Samstag, 27. November 2021

Samstagsplausch KW 47/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten LXXXIX

In dieser Woche wurde ich nicht täglich mit den Corona-Inzidenzen geweckt, denn wir waren fünf Tage an der Ostsee. Der Gatte hatte mir einen Wellnessurlaub geschenkt, und den traten wir nun an. Ich zögerte lange angesichts der steigenden Infektionszahlen, aber jedes Mal, wenn ich das Thema Verschiebung ansprach, war klar, dass das den Gatten mehr treffen würde als mich. 

Möwe vor Deich.

Passend zu unserem Reisetermin führte Schleswig-Holstein 2G ein, was einigermaßen sicher sein sollte, aber dennoch war's mir oft komisch. Am Frühstücksbüfett war mir zu viel Gedränge, also Maske. Bei Massagen kann kein Abstand gehalten werden, zudem sind die Räume fensterlos mit abgeschalteten Lüftern, und wenn Fenster da sind, sind die geschlossen. Also Maske, auch wenn ein Masseur da sehr komischen fand: "Sie atmen doch nach unten, wenn Sie liegen." Ähm, ja, schon, aber daran halten sich die Aerosole nur bedingt. Und abends direkt an der Bar war's mir auch zu kuschelig. 

Spatzen in Pampasgras.

Außerdem heißt 2G nicht, dass alle Angestellten geimpft sind, denn die können sich auch mit Tests behelfen, zumindest bis zu einem Impftermin. Im Hotel waren sehr viele Sachsen und Schwaben, und angesichts der niedrigen Impfquoten dort macht mich das automatisch misstrauisch. Beim Einchecken wurde zwar der Impfstatus geprüft, aber so ein Nachweis lässt sich ja leicht fälschen. Na ja, und wer beruflich im Hotel ist, wie die zahlreichen Soldaten, die dort tagten, für den gilt 2G eh nicht, denn wenn man beruflich unterwegs ist, verbreitet sich Corona nicht. 

Spatz im Pampasgras.

Von Corona mal abgesehen, war der Urlaub aber sehr erholsam. Es war tatsächlich der erste Urlaub seit Februar 2017, in dem ich mich nicht um den kranken Gatten kümmern musste. Es tat uns beiden gut, uns mal wieder angemessen anzuziehen, abends im Anzug und im kleinen Schwarzen unterwegs zu sein. Okay, im Vergleich zu anderen Gästen waren wir absolut overdressed, aber ich schlappe selbst als Stammgast im Vier-Sterne-Hotel nicht in Schlafanzug und Puschen ans Büfett, selbst, wenn der Schlafanzug als Lounge Wear verkauft wird und die Puschen als Comfy Boots, also gehörten wir zu den wenigen, die angemessen angezogen waren. 

Das Hotel verfügte über einen großen Wellnessbereich mit zwei Pools, diversen Saunen, Kraftraum und Fitnessstudio, so dass wir es kaum verließen. Der Gatte erkundete einmal das Gelände, einmal waren wir an der Glühweinbude für ein bisschen Weihnachtsmarkt-Feeling, und einmal machten wir einen kleinen Spaziergang. Wir kennen die Gegend, und natürlich dachte ich daran, dass wir früher mal eben mühelos die sieben Kilometer von Hohwacht nach Weißenhäuser Strand und zurück liefen, während es jetzt schwerfällt, einen Kilometer zu gehen. Aber es ist gut so, wie es ist. Ich bin dankbar. 

Es klappte sogar zwei Tage lang, mich nicht um Mudderns zu kümmern, nicht mehrmals täglich von ihr angerufen zu werden. Am dritten musste ich allerdings einen Impftermin für sie organisieren, weil sie nicht ohne Termin an einer Impfstelle anstehen will. Das kann ich gut verstehen, nur wenn's da gerade ganz leer ist, wenn sie da vorbei geht, so wie vorgestern, könnte sie doch mal eben rein ... Aber nein, da hatte sie ihre Unterlagen nicht mit. 

