Samstag, 1. Dezember 2018

Ausgelesen: Bücher im November 2018

Nach den ganzen Mallorca-Büchern in den letzten Monaten las ich mich im November quer durch die Krimi-Szene, wahllos, wie üblich.

In den letzten beiden Monaten fand ich immer wieder spannende Krimis in den Bücherregalen meiner Buslinien. Die sind 'ne tolle Einrichtung und werden regelmäßig von Stilbruch, einem Zweite-Hand-Kaufhaus, gefüllt. Man kann auch Bücher in die Regale stellen, aber das mache ich nur selten, denn ich weiß vorab nie, ob ich einen Bücherbus erwische. Meine aussortierten Bücher landen daher meistens im Umsonst-Korb bei uns im Laden.

Ich wünschte, die Bücherregale hätten einen besseren Standort im Bus, denn sie sind zwischen einem Vierersitz angebracht, so dass man gar nicht in Ruhe stöbern kann, wenn der Bus voll oder der Vierer besetzt ist.

Der Lesemonat beginnt mit "Hasentod*" von Angelika Stucke. In einer lauschigen kleinen Ortschaft im Leinebergland, zwischen Harz und Heide, kommt es kurz vor Weihnachten zu einer 'schönen' Bescherung: Kaninchenzüchter Wilhelm Knackstedt stößt beim Bestatten seines Prachtrammlers 'Fritz' auf menschliche Überreste. Es handelt sich um das Skelett eines in den frühen siebziger Jahren aus dem Dorf verschwundenen Mädchens.

Der grausige Fund lässt das Leben der Dorfgemeinschaft nachhaltig aus den Fugen geraten, denn beim Herumschnüffeln findet die ambulant arbeitende Fußpflegerin Kornelia Lorenz heraus, dass viele Menschen ein Motiv gehabt hätten, das Mädchen aus dem Weg zu räumen.

Stucke zeichnet die Charaktere liebevoll und mit Humor. Das war bestimmt nicht mein letztes Buch, das ich von ihr lese.

Lesen am Bahnsteig am 12. November.
Durch "Stoner McTavish*" von Sarah Dreher kämpfte ich mich durch. Die Handlung nahm mich so gar nicht gefangen: Stoner McTavish findet ihr Leben anstrengend und öde. In Boston herrschen Hitze und Monotonie, auf ihrem Schreibtisch herrscht Chaos, und ihre Geschäftspartnerin will Cremespeisen-Automaten ins Büro stellen. Dann bekommt Stoner von ihrer Tante einen schrägen Auftrag – sie soll eine wildfremde Frau beschützen, deren Mann sie in den Rocky Mountains ermorden will. Stoner, die ewig besorgte, schüchterne Romantikerin, ist aber gar keine Heldin … oder?

Auch, wenn ich den Krimi eher langweilig fand, überleg eich, ob ich nicht dem zweiten Band eine Chance gebe, um herauszufinden, wie es mit Stoner und Gwen weitergeht.

Riesig gefreut habe ich mich über den Fund von Paul Hengges Roman "Der Rosengarten*". Es ist nur noch selten antiquarisch zu bekommen, und aus unerfindlichen Gründen habe ich zwar den Film zu Hause, aber nie das Buch gelesen. Es ist Hengges Umsetzung der Geschichte der Kindermorde vom Bullenhuser Damm in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 und der unterbliebenen juristischen Verfolgung der Täter in der Bundesrepublik. Das Buch wurde 1989 als prominent besetztes Gerichtsdrama mit Liv Ullmann, Maximilian Schell, Peter Fonda, Jan Niklas, Hanns Zischler, Gila Almagor und Kurt Hübner von Fons Rademaker verfilmt, fand aber leider kein großes Publikum. Wird Zeit, die alte Videocassette mit dem Film mal wieder hervorkramen.

Der Klappentext von "Das Geheimnis der Menora*" von Lionel Davidson versprach mehr, als das 1966 erschienene Buch hielt: Seit fast zweitausend Jahren gilt die legendäre Menora, der große, siebenarmige Leuchter und das Sinnbild des Judentums, als verschollen. Bis eines Tages ein uraltes Schriftfragment auftaucht, das neue Hinweise auf den möglichen Fundort liefert.

