Mittwoch, 20. August 2025

Blog-Pause

Der Gatte ist seit sieben Wochen im Krankenhaus. Es gibt keine Prognose, wann er nach Hause kommen wird. Ich bin erstmal zu ihm gezogen. Bis wir wieder zu Hause sind, ist hier Pause.




Sonntag, 10. August 2025

Samstagsplausch KW 32/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXII

In der fünften Woche Krankenhaus fällt es immer schwerer, weiter zu kämpfen. Der Gatte hat einfach keine Kraft mehr. Donnerstag sollte das Gehtraining beginnen, endlich. Der Gatte freute sich schon so darauf, wieder mehr Selbstständigkeit zu gewinnen. Stattdessen liegt er seit Donnerstagmittag wieder mit ungewisser Prognose zwischen Kathetern und Schläuchen im Bett. Er verfällt zusehends, ist wieder delirant, wird immer schwächer, hat einfach keinen Mut mehr. Seine Wünsche werden immer bescheidener. Inzwischen wäre er schon überglücklich, wenn er im Rollstuhl mal nach draußen dürfte, aber angesichts von Kathetern und Schläuchen ist das nicht mehr möglich. Dabei würden ihm frische Luft, Vogelgezwitscher, Leutegucken und Sonnenschein gut tun. Ich muss immer wieder daran denken, wie glücklich er Dienstag war.

Besonders schlimm sind die Nächte, wenn der Gatte nicht weiß, wo er ist, ich nicht bei ihm sein kann, er desorientiert versucht, mit Schläuchen und Kathetern aufzustehen und stürzt. Er macht dann den Pflegekräften viel Arbeit und macht sich dadurch bei ihnen unbeliebt. Letzte Nacht lag er über Stunden vor seinem Bett, weil er gestürzt war, nicht an die Klingel kam und niemand nach ihm guckte. Heute morgen fand ich ihn halbnackt in Zugluft liegend vor. Er hatte Schüttelfrost und fror. Sein Blutzucker war bei 45; er war seit Stunden im Unterzucker, ohne dass jemand es kontrollierte oder Maßnahmen ergriff. Ich mag mir nicht ausmalen, was geschehen wäre, wäre ich später gekommen. Der Gatte war völlig verängstigt, traute sich nicht, sich ein T-Shirt anziehen oder sich zudecken zu lassen aus Angst, die Pflegekräfte würden dann wieder mit ihm schimpfen. Er ist wirklich am Ende seiner Kraft. Ich habe meinen Mann lange nicht mehr so viel weinen sehen wie in dieser Woche.  

Für Morgen steht eine weitere OP an, die siebte in diesem Jahr, wenn ich mich nicht verzählte. Ob die OP durchgeführt wird, wird morgen entschieden. "Jeden Morgen gibt es eine neue Überraschung, die jeden Therapieplan umwirft", meinte eine Ärztin am Donnerstagabend resigniert. Angeblich soll es die letzte sein, soll der Fuß des Gatten dann wieder soweit hergestellt sein, dass er mit Maßschuhen laufen kann. Soweit die Theorie. In der Praxis wäre es ein Wunder, wenn etwas nach Plan laufen würde. Es fällt mir immer schwerer, dem Gatten Mut zuzusprechen, Optimismus und Zuversicht auszustrahlen. 

Die Augen des Gatten haben sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Er ist praktisch blind. Eigentlich sollte inzwischen mit der Katarakt-Behandlung begonnen worden sein, aber durch den ausgedehnten Krankenhausaufenthalt verzögert sie sich, ist unklar, ob überhaupt noch etwas Sehkraft wiederhergestellt werden kann.

Mittwoch kam ein großes Paket von der Ostsee-Tante für den Gatten. Ich hatte ihr geschrieben, was bei uns los ist, und sie entschied sich, dem Gatten zur Aufmunterung einen über fünf Kilo schweren Eisenbahn-Atlasses ihres verstorbenen ersten Mannes zu schenken! Im Krankenhaus kann der Gatte das Buch gar nicht lesen, da kein Platz, aber in den wenigen Momenten, in denen er glaubt, wieder nach Hause zu kommen, freut er sich darauf, mit Buch und Lupe am Esstisch zu sitzen und darin zu blättern. 

