Seit Dienstag mache ich weitgehend Heimarbeit. Weitgehend, weil wir eine Mindestbesetzung im Büro aufrechterhalten müssen. Die Mindestbesetzung wollte eigentlich der Chef sein, aber der ist inzwischen Teil des betrieblichen Krisenstabs und in unsere alte Büro-Heimat abgeordnet.
Also wechseln sich im Büro hauptsächlich zwei Kolleginnen ab, die eigentlich den eilends eingerichteten externen Netzwerkzugang von zu Hause aus nutzen wollten, die damit aber nur Zugang zu ihren eMails haben, also nur sehr eingeschränkt arbeiten können und die deswegen gelegentlich ins Büro müssen. Eine dritte Kollegin ist im Büro, solange sie mit dem Roller kommen kann - Roller, Rad und Auto sind wegen der geringeren Ansteckungsgefahr zurzeit wesentlich angesagter als ÖPNV. Zwei Kolleginnen sind langzeiterkrankt (eine davon bildet sich seit Februar ein, Corona zu haben), eine ist in häuslicher Isolation, da Urlaub im Risikogebiet, ein weiterer, weil er Risikogruppe ist, und ein anderer hat wie ich einen offiziellen Heimarbeitsplatz, kann also von überall arbeiten.
Ich habe vollen Zugriff auf alles Dienstliche - sofern die Zugänge funktionieren. Dienstag früh, als ich testete, ob's klappt, lief alles prima, aber ab 9 Uhr, als alle sich Heimarbeiter einloggten, ging gar nichts mehr.
Mein Blaumann wünscht sich in dieser Situation pragmatische Lösungen, also funkte ich den Chef an, damit er mir die Datei für mein Mammutprojekt an meine Privatadresse mailt, damit ich arbeiten kann. Mittlerweile könnte Chef das nicht mehr, denn seitdem er Teil des Krisenstabs ist, hat er im Krisenstabsbüro keinen Rechner - es gibt bislang keinen Laptop für ihn.
So pendle ich also zu Hause zwischen privatem und dienstlichem Rechner, nutze den dienstlichen Rechner entweder sehr früh oder sehr spät. Am privaten Rechner ploppen nicht ständig eMails auf wie am dienstlichen, also arbeite ich konzentrierter. Außerdem arbeite ich länger. Mal gucken, wann ich die Überstunden nehmen kann. Einzig das Diensthandy, das ich aktuell nutze, erschreckt mich, wenn's klingelt. Und ich muss daran denken, dass ich tunlichst wissen sollte, wo es ist - beim privaten weiß ich das so gut wie nie.
Dass Corona unser Leben nachhaltig beeinflussen wird, war mir schon klar, als die ersten Nachrichten aus China kamen, denn wenn dort die Fabriken still stehen, bekommt der Arbeitgeber das Gatten keine Ware, kann weder produzieren noch verkaufen. Jetzt könnte es langsam wieder losgehen, aber die Kunden brauchen nichts, weil ihre Betriebe geschlossen sind. Es ist also fraglich, wie lange der Gatte noch tagtäglich ins Büro fahren kann - die Weichen für Kurzarbeit sind jedenfalls schon mal gestellt.
Ich bin sehr dankbar, dass ich eine krisensichere Beschäftigung habe. Selbst, wenn mein Mammutprojekt wegen Corona ganz gestrichen wird, wirkt sich das nicht auf meinen Arbeitsplatz aus. Allerdings hängen anderswo Arbeitsplätze von der Durchführung des Mammutprojektes ab. Auch das ist mir sehr bewusst. Ich gucke, was ich tun kann, um denen, deren Existenzen jetzt auf dem Spiel stehen, wenigstens ein bisschen zu helfen.
Solange keine Entscheidung getroffen ist, ob das Projekt gestoppt wird, ganz oder in Teilen, arbeite ich daran, als ob nichts wäre. Das ist ein komisches Gefühl, aber momentan müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden als die, die mein Projekt betreffen.
Ansonsten war ich wenig draußen. Donnerstag musste ich zum Arzt und anschließend zur Apotheke. Der Arzt ist am anderen Ende der Stadt, und auf den Straßen war's so voll wie sonst in den Ferien. Außerdem war Angebotstag bei den Discountern, waren da die Parkplätze voll wie sonst auch an einem Donnerstagvormittag. Die Apotheke ist im Supermarkt, in dem es auch so voll war wie sonst um dieser Uhrzeit. Davon, dass man zu Hause bleiben sollte, war wenig zu merken.