Von der israelischen Regierung beauftragt, macht sich der junge britische Archäologe Caspar Laing sofort auf die Suche nach dem Heiligtum. Aber er ist nicht der Einzige, denn eine Kopie der Schriftrolle ist in die Hände skrupelloser Jordanier gefallen, und auch sie wollen sich um jeden Preis in den Besitz des goldenen Leuchters bringen. Für Laing beginnt ein fieberhafter Wettlauf mit der Zeit.

Ich fand die Handlung ziemlich wirr, mochte weder den Altherrenwitz noch die Herablassung, mit denen Frauen begegnet wird, die, ob sie wollen oder nicht, zum Beschlafen da sind, sofern sie attraktiv genug sind. Sicher, das Buch entspricht dem Zeitgeist der frühen 1960er Jahre, aber das war einfach nicht mein Fall.

Vermutlich war's einfach nicht mein Krimi-Monat, denn mit "Das Gift des Sommers*" von Erin Kelly ging's mir ähnlich. Das Buch beginnt in London im Jahr 1997: Karen ist eine ernsthafte junge Studentin, als sie an der Uni in London der jungen Biba Capel begegnet. Biba ist das genaue Gegenteil von Karen: Glamourös und lebenslustig führt sie zusammen mit ihrem geheimnisvollen Bruder Rex das Leben eines Bohemiens. In ihrem Zuhause, einem alten Londoner Herrenhaus, ist Karen bald ständiger Gast.

Allmählich wird sie immer tiefer in die tragische Familiengeschichte der Geschwister hineingezogen, während sich die Idylle langsam in einen Albtraum verwandelt, der schließlich in einem Mord gipfelt. Erst zehn Jahre später enthüllt sich, was in jener Sommernacht wirklich geschah. Doch das Drama ist noch nicht zu Ende.

Kelly erzählt viel mit Rückblenden, entwickelt die Handlung sehr behäbig, führt viele für die Handlung Figuren überflüssige ein, schafft es am Ende dann aber doch, einzelne Stränge miteinander zu verknüpfen, so dass das letzte Kapitel den Prolog aufgreift und die Auflösung überraschend ist. Dennoch: Tempo hätte dem Buch gut getan. Selten las ich einen Thriller mit so wenig Thrill.

In den letzten Novemberstunden begann ich mit der Lektüre von "Schonzeit vorbei: Über das Leben mit dem alltäglichen Antisemitismus*" von Juna Grossmann, die unter dem Titel "Irgendwie jüdisch" bloggt.

Wie üblich, wenn ich in der Öffentlichkeit eine Publikation lese, die mit jüdischen Themen zu tun hat, ertappte ich mich beim ersten Aufklappen des Buches in der U-Bahn dabei, wie ich es automatisch gleich so klappe, dass der Titel nicht zu sehen ist - dreißigjährige Erfahrung zeigt, dass das Thema Menschen animiert, bei mir ungefragt ihre Erlebnisse mit Juden oder ihre Meinung zu Israel abzuladen oder, auch immer wieder gern genommen, mich christlich zu missionieren.

Schon auf den ersten Seiten, bei Grossmanns Schilderungen ihrer Erlebnisse während der Arbeit im Jüdischen Museum, überwiegt bei mir Sprachlosigkeit. Weiland vor 30 Jahren, als die jüdische Sammlung noch im damaligen Berliner Museum in Kreuzberg untergebracht war, war ein spiegelverkehrt aufgehängter Parochet der Grund, warum ich Hebräisch lernte: Ich begriff, dass ich ohne Sprachkenntnisse nicht wirklich jüdische Geschichte studieren kann, selbst, wenn mein Schwerpunkt auf der Geschichte der deutschen Juden und der Shoah liegt.  Damals dachte ich noch, dass der Parochet falsch hängt, wäre ein Versehen, aber inzwischen frage ich mich, ob es nicht eher Gleichgültigkeit war.

Jedenfalls: Absolute Lese-Empfehlung für "Schonzeit vorbei"!

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