Samstag, 10. März 2018

Samstagsplausch KW10/18: Ist hier irgendwo Land in Sicht?

In dieser Woche bekam Mudderns zum ersten Mal Besuch vom Pflegedienst. Da sie ja nicht pflegebedürftig ist, nenne ich die Dame, die sich um die kümmert, ihre Gesellschafterin. Die heißt D. ist und anscheinend recht plietsch. Jedenfalls kommt sie gut mit Mudderns zurecht, und ein Telefonat mit ihr am Freitag zeigte, dass sie auch Mudderns Spielchen durchschaut.

Besonders berührt hat mich D.s Aussage, ich solle mir keine Sorgen machen, ich könne so oft kommen, wie ich wolle, es wäre für meine Mutter doch nicht genug. Das ist so, das ist seit Jahrzehnten so, das war schon so, als mein Vater noch lebte: Den Ansprüchen meiner Eltern kann ich einfach nicht genügen. Es ist nur selten, dass es jemand so klar ausspricht (und so schnell schon merkt).

Erleichtert war ich über D.s Feststellung, Mudderns sei mit Abstand die fitteste Seniorin, die sie betreue, und relativ klar im Kopf. Das hört sich erst mal nicht nach Demenz an. Der Pflegedienst wird außerdem Kontakt mit dem Medizinischen Dienst aufnehmen, damit eine erneute Begutachtung stattfindet. Die Pflegeleitung macht sich in der kommenden Woche selbst ein Bild, aber schon nach D.s Einschätzung steht Mudderns eine Pflegestufe zu, alleine schon, weil sie ihren Haushalt trotz Putzhilfe nicht im Griff hat.

D. schaffte diese Woche über viel, was ich im letzten Jahr vergeblich versuchte. So steht Mudderns Rollator endlich im Vorgarten, hat eine Haube und ein Schloss. Sie achtet darauf, dass Mudderns regelmäßig isst und ihre Tabletten nimmt, weil sie schnell durchschaute, dass Mudderns bei beidem trickst. D. ist außerdem bei Arztbesuchen dabei, auch im Sprechzimmer, so dass ich dann auch verlässlich weiß, was gesundheitlich bei Mudderns Sache ist.

Als ich Montag Nachmittag mit Mudderns telefonierte, guckte sie Nachrichten, was sie seit Wochen nicht tat. Dienstag war ihre Stimme schon kräftiger. Nichts desto trotz verlangte sie, dass ich Mittwoch der Arbeit fern bleibe und zu ihr komme, damit sie nicht alleine ist, weil D. mittwochs frei hat. Ich weigerte mich. Natürlich ging ich auch in Teilzeit, um mehr Zeit für Mudderns zu haben, aber ich muss ja wenigstens vorher mit Chefinnen und Kolleginnen sprechen, kann nicht einfach fehlen.

Mudderns drohte, dann einfach im Bett liegen zu bleiben, bis D. am Donnerstag wiederkomme. Ich blieb gelassen und sagte, das wäre dann halt ihre Entscheidung, aber natürlich machte ich mir Gedanken. Wie's dann so ist, wenn ich Mudderns Spielchen nicht mitspiele: Sie stand dann doch auf. Geht doch!

Donnerstag bekam Mudderns dann endlich ein Antidepressivum gegen ihre Angstzustände verordnet (da schlug ich ihr schon lange vor, vergeblich). Mudderns ist schon seit Jahrzehnten depressiv, aber ihre Strategie ist, sich in Krankheiten und Ausreden zu flüchten - ist eben weniger anstrengend, als die Depression zu bekämpfen. Das Leben kann halt so schön beschissen sein, wenn man sich bloß Mühe gibt!

Freitag Morgen um halb neun nahm sie die erste Tablette, und ab halb zehn war sie für drei Stunden alleine samt Rollator unterwegs: Bankgeschäfte erledigen, Kaffee trinken, im Gemeindehaus vorbeischauen ...

Bei jedem anderen braucht so'n Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bummelig zwei Wochen, bis er wirkt. Bei Mudderns geht's binnen einer Stunde. So'n Placebo-Effekt ist schon cool. Ich hoffe inständig, sie liest den Beipackzettel nicht, aber wie ich Mudderns kenne, hoffe ich vergeblich. Ich bin daher gespannt, wie lange sie die Happy Pills nimmt.

