Samstag, 3. März 2018

Samstagsplausch KW 09/18: Orlando furioso

Gestern Abend verbrachte ich einen wunderbaren Abend in der Kammeroper, und das war eine Wohltat für die Seele. Es gab "Orlando furioso", eine Barockoper von Vivaldi.

Die Handlung ist ein wenig verworren: Bradamante und Angelica gelangen auf die Insel der Zauberin Alcina. Orlando ist in Angelica verliebt, doch da diese wiederum Medoro liebt, bittet sie Alcina um Hilfe. Alcina verspricht, die beiden Liebenden mit ihrer Zauberkraft wieder zusammenzubringen, und will für sich nebenbei Ruggiero, den Geliebten der Bradamante, durch einen Zauber als Liebhaber erobern. Bradamante weiß aber schließlich den Zauber Alcinas zu brechen.

Orlandos Versuche, gegen Alcinas Kräfte anzugehen, schlagen zunächst fehl: als er von der Hochzeit von Angelica und Medoro erfährt, verfällt er dem Wahnsinn. In seiner Verwirrung zerstört er eine Statue des Zauberers Merlin, wodurch er unbeabsichtigt Alcinas Macht bricht. Er erkennt, dass wahre Liebe nur zu erreichen ist, wenn man dem Liebeswahn entsagt. (Quelle: Wikipedia)

Kostüme und Bühnenbild sind einfach grandios, ebenso wie die Sängerinnen und Sänger. Bevor ich viele Worte verliere, empfehle ich Dir den Trailer:



Nach der Pause gewann die Handlung deutlich an Tempo und verzauberte dann auch Schwiegermutter, die mich begleitete. Erfüllt und verzaubert von opulenten Bildern, wunderbarer Musik, gutem Essen und Wein ging's dann ins Wochenende.

Ansonsten: Letzten Sonnabend hoffte ich noch, ich könne die Woche über in Ruhe meine vereiterten Mandeln auskurieren, viel schlafen, und, wenn's mir besser geht, vielleicht ein bisschen aufräumen, endlich mal die verlegten Passbilder suchen und ein paar Beiträge für die Blogs vorbereiten.

Und dann drehte Mudderns komplett ab. Sie beschloss schon seit ein paar Tagen, nicht mehr laufen zu können. Der Hausarzt schickte sie zum Neurologen und zum Physiotherapeuten. Beides lehnte sie ab. Anders als beim Schlaganfall vor einem Jahr versagten ihr nicht die Beine, sondern sie fand, sie könne nicht mehr gut genug laufen. Sonntag schließlich rief sie den Notarzt, der sie angesichts ihres Schlaganfalls vor einem Jahr sofort ins Krankenhaus brachte.

Mir selbst ging's total dreckig, ich war nicht in der Lage, ins Auto zu springen und zu ihr zu fahren, der Gatte war nicht da, und überhaupt, mit 'ner Streptokokken-Infektion ins Krankenhaus zu fahren, ist vermutlich nicht die beste Idee, sonst hätte ich mir ein Taxi gerufen.

Eine Stunde nach Mudderns Abtransport rief ich im Krankenhaus an. Dort wurde mir gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen, Mudderns säße quietschfidel in der Wartezone und unterhalte da die ganze Notaufnahme. Einen Schlaganfall habe sie ganz sicher nicht, aber sie wolle auch nicht nach Hause, weil sie dort alleine sei. Man behalte sie über Nacht da, auch, wenn die Notaufnahme voll sei, und ich solle samt Streptokokken bitte schön zu Hause bleiben.

Kaum hatte ich aufgelegt, rief Mudderns an und gab durch, was ich ihr bitte sofort ins Krankenhaus bringen solle, denn sie sei krank und bliebe erst mal dort, bis sie in eine Reha käme.

Ähm, ja, nee, is klaa.

Die folgenden Tage waren unwahrscheinlich kräftezehrend. Ich hätte dringend Ruhe gebraucht, war aber völlig fertig durch Mudderns Anrufe, sie sei sterbenskrank, und ihre Ansprüche, ich solle sie sofort besuchen. In solchen Situationen vertraue ich auf die Aussagen der Ärzte und Schwestern - ich wuchs mit zwei Elternteilen auf, die es toll fanden, krank zu sein, weil sich dann gefälligst alle um sie zu kümmern haben, und habe gelernt, mich besser an die Fachkräfte zu halten.

