Montag, 3. Dezember 2018

Die Weihnachtsbeleuchtung im Neuen Wall

Hamburger Bündnis
gegen Rechts
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Infos zu den Demonstrationen der demokratischen Mehrheit findest Du u.a. beim Hamburger Bündnis gegen RechtsAktuell ist die Nazi-Demo für Dezember abgesagt, wollen die Blau-Braunen bis Februar 2019 pausieren. Meinswegen könnte die Pause auch gerne länger dauern.


Detail der Weihnachtsbeleuchtung bei Tage.
Viele Hamburgerinnen und Hamburger erwarten jedes Jahr fast schon sehnsüchtig das Einschalten der Weihnachtsbeleuchtung im Neuen Wall. Die charakteristischen, mit Tannengrün geschmückten Bögen mit dem Namenszug "Neuer Wall" sind ein beliebtes Foto-Motiv und sorgen dafür, dass viele Einkaufsbummler schon an der Stadthausbrücke aussteigen, um gen Jungfernstieg zu schlendern.


Neuer Wall, vom Jungfernstieg aus gesehen.
Die Weihnachtsbeleuchtung im Neuen Wall wird zum ersten Mal 1926 eingeschaltet. Es ist die erste in Hamburg. Vielleicht ist es sogar die erste in Deutschland. Die Ladeninhaber plagen damals ähnliche Sorgen wie die Ladeninhaber heute: In der dunklen Jahreszeit, wenn's womöglich auch noch regnet, stürmt oder schneit, kommen zu wenig Menschen in die Stadt, um einzukaufen.


Herzbögen und Diskokugeln prägen seit etwa zehn Jahren die Weihnachtsbeleuchtung am Neuen Wall
Die Inhaber zweier Modehäuser am Neuen Wall haben die rettende Idee: Eine einheitliche, festliche Beleuchtung der gesamten Straße und stimmungsvoll dekorierte Schaufenster sollen Kauflustige anlocken! Fast alle Ladeninhaber schließen sich der Idee an. Die Erfinder der Weihnachtsbeleuchtung sind die Brüder Benno und Isidor Hirschfeld sowie die Brüder Max und Leo Robinsohn.


Blick Richtung Jungfernstieg.
Das Modehaus der Hirschfelds gibt es seit 1893 am Neuen Wall, das der Robinsohns öffnete direkt gegenüber ein Jahr früher seine Türen. Beide Häuser haben deutschlandweit viele Filialen, einige hundert Mitarbeiter und einen ausgezeichneten Ruf.

Sowohl die Hirschfelds als auch die Robinsohns sind Juden. Mit Machtübernahme der Nationalsozialisten unterliegen sie und ihre Familien den NS-Rassegesetzen. Während des Novemberpogroms 1938 werden die Geschäfte zerstört und geplündert, werden der 75jährige Max und der 70jährige Leo Robinsohn unter dem Vorwurf der sogenannten "Rassenschande" verhaftet. Beide werden nach einigen Monaten aus der Haft entlassen. Ein halbes Jahr später, am 30. März 1939, werden die Robinsohns enteignet, ihr Betrieb "arisiert", wie es im NS-Amtsdeutsch heißt.


Stolpersteine für Benno Hirschfeld und seinen Sohn Hans. 
Mit den Hirschfelds wird ähnlich verfahren: Auch ihre Geschäfte werden im Novemberpogrom zerstört und geplündert. Der 59jährige Benno Hirschfeld wird verhaftet, erleidet zwei Herzinfarkte, bevor es seinem Sohn Hans mit Hilfe von Anwälten gelingt, ihn freizubekommen. Der gesamte Besitz der Hirschfelds wird enteignet. Das Hamburger Modehaus übernimmt Franz Fahning, der es unter seinem Namen weiterführte und 1989 stolz 50jähriges Bestehen feiert. An die jüdischen Vorbesitzer soll nichts erinnern. 


Das Relief am ehemaligen Modehaus Hirschfeld erinnert noch an die Übernahme durch Franz Fahning im Jahre 1939.
Im Mai 1943 wird Benno Hirschfeld nach Auschwitz deportiert, von dort im Januar 1945 nach Buchenwald, wo sich seine Spur verliert. Er wird für tot erklärt, als Todesdatum gilt der 10. April 1945. Sein zweiter Sohn Kurt wird als 22jähriger im Oktober 1944 ins KZ Neuengamme deportiert, wo er am 22. Januar 1945 stirbt.


Die Initiatoren der Weihnachtsbeleuchtung sind ab 1933 nicht mehr erwünscht, werden verfolgt und ermordet. Die Weihnachtsbeleuchtung allerdings bleibt. Erst 1939, im Zweiten Weltkrieg, gehen die Lichter am Neuen Wall aus. Aber schon zehn Jahre später, im Advent 1949, gehen sie wieder an, probeweise. Ein Jahr später wird die Weihnachtsbeleuchtung auch wieder offiziell eingeschaltet, aufgrund der Kohleknappheit vorerst nur während der Geschäftszeiten.


Gedenktafel für die Gebrüder Hirschfeld und ihr Modehaus.
An die Hirschfelds und ihr Modehaus erinnern heute zwei Stolpersteine und eine Gedenktafel. Eine Gedenktafel für das Modehaus Robinsohn ist zurzeit aufgrund von Bauarbeiten entfernt. Ich hoffe, sie wird nach Abschluss wieder angebracht - man weiß ja nie. 

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