Ich hoffe so sehr, dass der Gatte bald nach Hause kommen kann.

Hier gilt seit mittlerweile 282 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Diese Woche musste ich nach Hamburg. Nach mehr als sechs Wochen, in denen ich nur in der Kleinstadt unterwegs war, war das wie ein Kulturschock. Ich hatte noch nicht mal eine Maske für den ÖPNV mit! Ich war in der alten Heimat unterwegs, kam an unserer alten Wohnung vorbei - ein merkwürdiges Gefühl. Jedenfalls war ich froh, als ich wieder zu Hause war.

Schwiegermutter käme am liebsten jedes Wochenende zu Besuch. Sie meint, ihre Besuche gäben dem Gatten Lebensmut und entlasten mich, dabei ist das Gegenteil der Fall. Sie ignoriert den Zustand ihres Sohnes total, schwärmt davon, wie schön es ist, mit uns vorm Krankenhaus zu sitzen ... Na, ich danke. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Mittwoch, 6. August 2025

#WMDEDGT 08/25: Krankenhaus III

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Der Gatte ist die fünfte Woche im Krankenhaus. Das Haus ist leer ohne ihn, die Nächte sind unruhig, die Sorge ist groß. Ursprünglich war ein Krankenhausaufenthalt von zehn Tagen geplant, maximal zwei Wochen.

Ich werde mit Meldungen zu Trumps Plänen für einen Atomreaktor auf dem Mond geweckt und prüfe erstmal, ob nicht der erste April ist. Anziehen, schnelles Frühstück und Wassermelone aufschneiden. Bevor es ins Krankenhaus geht, muss ich erst die reparierte Brille des Gatten vom Optiker abholen. Über die Siedlung fliegen drei Sikorsky CH-53-Maschinen, warum auch immer. Ich sollte so was kennen, war hier doch Übungsgebiet, gab's viele Tiefflieger, als ich Kind war, lebte ich die letzten zwanzig Jahre in einer Soldatensiedlung, aber dennoch macht mir so was Angst. Als ich dem Gatten von den Hubschraubern berichte, meint er trocken, das dürften die einzigen drei Maschinen dieses Typs sein, die noch flugfähig sind. 

Ab ins Krankenhaus zum Gatten. Bei jedem Besuch ist ungewiss, was mich erwartet. Dementsprechend bin ich angespannt.

Die Stimmung ist schlecht. Der Gatte darf am Vormittag nicht raus, weil seine Füße nach der Visite neu verbunden werden müssen, aber niemand Zeit dafür hat. Er hat einen neuen Zimmernachbarn, der in sehr schlechtem Zustand ist. Die Ärzte planen für kommenden Montag eine weitere OP. Wenn ich mich nicht verzählte, wird das die siebte in diesem Jahr. Ich versuche, den Gatten aufzubauen, aber das wird immer schwerer. 

Wie jeden Tag bleibe ich bis mittags im Krankenhaus. Dann müsste ich eigentlich einkaufen, bin aber zu erschöpft und fahre nach Hause. Ich suche die Sachen zusammen, die der Gatte nachmittags mitgebracht bekommen möchte und lege mich eine Stunde hin, schlafe komatös. Eigentlich müsste ich Betten beziehen und den Vorratskeller aufräumen, damit dort kommende Woche ein neuer Stromzähler eingebaut werden kann, aber ich habe einfach keine Kraft.

Kurz vor fünfzehn Uhr fahre ich zum Bahnhof, denn Besuch aus der großen Stadt hat sich angesagt. Der Gatte freut sich sehr (und ich mich noch mehr). Der Metronom ist tatsächlich pünktlich. Der Besuch hatte in diesem Jahr schon eine Überdosis Krankenhaus und wartet daher vorm Eingang auf einer Bank, während ich den Gatten hole. Das dauert länger als gedacht, weil die Füße des Gatten noch immer nicht verbunden sind. Das soll der Chefarzt machen, der zum Glück rasch zur Nachmittagsvisite kommt. Jetzt darf der Gatte endlich raus!