Die Schwestern beruhigten mich immer wieder, Mudderns sei gesund, ich solle bitte zusehen, dass ich das auch werde, sie behielten sie erst mal da, auch, damit der Neurologe sie noch mal in Ruhe untersuchen kann, um Parkinson auszuschließen.

Mittwoch war ich dann so weit wiederhergestellt, dass ich ins Krankenhaus fahren konnte, wo mir die Schwestern fast um den Hals fielen, weil: "Wir wissen nicht mehr, was wir mit Ihrer Mutter machen sollen. Sie ist kerngesund, will aber nicht nach Hause, weil sie dort alleine ist. Wir können ihr hier aber nicht helfen, weil sie gesund ist." Donnerstag bekam ich Mudderns dann endlich aus dem Krankenhaus nach Hause.

Dazwischen lagen viele Gespräche und Telefonate mit dem Sozialdienst, der Seniorenbeautragten, einer Tagespflegeeinrichtung, einer Seniorenwohneinrichtung und einem Pflegedienst - plus endlose Diskussionen mit Mudderns, die insistierte, sie wolle in eine Reha oder in Betreutes Wohnen, nee, doch nicht, sondern lieber zu Hause bleiben, wo man sie besuchen solle, damit sie nicht alleine ist, nein, Besuch will sie doch nicht, weil Besuch generell blöd ist, lieber will sie in die Reha und überhaupt, sie sei doch gesund, nur alleine, sie wolle öfter Besuch bekommen, nur seien alle Leute, die sie besuchen, blöd ... Sämtliche Freizeitaktivitäten von Kirche, Partei oder AWO fallen im übrigen auch aus, weil Mudderns die Termine oder die Leute nicht passen oder alle Aktivitäten schlichtweg doof sind.

Irgendwann verlor ich die Geduld. Mudderns wird nächste Woche drei Mal von Mitarbeiterinnen eines Pflegedienstes besucht, die ihr im Haushalt helfen oder mit ihr spazieren gehen oder was auch immer, basta. Dann sehen wir weiter. Ein Termin in einer Seniorenwohnanlage, in der gerade eine Wohnung frei wäre, steht an, bei einer Tagespflege steht sie auf der Warteliste. Gott sei Dank ist Geld das letzte, um das wir uns momentan Gedanken machen müssen, denn da Mudderns ihren Haushalt alleine führen kann, bekommt sie keine Pflegestufe, muss alles privat finanziert werden.

Nebenbei frage ich mich, wo die Grenzen zwischen Exzentrik, Depression und Demenz verlaufen, und bin dankbar für die netten Menschen, die ich in den letzten Tagen traf, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen (und für das geduldige Personal des Krankenhauses).

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!

11 Kommentare:

  1. Oh je keine leichte Aufgabe die da zu bewältigen ist!
    Exzentrik, Depression und Demenz, schließt sich nicht grundsätzlich gegeneinander aus, was die Sache vermutlich nicht einfacher macht.Ein exzentrischer Mensch wird es auch im Alter bleiben ob nun mit oder ohne Demenz.Ich denke helfen kann hier nur der Paukenschlag, das wäre die Wohnanlage,aaaaber da ist Muddern auch nicht zwangsläufig "beschäftigt".Ich glaube Deine Mutter gehört genau zu den Menschen die es einfach hassen alt zu sein.Deswegen benimmt sie sich, sorry das ist salopp ausgedrückt, wie ne Wildsau;-) sie wütet und schlägt um sich.Du kannst ihr diese Ohnmacht nicht nehmen , Du kannst nur trösten und entsprechend handeln. Ich hoffe Du bist jetzt nicht sauer auf mich wegen meiner Formulierumg*seufz Ich wünsche Dir viel Kraft und positive Energie,Petra

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    1. Liebe Petra,

      dass sie in der Wohnanlage nicht zwangsläufig beschäftigt ist, sieht sie inzwischen auch, deswegen will sie aktuell mal wieder zu Hause bleiben. Hinzu kommt, dass sie in der einzigen Anlage, die in Frage käme, auf Nachbarn trifft, mit denen sie sich erbittert stritt, bevor sie umzogen ...

