Mittag isst. Ihre Stimme ist wieder etwas kräftiger, und sie hat wieder angefangen, ein Buch zu lesen. Sie will mit ihrer Gesellschafterin zum Arzt, damit er ihr ein Stärkungsmittel verschreibt. Die Erfahrungen aus dem Vorjahren sagen, dass sie das dann doch nicht nimmt, weil sie irgendetwas im Beipackzettel findet, wogegen sie allergisch sein könnte. Und dass auch das beste Stärkungsmittel nichts hilft, wenn sie sich weigert, das Bett zu verlassen, versteht sie nicht. Irgendeine Form von Aktivität lehnt Mudderns nämlich weiterhin ab. Es gäbe auch reichlich Möglichkeiten. Gesellschaft zu bekommen, selbst jetzt, aber Mudderns will nicht. Sie klagt lieber über ihre Einsamkeit. 

Und natürlich beschwert sich Mudderns darüber, dass ihre Gesellschafterin ab kommende Woche nicht mehr zwei Mal die Woche kommt. Das war nur für den Januar abgesprochen, braucht bei der Gesellschafterin viel Organisation, denn sie hat ja auch andere Patienten, aber typisch Mudderns will sie das so beibehalten. Es gibt nur sie, und darauf haben sich alle einzurichten, basta. Sie raubt einem wirklich jegliche Kraft. Außerdem will sie eine höhere Pflegestufe, damit zwei Mal die Woche jemand vormittags kommt, um sich mit ihr zu beschäftigen. Ihrer Putzfrau hat sie quasi gekündigt, weil sie findet, das könne der Pflegedienst oder ihre Gesellschafterin machen ... Am liebsten hätte sie rund um die Uhr Gesellschaft. Sie verkennt die Realitäten. 

Ich habe versucht, Tacheles zu reden, habe ihr gesagt, dass alles nichts nützt, wenn sie nicht mitspielt, dass sie nicht mehr im Haus wohnen bleiben kann, wenn sie nicht in der Lage ist, sich selbst zu versorgen, aber das kommt bei ihr nicht an. Theoretisch könnte eine Vollzeitpflege bei ihr einziehen, aber sie will niemanden im Hause haben, denn sie will ja keine Gesellschaft haben. Sie braucht Schrödingers Pflegedienst. 

Ich versuche, mich nicht zu sehr davon herunterziehen zu lassen.

Mudderns aß übrigens inzwischen die Kekse, die ich ihr als Neujahrsgruß schickte, aber natürlich kam kein Feedback, bis ich sie vorgestern bat, das Paket, das sie ungeöffnet in den Kühlschrank legte, endlich zu entsorgen. Da stellte sich heraus, dass sie die Kekse aß. Kein Wort zur gebastelten Karte, kein Wort zu selbstgemachten Verpackung - ihr Verhalten ist so verletzend! Was für ein Unterschied zu Schwiegermutter, mit der es zwar auch oft Konflikte gibt, für die Empathie meistens aber kein Fremdwort ist. 

Ansonsten kommt es hier zu Pandemie-Auswirkungen, die man vorher ja auch nicht ahnt: Da die Friseur-Salons geschlossen sind, der Gatte aber normalerweise alle 4 Wochen zum Barbier geht, kaufte er sich einen Haarschneider. Er trägt jetzt Vokuhila-Glatze zu rechtsseitigem Unterm-Kinn-Vollbart. Schwiegermutter wird das morgen wieder in Ordnung bringen. 

Damit meine Ohrlöcher nicht weiter zuwachsen, trage ich jetzt zu Hause Ohrringe. Außerdem habe ich Wimperntusche und Lidstrich entsorgt, weil sie zu lange offen waren. Zu Hause nutze ich sie ja nicht. Einen Friseur vermisse ich vorerst nicht. Theoretisch müsste ich zurzeit vor die Presse, praktisch gab's aber nur telefonische Anfragen, sitzt die Frisur noch. Ansonsten trage ich im Heimbüro Zopf. Falls die Friseure im Frühsommer, wenn die nächste Presserunde beginnt, noch geschlossen sind, mache ich mir Pippi-Langstrumpf-Zöpfe. Ich bin schließlich Berufsjugendliche. 

Am Holocaust-Gedenktag war ich nach einem Zahnarzttermin malad und hatte dadurch das Glück, einen Teil der Gedenkstunde im Bundestag zu sehen. Die Rede von Charlotte Knobloch verpasste ich leider, da geschlafen, aber zu der von Marina Weisband war ich wieder wach. Hier ist sie zum Nachlesen und Nachschauen.

Im übrigen ist es hier sehr ruhig. Da Schulen und Kitas geschlossen sind, trappeln morgens keine Kinder durch's Haus. Gelegentlich sehe ich mal ein Nachbarskind mit Ranzen - es gibt ja eine Notbetreuung. Die Nachbarskinder spielen meistens wieder familienweise miteinander. Ihre Lautstärke und Zerstörungswut ist allerdings ungedrosselt. Manche Kinder habe ich ewig nicht mehr gesehen. Flugzeuge sind weiterhin nur sehr selten zu hören, und mit den heute einsetzenden Einreisesperren werden es sicher weniger. Hubschrauber habe ich auch seit langem nicht mehr gehört. Sie fliegen hier häufig in die Kaserne oder ins Krankenhaus. Einzig der Lkw-Verkehr auf der Bundesstraße vorm Haus rollt unvermindert weiter. 

Das Parkhaus im Büro, in dem ich mich bis Mai einmietete, ist auch immer noch voller als im Frühjahr - da arbeiten vermutlich noch viele in den den echten Büros. Auf den Straßen in der Innenstadt ist es aber sehr leer, wenn ich da bin. Letztens sah ich gerade drei Menschen auf der Straße - an einem Werktag mittags um eins! 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ihr und ihrem Mann weiterhin viel Kraft! Und vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse. Nachdem die Wochenübersicht aktuell ist, muss ich immer noch die Rezepte nachtragen ...

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