Wir sitzen lange zusammen, irgendwann bei Tee, Kaffee und Kuchen, bis ich den Gatten wieder auf sein Zimmer bringe. Der Gatte hat sichtlich Spaß am Besuch. Ich habe ihn lange nicht mehr aus vollem herzen lachen gesehen! Das ist so ein schöner Anblick! Als ich den Gatten zurück auf's Zimmer schiebe, seufzt er glücklich: "Das war ein schöner Nachmittag!" 

Nachdem der Gatte für die Nacht versorgt ist, fahre ich mit dem Besuch zum Essen. Endlich mal wieder eine ordentliche Mahlzeit ... Anschließend geht's zum Bahnhof, wo der Besuch noch einen Zug früher erwischt als geplant.

Auf dem Heimweg lege ich spontan eine Vollbremsung ein: In der Parallelstraße haben Nachbarn altes Zeugs entsorgt, und darunter ist ein Tragekorb, wie der Gatte ihn mag. Dieses Exemplar ist grauer Landhausstil, ziemlich schick. Wenn der Gatte wieder zu Hause ist, wird er sich darüber freuen.  

Der Abend wird ruhig. Ich freue mich, dass ich endlich wieder die Kraft habe, Socken zu stricken.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. August 2020 lebte Mudderns noch in ihrem Haus und ärgerte sich über die linken Nachbarn, mit denen wir auch schon eine unerfreuliche Begegnung hatten. Der Gatte war noch gesund und hatte einen Bürotag in Kurzarbeit. Das Verhältnis zu den linken Nachbarn hat sich übrigens sehr gebessert. Ich vermute, die Nachbarin hat ihren Lebensgefährten vor der Tür gesetzt. Jedenfalls gibt es kein betrunkenes Gegröle mehr. Am 5. August 2021 war der Gatte schon krank, hatte ich noch Kraft, vor der Arbeit schwimmen zu gehen. Am 5. August 2022 zeigten sich schon heftige Erschöpfungsmerkmale bei mir, begannen wir mit den Verhandlungen um einen Baukredit, den wir erst mehr als vier Monate später bekommen sollten. Am 5. August 2023 leben wir auf einer Baustelle - und ein Jahr später immer noch.

Samstag, 2. August 2025

Samstagsplausch KW 31/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXI

Der Gatte ist jetzt vier Wochen im Krankenhaus. Es gibt eine vorsichtige Prognose, dass er noch drei weitere Wochen dort bleiben muss. Das hängt u.a. davon ab, wie der gestern gelegte Vakuumverband wirkt, ob wie geplant neue Haut über die Amputationswunde wächst. Dafür müsste auch der Gatte mitspielen, müsste nach einer leichten OP am Donnerstag u.a. Bettruhe halten und das betroffene Bein hochlegen. Ihm das zu vermitteln, ist schwer. Er will einfach nicht einsehen, dass er mitarbeiten muss, dass er andernfalls das ganze Bein verlieren kann, und ist fest davon überzeugt, nicht mehr lebend aus dem Krankenhaus zu kommen. Es ist ein Elend, und mir fehlt langsam die Kraft, gegen ihn an zu arbeiten, um ihn halbwegs in der Spur zu halten. Ich fühle mich immer öfter an die letzten Monate mit meiner Mutter erinnert. Nur: Nützt ja nichts.

Der Gatte wurde diese Woche so oft verlegt, dass ich Mittwoch, nach drei Zimmern in drei Tagen, alle faltete, die mir vor die Füße kamen, inklusive Chefarzt. Der Gatte gilt als delirant, braucht eine vertraute Umgebung mit vertrauten Personen, nicht jeden Tag ein neues Zimmer. Man will mit dem Bettenmanagement sprechen ... Ich bin gespannt, ob es etwas bringt. Dienstag saßen wir fast zwei Stunden vor dem Krankenhaus, denn Station A, wo der Gatte von Donnerstag bis Dienstag zwischengelagert war, brauchte sein Bett, und Station B, auf die der Gatte gehört, hatte noch kein Bett frei, schickte uns zurück zu Station A, wo man uns zurück zu Station B schickte ... In dem Zimmer, dass der Gatte dann bekam, durfte er eine Nacht bleiben, bevor er wieder umziehen musste. Wenn wir zusammen raus dürfen, überlegt der Gatte bei jeder Zimmernummer, ob er dort nicht auch schon mal lag. Von den siebzehn Zimmer auf der Station kennt er ganze fünf noch nicht. Ich hoffe sehr, dass er auf seiner Station bleiben kann, wo er Pflegekräfte und Ärzte kennt (und am besten auch noch im aktuellen Zimmer). 