Heute war ich dann bei Mudderns, damit sie mir sämtliche Vollmachten erteilt, ich mit dem Medizinischen Dienst sprechen kann, im größten Notfall irgendwann mal eine Vormundschaft ausüben kann etc. Der Besuch war sehr kräftezehrend, auch wegen unzähliger Vorwürfe. So bin ich u.a. Schuld daran, dass sie im letzten Jahr keine Pflegestufe bekam, weil ich gegenüber dem Medizinischen Dienst gesagt hätte, ich käme jede Woche zwei Stunden, aber ich wäre ja nie gekommen.

Ja, nee, is klaa.

Nach drei Stunden in zutiefst negativer Atmosphäre, Nörgeleien über alles und jeden, war ich fix und fertig. Ich hatte vorher mit Mudderns abgemacht, dass ich drei Stunden bleibe, aber das war natürlich nicht genug. Ich zog dann die Reißleine, schaffte es mit letzter Kraft nach Hause und fiel dem Gatten heulend in die Arme.

Ansonsten hat Mudderns jetzt einen Plan bis Ende April, aus dem sie sieht, wann ich wo arbeite, wann ich abends mit ihr telefoniere und wann nicht, weil ich beim Sport bin, wann ich sie wie lange besuche, wann ich eine Woche im Krankenhaus bin und wann eine Woche in Dänemark.

Ich habe heute auch einfach einen Tisch für das Osterbrunch reserviert, wie jedes Jahr, obwohl Mudderns sich mit Händen und Füßen wehrte. Der Gatte und ich holen sie ab, damit sie nicht wie sonst alleine in Lokal gehen muss, und wenn sie nicht mit will, gehen wir alleine. Wenn sie sich das Leben unbedingt beschissen machen will, soll sie.

Nächste Woche kommt der Gatte mit zu Mudderns und macht das, worauf ich mich heute freute, was aber mit Mudderns nicht möglich war: Er bummelt über den Wochenmarkt und erledigt unseren Einkauf. Ich fahre mit Mudderns derweil zum Friedhof, Vadderns besuchen, der 98 wird. Nach drei Stunden fahren der Gatte und ich wieder nach Hause, und ich kann ins Bett fallen, muss nicht noch mal los, um mit dem Gatten einzukaufen.

In dieser Woche informierte ich auch meine Kolleginnen und die junge Chefin (ich habe zwei, die andere wird in zwei Monaten pensioniert) über die Situation bei Mudderns. Ich bekam viel Verständnis, Rückhalt und das Angebot, notfalls Homeoffice zu machen. Der Stellenwechsel war wirklich eine gute Entscheidung!

Schön war, dass ich diese Woche endlich meinen Kindle, den der Gatte mir zum Hochzeitstag schenkte, einrichten konnte. Dazu brauchte ich wlan, das wir zu Hause nicht haben, weil es alle PCs zum Absturz bringt. Heute kam dann auch noch die Hülle dafür* an - sie ist wunderschön.

Ich schaffte es heute außerdem, bei Ariadne vorzuschauen, Wolle zu tauschen und Knöpfe für eine Strickjacke zu kaufen. Die kann ich dann nächste Woche endlich tragen. Fehlt nur noch der Knopf für eine Filztasche, die seit Herbst auf Fertigstellung wartet ... Den werde ich wohl selbermachen, finde nichts Passendes.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch eine gute Woche und ein schönes Wochenende!

2 Kommentare:

  1. Das ist echt lustig .... Ich habe schön gelacht...
    Das Schlüsselwort heisst Abstand !!
    Eher emotional als örtlich.
    Ein Tag im Bett? soll man das wirklich als "Drohung" deuten?
    Mach doch! Andere können sowas nicht.
    Als mittlerweile emotional Abgenabelte gehe Ich auf solche Spielchen nicht mehr ein.
    Nur weil man direkt verwandt ist muss man sich nicht permanent erpressen lassen.
    Man hat sein eigenes Leben. Das muss!! akzeptiert werden.
    Und das muss man bei recht herrscherischen energischen Müttern auch mal mit der Holzhammermethode beibringen.
    Gruss und Kopf hoch...
    Anja

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  2. Oh je. Lass dich nicht einspannen. Frau D. scheint kompetent genug zu sein. Du bist die Tochter, nicht die Pflegerin. Und vielleicht gehst du ja nächstes Mal nur noch eine Stunde auf Besuch und trinkst nachher gemütlich Kaffee zur Erholung, bevor du weinend nach Hause kommst. Liebe Grüsse von Regula

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.