      Generell ist es wie immer: Mudderns weiß, dass sie selbst etwas tun muss, um ihre Situation zu ändern. Das ist unbequem, deswegen "spielt sie nicht mit". Immer vorausgesetzt, es ist keine Demenz, sondenr sie weiß, was sie tut.

      Danke für die guten Wünsche und eine gute Woche für Dich!

      LG Sabine

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  2. Na da hast Du ja allerhand um die Ohren. Ich drücke Dir die Daumen, das Du alles geregelt bekommst und Dein Alltag einen geregelten Gang geht. Herzlichen Gruß und hab ein erholsames Wochenende. Sylvia

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  3. Oh weh, da hast du ja ein Päckchen zu tragen. Lass mich raten: Deine Mutter war zeitlebens ein bestimmender Mensch, sagte an, was andere, respektive du, zu tun haben und erwartete, dass ihre Ansagen uneingeschränkt befolgt wurden. Warum ich das sage? Weil mir das Verhalten deiner Mutter sooo bekannt vorkommt. Nicht gerade die Sache mit dem Krankenhaus, aber sonst.
    Ich wünsche dir ganz viel Kraft und rate dir etwas, was ich selbst nie befolge, von dem ich aber weiß, dass es richtig und wichtig ist: Denk mehr an dich.
    Liebe Grüße
    die Mira

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    1. Danke, liebe Mira! Ja, Mudderns war immer sehr dominant. Vor allem aber wird es sehr schwierig, wenn sie begreift, dass sie sich bewegen muss, um etwas zu ändern. Jammern und lamentieren ist ja viel leichter als Veränderung. Immer vorausgesetzt, sie ist nicht dementiert, verstärkt sich dieses Verhalten momentan. Und: Ja, ich versuche, an mich zu denken und mir kein schlechtes Gewissen machen zu lassen.

      Liebe Grüße und eine schöne Woche wünscht Sabine

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  4. Hi, ich kann Mira nur zustimmen...das war ein Hilferuf Deiner Mutter, oder? Ich war selbst in der Situation. Selbstbestimmt möchte meine Mutter leben...zuhause...allerdings akzeptiert sie, dass wir nicht so oft von Wien nach Berlin kommen können. Pflegedienst kommt auch. Pflegestufe hat sie allerdings ( ohne Schlaganfall!). Lass Dich doch unabhängig beraten, die Investition lohnt sich... wir dachten anfänglich auch, dass ihr keine Pflegestufe zusteht, war ein Irrtum... Good luck, LG Petra

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    1. Naja, liebe Petra, ich weiß nicht, ob das so unbedingt Hilferufe sind. Ich denke eher, gewisse Mütter, solche, die immer bestimmt haben, was die Töchter tun sollen, wollen darauf nicht verzichten, auch wenn die Töchter längst erwachsen sind.
      Eine Freundin meiner Mutter hat mal zu ihr gesagt, sie dürfe mich nicht immer so herum scheuchen. Da hat meine Mutter voller Überzeugung geantwortet: Doch, dafür habe ich sie ja.
      So ähnlich scheint mir das hier auch zu sein.
      Nach dem, was ich hier gelesen habe, geht es weniger um den Wunsch, Hilfe zu bekommen, als darum, über jemanden bestimmen zu können.
      So empfinde ich das zuweilen.
      LG die Mira

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    2. Ja, das war sicher ein Hilferuf, aber ich bin halt ratlos, was ich machen kann, denn sie lehnt ja alles außer Krankenhaus ab. Klar, für alles andere müsste sie selbst aktiv werden, und das ist unbequem.

      Morgen kommt erstmals eine Dame vom Pflegedienst zur Gesellschaft. Mal gucken, was sie zu Mudderns Verhalten sagt. Der Pflegedienst hilft sicher auch bei der Beantragung der Pflegestufe, das boten sie letztes Jahr schon an, Und seit diesem Jahr zählt ja auch das psychische Befinden bei der Einstufung.

      Ja, Mudderns hatte phasenweise keine anderen Interessen als über meinen Vater und mich bestimmen zu können. Ich nahm allerdings an, dass diese Zeit vorbei ist ...

      Liebe Grüße und eine gute Woche wünscht Sabine

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  5. Kommt mir soooo bekannt vor. Alles Gute für Dich!
    Hab' einen schönen Sonntag

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.