Montag, 6. Mai 2019

Lesung von Juna Grossmann ("Schonzeit vorbei") in der Buchhandlung Felix Jud

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell phantasiert das blaubraune Pack darüber, durch Hamburg zu marschieren, schaffte es aber schon nicht, zu den letzten angemeldeten Kundgebungen überhaupt zu erscheinen. Angesichts der NS-Aufmärsche in der letzten Woche in Plauen und anderen sächsischen Orten bin ich sehr dankbar, in einer Stadt zu leben, die stabil ist, aber ich weiß, der Lack der Zivilisation ist dünn. 


Blick auf die Buchhandlung Felix Jud im Neuen Wall.
Seit fast 100 Jahren gibt es in Hamburg die Buchhandlung Felix Jud & Co.. Das Geschäft in der Mellin-Passage (übrigens die älteste erhaltene Einkaufspassage der Stadt) ist eine Institution und für manche die schönste Buchhandlung Hamburgs.

1923 gründet der 24jährige Felix Jud die "Hamburger Bücherstube" in den nahegelegenen Colonnaden - "allen Verhältnissen zum Trotz", denn es sind wirtschaftlich schlechte Zeiten. Zehn Jahre später werden es es auch politisch schlechte Zeiten, vor allem für wache, kritische Geister, und wenn sie dann auch noch den Nachnamen "Jud" tragen, wird's nochmal schwieriger.

Felix Jud trotzt erneut den Verhältnissen und weigert sich, seinen Nachnamen zu ändern - nicht im Stillen, sondern öffentlich: Ein Schaufenster wird mit einer Stürmerkarikatur mit dem Schriftzug "Jud bleibt Jud" dekoriert. Dazu kommen Photographien des Säuglings Felix Jud auf einem Eisbärenfell, als Konfirmant und als erwachsener Mann, ebenfalls kommentiert mit dem Schriftzug "Jud bleibt Jud" - und quer dazu ein Waschbrett mit dem Werbeslogan "Persil bleibt Persil". 

Im Mai 1933 verbrennen die Nazis Bücher ihnen unliebsamer Autorinnen und Autoren. Jud, der neben den klassischen Werken vor allem die neue deutsche Literatur schätzt, muss das Herz geblutet haben. 

Wieder kommentiert die Schaufenster-Dekoration das Geschehen: Jud stellt diverse Bände des Buches "Heitere Tage mit braunen Menschen*" von Richard Katz aus. Katz' Bücher werden übrigens ebenfalls verbrannt; er selbst überlebt im Exil (hier geht's zur Übersicht zu den Terminen, an denen rund um den 10. Mai an den 86. Jahrestag der Bücherverbrennung erinnert wird).

Jud belässt es aber nicht bei Schaufenster-Dekorationen: Er verkauft unter der Hand verbotene Literatur, macht die Leser miteinander bekannt, veranstaltet Lesungen und hält engen Kontakt zu verschiedenen Widerstandsgruppen, darunter die Hamburger Weiße Rose mit ihrem Musenkabinett.

Aufgrund seines Widerstands gegen das NS-Regime wird Jud im Dezember 1943 verhaftet, kommt über das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in das KZ Neuengamme, wird im Rahmen der Prozesse gegen die Hamburger Weiße Rose angeklagt und am 19. April 1945 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Anfang Mai, als die Briten Hamburg erreichen, wird Felix Jud befreit. Der couragierte Buchhändler stirbt 1985 im Alter von 86 Jahren. Seine Buchhandlung und eine Straße in Neuallermöhe erinnern bis heute an ihn.

Am kommenden Montag, 13. Mai 2019, um 19 Uhr stellt Juna Grossmann ihr Buch "Schonzeit vorbei*" in der Buchhandlung Felix Jud vor. Details zur Veranstaltung gibt es hier. Eine Anmeldung ist erforderlich (und dabei kannst Du dann auch gleich Dein signiertes Buch bestellen, falls Du meiner Lese-Empfehlung noch nicht gefolgt bist). Also: Anmelden und hin da, zack, zack!

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