Schwiegermutter war über das Wochenende da, was wieder sehr anstrengend war. Der Gatte fragte schon besorgt, ob er sie kommendes Wochenende wiedersehen müsse. Nein, wir haben jetzt erstmal (Schwieger-)Mutterpause. Es war nur wichtig, dass sie ihren Sohne vor und nach der OP sieht.

Montag kam eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen spontan vorbei. "Ich wollte dich nur mal drücken und gucken, wie's bei dir aussieht!" Wie nett! Kurze Zeit später hatten sich beide Freundinnen verabredet, Donnerstag Vormittag zu kommen, um mir zu helfen. Das war ein schöner Vormittag!  Solange es noch trocken war, wurde das Holz aus dem Vorgarten vor's Gartenhäuschen unters Dach gebracht, dann gab's eine kurze Kaffeepause, bevor die Plissees ins Esszimmerfenster geklebt wurden. Während die beiden die Anleitung studierten, putzte ich schnell das Fenster. Das Anbringen der Plissees war so kompliziert, dass ich heilfroh über drei Hirne und sechs Hände war. Die Plissees mit Klick-Mechanik sind leichter anzubringen, aber beim Panoramafenster im Esszimmer muss geklebt werden. 

Seelentröster-Paket von meinen Kolleginnen.

Dienstag kam ein Seelentröster-Paket von meinen Kolleginnen an - was für eine liebe Überraschung! Chef rief an, um sich zu verabschieden, da er in ein anderes Institut wechselt. Eine nette Geste, denn wir arbeiten ja seit zwölf Jahren zusammen, die mir die Gelegenheit gab, zu fragen, wie es zu dem Arbeitsplatztausch kam. Was für ihn ein Karrieresprung ist, ist für die bisherige Stelleninhaberin, die jetzt die Leitung unseres Instituts übernimmt, nämlich ein Rückschritt. Die Begründung ist aber nachvollziehbar. Ich bin gespannt, wie es sich mit der neuen Chefin zurechtläuft, aber das Büro ist für mich aktuell ganz weit weg. Chef hatte auch noch eine gute Nachricht zur Entwicklung meines Projekt, denn es konnte etwas abgeschlossen werden, das ich offen zurückließ, bevor ich in die Freistellung ging.

Hier gilt seit mittlerweile 281 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Samstag, 26. Juli 2025

Samstagsplausch KW 30/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXX

Diese Woche war ein Höllenritt, vor allem für den Gatten! 

Montag erfuhr er quasi zufällig, dass er am kommenden Tag operiert werden soll. Sein behandelnder Arzt und er verpassten sich, weil wir mal wieder draußen waren - der Gatte möchte so wenig wie möglich im Krankenzimmer sein. Wir dehnten meinen Nachmittagsbesuch so lange wie irgend möglich aus und nahmen Abschied voneinander, konnten wir doch nicht wissen, wie die OP ausgeht. Die ist für einen gesunden Menschen schon belastend, und der Gatte ist alles andere als gesund, musste zwei Wochen stabilisiert werden, um die OP überhaupt durchführen zu können. 

Am Abend vor der OP des Gatten machte der Himmel Drama.

Als Dienstag um halb elf das Taschentelefon klingelte, ahnte ich Übles, denn die OP war auf fünf Stunden angesetzt, konnte unmöglich schon vorbei sein, wenn alles glatt läuft. Es war dann aber der behandelnde Arzt, der noch etwas mit mir absprechen wollte, weil er den Gatten am Vortag ja nicht sah und auf der Narkoseaufklärung die Info fehlte, dass der Gatte weiß, dass nach Möglichkeit zwei Eingriffe gleichzeitig durchgeführt werden. Damit soll dem Gatten eine weitere Narkose erspart werden, denn die Narkose ist belastend für Hirn, Herz und Nieren. Die OP hatte noch gar nicht begonnen, der Gatte war noch in der Vorbereitung. Kurz vor sechzehn Uhr klingelte das Telefon wieder: Die OP ist gut gelaufen, schneller als gedacht. Es brauchte zahlreiche Blutkonserven, der Kreislauf musste einmal stabilisiert werden, aber das sei alles im Rahmen des Eingriffs, damit habe man gerechnet. In anderthalb Stunden könne ich zum Gatten, der Arzt habe mich schon auf der Intensivstation angemeldet.