Also zerschießt Mudderns mal wieder meinen eng getakteten Zeitplan. An einem der nächsten Wochenenden fahre ich morgens den Gatten zum Rehasport, warte, bis er fertig ist, gucke, dass er sich irgendwie ausruht, denn anschließend geht's für ihn gleich weiter zum Impfen, bringe ihn nach Hause, gucke, dass er versorgt ist, fahre dann zum Testzentrum, damit ich am kommenden Tag Mudderns zum Impfen begleiten kann (was an dem Tag alleine schon über 100 km zu fahren sind). Als ich ihr sagte, dass das ein anstrengendes Wochenende für mich wird, dass ich die Kraft dafür nicht habe, entgegnete sie, ich täte ja sonst nichts für sie, da könne ich mich ja mal anstrengen. Ja, nee, is klaa. Ich hätte nicht wenig Lust, tatsächlich mal nichts zu tun. Es ist eigentlich egal, ob ich mich kümmere oder nicht, denn ich werde ohnehin als schlechte Tochter dargestellt. Das ist schon so, seit ich denken kann, ich bin es gewohnt, aber gelegentlich wird's einfach zu viel. 

Mudderns Garten ist wieder einigermaßen in Form. Er sieht jetzt sehr kahl aus, aber sie sagt, sie ist zufrieden. Ich fände es schön, wenn ein paar Farbtupfer gesetzt würden, aber sie lehnt das ab, weil sie ja ohnehin nicht in den Garten geht oder aus den Fenstern dort guckt. Schade, aber wenn sie nicht will, ist das eben so. Der Garten könnte ansonsten sehr schön sein, mit sonnigen Sitzplätzen, aber sie will halt nicht. Die Nachbarn, die den Garten ohne Erlaubnis rodeten und Mudderns verklagen wollen, weil sie sich weigert, dafür zu zahlen bzw. weil Muddern Bäume in den Nachbargarten wurzeln, haben sich noch nicht gerührt. Mudderns sprach inzwischen mit einem Anwalt für Baurecht, der ihr zum Abwarten riet. Nun gut, soll sein. 

Hier gilt seit mittlerweile 89 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Seitdem wir alle geimpft sind, fuhren wir die sozialen Kontakte kurzzeitig wieder hoch. Angesichts der aktuellen Zahlen fahren wir sie aber wieder runter.

Wieder im Heimbüro, erwartete mich eine eMail, dass wir verstärkt zu Hause arbeiten sollen, um Kontakte zu reduzieren, auch im ÖPNV. Ich bin also künftig wieder nur einen Tag im Büro bzw. im Laden und nutze dafür das Auto. Parken kostet zwar ein Vermögen, aber momentan fühle ich mich im Auto wohler als in vollen Bussen. Erstaunlicherweise bleibt unser Laden geöffnet, dabei wären viele von uns schon lange froh, wenn wir auf Click & Collect umstellten. Unsere Chefs haben jetzt zusätzlich Spaß mit neuen Formularen, müssen den Impfstatus erfassen, bei Ungeimpften täglich Tests überprüfen. Bei uns ist das Team klein und, nachdem unser Azubi zur nächsten Station wechselte, komplett durchgeimpft, zum Teil auch schon geboostert, aber in größeren Teams wird das anstrengend. 

Der Gatte war heute das erste Mal beim Rehasport, wurde gut aufgenommen, scheint in einer netten Gruppe zu sein und war nach einer Stunde fix und alle, aber total stolz, es geschafft zu haben. "Die machen da viel für's Gleichgewicht, Schultern und Nacken, so was, was du mit mir in Dänemark gemacht hast." Ach, sach bloß, da lag ich richtig mit meinen Sturzprophylaxe-Übungen. Der Kurs ist sehr früh, weswegen es auch einfach war, einen Platz zu bekommen, und da der Gatte noch zu schwach ist, um selbst zu fahren oder mit dem Bus, fahre ich ihn. In der Wartezeit gehe ich spazieren. In der Nähe ist ein sehr guter Bäcker, also ist für anschließende Frühstück gesorgt. Für den Gatten ist es psychisch schwierig zu realisieren, wie schwach er ist, denn vor nicht all zu langer Zeit machte er ja noch Krafttraining. Aber er ist wieder stabil genug für Sport. Es geht also aufwärts.