Freitag musste ich mich mit zwei Kollegen zu einer Besprechung treffen. Das war unumgänglich, ebenso wie der Umstand, dass zwei von uns an einem Bildschirm arbeiten mussten. Wir haben so weit es irgend ging, Abstand gehalten - 150 cm waren aber nicht drin.
Im Vergleich zum Vortag, wo ich in der gleichen Gegend war, war's aber leerer, und beim Bäcker, wo ich die obligatorische Runde Mittagsbrötchen für uns holte, wurde akribisch auf den Mindestabstand geachtet - am Vortag war's da noch voller.
Unterwegs zum Termin sah ich, wie ein Mann in Schutzkleidung und mit Koffern beladen zu einem Wagen ging - entweder ein Spurensicherer oder einer von denen, die aktuell Corona-Proben nehmen. So oder so: Befremdlich.
Private Kontakte habe ich ohnehin keine, also mache ich nach Feierabend das, was ich sonst auch mache, wenn ich nicht dienstlich ins Theater muss (was ja momentan nicht geht). Einzig der Sport geht uns ab. Jetzt, wo ich gesundheitlich wieder in Schwimmbad und Turnhalle könnte, der Gatte gerade seinen letzten grippalen Infekt los ist, haben sie coronabedingt geschlossen.
Da viele aus meinem Umfeld zur Risikogruppe gehören, die Mütter, der Gatte und ich eingeschlossen, bin ich froh, möglichst wenigen Menschen zu begegnen und finde es nur bedingt passend, dass die Nachbarskinder, die mit ihren Eltern in häuslicher Isolation sein sollten, weil es bei ihrem Arbeitgeber Coronafälle gibt, mit den anderen Kindern durch's Haus toben. Seit vorgestern wurde das aber auch deutlich weniger.
Durch die fehlenden spielenden Kinder ist es hier so still, dass sich Vögel und Eichhörnchen bis dicht vor die Wohnung trauen. Auf der vierspurigen Bundesstraße ist so wenig Verkehr, dass ich letztens überlegte, nachts mit offenem Fenster zu schlafen. Das tat ich zuletzt vor Einführung der Lkw-Maut, denn seitdem es die gibt, ist die Bundesstraße Lkw-Maut-Ausweichstrecke (und hier finden auch gerne Auto- oder Motorradrennen statt).
Anfangs dachte ich, durch die Heimarbeit würde ich Geld sparen, weil ich ja nicht vor die Tür komme, aber Pustekuchen. Ich gebe Unsummen für Parkhäuser aus, denn mit dem Auto fühle ich mich momentan wohler als im ÖPNV. Und dann bestellte ich drei Bücher für Mudderns nicht wie sonst gebraucht über Amazon, sondern neu in der kleinen Buchhandlung bei ihr im Dorf, damit die bessere Chancen hat, die Schließung zu überstehen, gab also mal eben das Vielfache aus. Aber egal, ich bin froh, dass sie wieder liest, und da ich ihr momentan keine Bücher aus den öffentlichen Bus-Bücherregalen besorgen kann, das bei ihr im Dorf-Rathaus geschlossen ist, bestelle ich ihr halt Bücher.
Mudderns leidet darunter, dass ihre Gesellschafterin momentan nicht zu ihr kommen kann. Im gesamten Landkreis ist die Tagespflege bis zum 18. April eingestellt - vorerst. Auch die Putzfrau kommt momentan nicht. Außerdem fehlen ihr der sonntägliche Gottesdienst und die fast täglichen Besuche in der Bäckerei samt Klönschnack. Ansonsten geht sie nach wie vor einkaufen und spazieren.
Unser traditionelles Osterbrunch haben wir erstmal abgesagt, das Restaurant ist seit gestern ohnehin bis vorerst 18. April geschlossen. Wir überlegen, Mudderns dennoch zu besuchen und Essen mitzubringen oder es im Restaurant abzuholen, sofern das dann noch möglich ist. Außerdem werde ich unruhig, wenn ich Mudderns so lange nicht sehe, denn ich merke, sie fängt schon wieder ganz langsam an zu verwahrlosen, auch, wenn sie sich noch gut hält. Mal schauen.
Momentan gilt in allen Bereichen: Wir fahren auf Sicht, planen allenfalls bis zum nächsten Tag.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea, wo's verständlicherweise recht monothematisch ist. In der Kombüse berichte ich aktuell übers Einkaufen und Kochen in Coronazeiten. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.
Ja es sind seltsame Zeiten. Manchmal denke ich, dass man sich wieder auf sich selber besinnt.
AntwortenLöschenDie Sturheit der Alten ist allerdings auch ein Phänomen.
Im Moment plane ich auch nur einen Tag nach dem anderen.
Mach es dir so schön wie es geht.
Andrea