Ich machte mich auf einiges gefasst, denn schon nach der im Rückblich vergleichsweise leichten OP im April, der dritten in diesem Jahr, kämpfte der Gatte massiv mit postoperativen Delir, und in den letzten beiden Wochen glitt er ja auch ohne Betäubung immer wieder in Parallelwelten ab. Diesmal war er in noch desolaterem Zustand. Was mich insbesondere beunruhigte: Er redete immer wieder davon, dass er das alles nicht überleben werde, dass er sterben wolle. Das war neu. Ich blieb, bis der Gatte zu Abend gegessen hatte und ruhig schlief, ging dann ganz leise, um ihn nicht zu wecken. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Am kommenden Vormittag durfte ich auf der Intensivstation anrufen und erfuhr, der Gatte sei stabil, man sei zufrieden und verlege ihn im Laufe des Tages auf die Normalstation. Die Verlegung zog sich hin, und so wartete ich auf der Station auf den Gatten, räumte derweil seinen Kleiderschrank und seinen Nachttisch ein, denn er hatte schon wieder ein neues Krankenzimmer.

Der Gatte war kaum ein Stunde auf der Normalstation, als er über Brustschmerzen und Atemnot klagte. Es wurde sofort reagiert. Der behandelnde Arzt wurde im OP angerufen, um die weiteren Maßnahmen zu besprechen: Zwei EKG im Abstand von einer Stunde, Sauerstoff, Bestimmen des Troponin-Wertes, Hinzuziehen eines Kardiologen, ab auf die CPU zur Beobachtung, Herzkatheter. Der Gatte bekam derweil aus reiner Panik Atemnot, sprach immer wieder davon, das alles nicht zu überleben, war völlig damit überfordert, auf die CPU verlegt zu werden. Ich blieb wieder so lange wie möglich bei ihm auf der CPU. Als ich ging, traf ich zufällig auf seinen behandelnden Arzt, der versuchte, mich zu beruhigen. Er ging extra zum Gatten auf die CPU, um sich selbst ein Bild zu verschaffen, und rief später bei mir an, versuchte wieder, mich zu beruhigen. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Donnerstag Vormittag erledigte ich einige Telefonate, informierte u.a. ungeachtet der aktuellen Situation des Gatten den Sozialdienst des Krankenhauses darüber, dass der Gatte ins Anschlussheilverfahren möchte. Der Gatte rief zwei Mal an, was erstaunlich ist, da er sein Taschentelefon nur selten benutzt, weil die Bedienung für ihn zu schwer ist. Er war desorientiert, meinte immer wieder, das alles nicht zu überleben, wollte, dass ich unbedingt zu Besuch komme, aber auf der CPU ist erst ab 14 Uhr Besuchszeit. Da der Gatte telefonieren konnte, sparte ich mir den Anruf auf der CPU, ging davon aus, dass alles in Ordnung ist. 

Kurz nach dem zweiten Telefonat mit dem Gatten rief eine Schwester von der Normalstation an: Ich möge bitte kommen und die Sachen des Gatten abholen, der käme ja nicht mehr wieder. Äh, bitte was?! 