Ansonsten macht uns die aktuelle Corona-Politik bzw. das völlige Fehlen selbiger einmal mehr wütend. Ich hatte gehofft, mit der neuen Regierung zöge Kompetenz ins Gesundheitsministerium ein, aber einmal zeigt sich, Kompetenz ist hinderlich. Warum sollte man einen Epidemiologien zum Minister berufen, wenn man auch eine Juristin haben kann?! Vor notwendigen, aber unbequemen Entscheidungen wie Impfpflicht oder endlich mal einen Lockdown drückt man sich weiter hartnäckig. Wir gehen jetzt ins dritte Corona-Jahr, und es wird sicher nicht das letzte sein. Meine Toleranz ist einmal mehr mehr als erschöpft.

Es gibt so viele Déjà-vus, dass ich mich wie in einer Zeitschleife fühle. Da gibt es eine neue Corona-Mutante, aber Reiserückkehrer werden nicht wirklich erfasst, müssen nicht direkt am Flughafen in Quarantäne, sondern können weiterreisen. Da wird zur Impfung und zum Boostern aufgerufen, aber wieder mal gibt es nicht genug Impfstoff. Aus Angst, dass unsere Booster-Termine wegen fehlenden Impfstoffes abgesagt werden, habe ich zwei Termine bei der staatlichen Impfstelle blockiert, denn dort soll es keine Impfstoff-Rationierung geben. Ich fühle mich schlecht, weil ich zwei Termine blockiere, die jemand anderes braucht, aber ich weiß ich auch nicht, was ich sonst machen soll (außer zu warten, bis es irgendwann mal wieder ausreichend Impfstoff gibt). Da dürfen Fußballspiele vor vollen Zuschauerrängen stattfinden, weil die Infektionszahlen ja noch nicht hoch genug sind. Da wird auf Eigenverantwortung gesetzt, weil das ja in den letzten Monaten so gut klappte. Da wird geduldig gewartet, bis eine unvernünftige, unsolidarische, unmoralische Minderheit vielleicht doch noch zur Einsicht kommt, anstatt eine vernünftige Mehrheit endlich ernst zunehmen und zu schützen. 

Bei uns fiel immer noch keine Entscheidung über die anstehende Bayern-Reise. Ich fände es vernünftiger, zu Hause zu bleiben, weniger wegen einer möglichen Corona-Infektion als wegen des herzkranken Gatten, für den es im Notfall kein Bett gäbe. Gedanken an einen möglichen Autounfall schiebe ich ohnehin beiseite. Wir sind alt und vorerkrankt, wir sind bei jeder Triage raus. 

So bereiten wir uns sowohl auf Weihnachten bei Tante als auch auf Weihnachten daheim vor. Durch das letzte Weihnachten bin ich ja Improvisieren gewohnt. Es gäbe die Option, bei Schwiegermutter in der Seniorenwohnanlage im Restaurant zu essen, aber da wird pandemiebedingt gerade wieder eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt, nachdem man sich gerade wieder vorsichtig für Besucher öffnete. So fällt morgen der Weihnachtsmarkt aus (was vor allem für die Bewohner, die nicht mobil sind, traurig ist, aber wir freuten uns auch darauf), fallen auch andere Veranstaltungen aus. Obwohl die Anlage sehr umsichtig ist, gibt es einen Corona-Fall. Noch sind aber Besuche unter 2G möglich (und angesichts unseres Urlaubs diese Woche testen wir uns natürlich, bevor wir Schwiegermutter besuchen). 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

1 Kommentar:

  1. Immerhin: Die Impfpflicht kommt. Natürlich wird es nun diejenigen geben, die sagen, die Politiker:innen hätten ihr Versprechen gebrochen. Ein Versprechen allerdings, das sie niemals hätten geben dürfen zu einer Zeit, als die weitere Entwicklung noch gar nicht absehbar war. Die Einsicht kam spät, aber sie kam.

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