Auf der CPU war telefonisch niemand zu erreichen, da dauerbesetzt, und so fuhr ich ungeachtet der offiziellen Besuchszeiten ins Krankenhaus. Ich sammelte zuerst die Sachen des Gatten ein - logisches Vorgehen war in der Situation nicht mehr so meins. Als mir die Schwester auch noch erklärte, dass ich die Telefonkarte an der Info abgeben müsse, um das Guthaben zurückzubekommen, ging ich endgültig davon aus, dass der Gatte gestorben ist. Ich brachte das ganze Geraffel ins Karlchen und machte mich dann auf zur CPU, wo noch keine Besuchszeit war, wo man mir aber dennoch die Tür öffnete. Ich erfuhr, dass der Gatte lebt und gerade zum Herzkatheter wäre. Das könne dauern, ich könne in der Cafeteria warten. Da wir in Krankenhausnähe wohnen, entschied ich mich, nach Hause zu fahren. Da war ich gerade angekommen, als das Krankenhaus wieder anrief: Der Gatte sei schon wieder auf der CPU, es ging alles schneller als gedacht. Also wieder zurück ins Krankenhaus. Muss ich sagen, dass ich erleichtert war, den Gatten lebend vorzufinden?! Ich bat um ein Arztgespräch, und wir erfuhren, dass der Gatte keinen Herzinfarkt hatte, die Beschwerden vom eskalierenden Blutdruck kamen. Den versucht man nun in den Griff zu bekommen. Der Gatte bekam ein Nitrospray.

Kurze Zeit später stapelten sich die freundliche Dame von der Krankenhausbibliothek samt Bücherwagen und vier Schwester im Zimmer des Gatten. Der Gatte sollte verlegt werden, wollte sich aber partout noch ein Buch aussuchen. Okay, wenn er der Meinung ist, ein Buch lesen zu wollen, hat das mit dem Sterben wohl noch etwas Zeit. Nachdem der Ausleihvorgang und die Patientenübergabe abgeschlossen waren, wurde der Gatte auf eine Normalstation verschoben, ins fünfte Zimmer in drei Tagen. Bis 18 Uhr musste der Gatte noch Bettruhe halten, dann durfte ich ihn nach draußen schieben - was für eine Freude für ihn! Vorher kam noch sein behandelnder Arzt vorbei. Er scheint ganz zufrieden zu sein und unterstützt den Wunsch des Gatten nach einer Anschlussheilbehandlung. Wenn's klappt, geht der Gatte direkt vom Krankenhaus in die Reha. 

Hier gilt seit mittlerweile 280 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Was dem Gatten neben seinen körperlichen Beschwerden zu schaffen macht, ist die Praxis des hiesigen Krankenhauses, dass man nach jedem Eingriff / jeder Untersuchung außerhalb des Zimmers in ein neues Zimmer kommen kann. Der Gatte hatte alleine diese Woche fünf verschiedene Zimmer, die noch nicht mal auf derselben Station waren, sondern in anderen Trakten sind, wo gerade Platz ist. Aktuell liegt er auf der Bauch-Chirurgie. Ich bin gespannt, wann ich ihn im Kreißsaal wiederfinde. 

Abgesehen davon, dass die ständigen Wechsel den Gatten noch verwirrter machen, als er ohnehin schon ist, muss auch jedes Mal sein ganzes Geraffel mit. Inzwischen habe ich einen Koffer im Auto, nehme abends das meiste aus seinem Zimmer mit, weil ich ja nicht weiß, wo er morgens ist. Und jedes Mal verschwindet was vom Geraffel. Das bindet auch ohne Ende Arbeitskräfte. Pflegekräfte müssen das Geraffel packen, Ärzte suchen ihre Patienten, das Essen muss von einer Station auf die andere gebracht werden, ebenso die Medikamente ...

Hygienisch finde ich das auch äußerst bedenklich, denn die Zimmer werden mitnichten vorm Bettenwechsel gereinigt. Kein Wunder, dass der Gatte sich jedes Mal einen Keim einfängt. Ich habe inzwischen eine Magnumflasche Sagrotan an der Frau. Hintergrund des ständigen Zimmerwechsel ist, dass die Station, auf die der Gatte gehört, überfüllt ist (aktuell auch 4 Iso-Fälle - warum wohl?!). Anstatt die Neuzugänge woanders unterzubringen, verlegt man die "Alt-Patienten". Es ist ein Elend. Ich bin gespannt, wo ich den Gatten heute wiederfinde. Immerhin kam er gestern nach einem Ultraschall, zu dem er im Bett geschoben wurde, wieder in sein Zimmer zurück.

Seit gestern Nachmittag steht ein zweiter Nachttisch im aktuellen Zimmer. Auf der dazugehörigen Tablettendose stehen zwei Zimmernummern. Da nach Stunden noch immer kein Bett kam, nur Leute, die nach dem Patienten fragten, irrt der vermutlich samt Bett durchs Krankenhaus. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse