Sonntag, 22. November 2020

Samstagsplausch KW 47/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XXXIV

Der Gatte war seit einigen Tagen heftig erkältet und Mittwoch schließlich bei seinem Hausarzt. Der gleiche Hausarzt, der den Gatten sonst beim kleinsten Nieser mit Grippeverdacht in die Notaufnahme schickt und im Frühjahr so corona-panisch war, dass der Gatte noch nicht mal die Praxis betreten durfte, meinte nun, joa, das könnten wohl Corona-Symptome sein, joa, da müsste man mal 'n Test machen, wenn's nicht besser wird, aber er mache keine Tests. In der XY-Straße gäb's wohl 'ne Teststation, der Gatte könne ja mal im Internet gucken, wie das geht, und über Mittag mal hinfahren. 

Donnerstag ging's dem Gatten rasend schnell schlechter. Er schaffte kaum noch die zwei Meter vom Bett ins Bad. Mit seinem Einverständnis rief ich meinen Hausarzt an und fragte, wie das mit dem Coronatest geht. Die Praxis ist an 116117 angeschlossen. Postleitzahl eingeben, Praxis finden, Termin buchen, Anweisungen folgen - fertig. 

Eine Stunde später schob ich den Gatten in die Praxis und wartete davor, weil ja keine Begleitpersonen erlaubt sind. Ich ging davon aus, dass der Gatte nur getestet wird und lehnte deswegen ab, als mein Arzt noch mal extra an die Tür kam, um mir zu sagen, sie würden ausnahmsweise das Wartezimmer für mich öffnen, weil "Das dauert jetzt 'n büschen." Verfrorene 20 Minuten später wusste ich: Der Gatte wurde nicht nur getestet, sondern auch noch gründlich untersucht und krankgeschrieben. 

Normalerweise bekommt man das Testergebnis über die App, aber da der Gatte kein Smartphone hat, solle er Montag in der Praxis anrufen. Früher sei mit dem Ergebnis nicht zu rechnen. Zum Glück arbeitet mein wunderbarer Hausarzt aktuell auch am Sonnabend und rief gleich an, als er das Ergebnis hatte. Negativ!

Wieder zu Hause, fragten wir uns natürlich, was wir jetzt machen sollen, bis das Ergebnis vorliegt und falls es dann auch noch positiv ist. Bislang dachte ich, dass man schon in Quarantäne muss, während man auf das Testergebnis wartet, aber bis zur Vorlage eines positives Testergebnisses (und bis sich das Gesundheitsamt meldet), ist die Quarantäne nur freiwillig. Wäre der Test des Gatten positiv gewesen, hätte es für mich als Kontaktperson ersten Grades auch nicht gleich Test und Quarantäne bedeutet. Solange ich symptomfrei bin, muss ich mich anscheinend weder testen lassen noch in Quarantäne. Das Testergebnis wurde erst für Montag erwartet, meinem Präsenztag im Büro. Unter Umständen hätte ich also als Kontaktperson ersten Grades eines Corona-Infizierten im Laden gesessen und fröhlich das Virus verbreitet, denn auch, wenn man symptomfrei ist, kann man es ja verbreiten. Total bekloppt!   

Der Gatte und ich sind seit März weitgehend zu Hause, inzwischen seit 36 Wochen. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Der Gatte ist im achten Monat Kurzarbeit. Seit Oktober wäre in seiner Branche Hochbetrieb, wüsste er bis Rosenmontag vor Arbeit kaum, wohin, aber es ist nichts zu tun. Das ist beängstigend. Aktuell bewegt uns das angedachte Böllerverbot für Silvester. Privat können wir gut ohne Feuerwerk leben, aber so was gehört halt auch zur Arbeit des Gatten, deswegen sehen wir es zwiegespalten. Immerhin: Das Kurzarbeitergeld wurde bis Ende nächsten Jahres verlängert. Das gibt ein klitzekleines bisschen Sicherheit. Und ab kommende Woche soll der Gatte wieder zwei Tage und mehr Stunden arbeiten. 

Ich bin abwechselnd im echten Büro und im Heimbüro. Die Präsenzpflicht ist wieder aufgehoben, aber da der Laden geöffnet ist, bin ich einen Tag im Laden, einen Tag im Büro und drei Tage im Heimbüro. Manchmal habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen, aber nun ja. 

So doof das alles ist: Wir sind sehr privilegiert und wissen es zu schätzen. Mein Job ist, anders als der des Gatten, sicher. Das ist in diesen Zeiten eine große Erleichterung.  

Mudderns nimmt ja seit letzter Woche ihre Antidepressiva nicht mehr und dreht folglich total am Rad, fühlt sich verfolgt, hintergangen und muss alles kontrollieren. Ich kenne das, seitdem ich denken kann. Es hat mich unzählige Therapiestunden gekostet. Ich kann damit umgehen. Und doch stresst es mich von Jahr zu Jahr mehr. 

Heute verlangte sie, ich müsse "was im Internet machen", weil ihre (nicht mehr so ganz) neuen Nachbarn an beiden Grundstücksgrenzen einen Sichtschutz bauten, der ihr nicht gefällt. Und ich müsse eine Melderegisterabfrage machen, wer da überhaupt wohnt. Ja, nee, is klaa. Dass der Sichtschutz rechtens ist, soweit nicht über 180 cm hoch, wollte sie nicht hören, und dass sie bei den Nachbarn doch einfach mal auf's Klingelschild gucken oder bei der nächsten Begegnung nach dem Namen fragen solle, auch nicht. Sie ist wieder mal der Meinung, jeder wolle sie hintergehen, natürlich auch ich, denn ich hätte letzte Woche ihrer Nachbarin Bücher gegeben, die Mudderns noch nicht las! Dass sie sich einfach nicht mehr daran erinnern konnte, will sie natürlich nicht wahrhaben. Zukünftig darf ich nichts mehr an die Nachbarin geben, was Mudderns nicht vorher kontrollierte. Ja, nee, is klaa.  

Der Gatte hat als Reaktion auf die Augenbehandlung anscheinend eine Trigeminusneuralgie entwickelt und kommt oft um vor Schmerzen. Zum Glück hat er morgen schon einen Termin, aber da kommt wohl die nächste gesundheitliche Baustelle auf ihn zu. Und dass er seine Zuckerwerte nicht in den Griff bekommt, vor allem nachts, macht auch Sorge. 

Ich müsste eigentlich mal bei der Hormon-Tante anrufen, weil die Tabletten, die ich seit drei Wochen nehme, anscheinend nicht so wirken, wie sie sollen, vielleicht die Dosis angepasst werden müsste, aber ich habe keine Kraft dazu. Zwei weitere Facharzttermine müsste eigentlich auch noch gemacht werden, aber auch hier: Keine Kraft. Immerhin: Durch die Erschöpfung auf allen Ebenen komme ich nicht dazu, darauf zu achten, ob die Hormonersatztherapie irgendwelche Nebenwirkungen hat. Dass ich nachts nicht schlafe, kann auch an der allgemeinen Erschöpfung liegen. Mich erschöpft momentan so vieles: Das Corona-Gedöns und die Sorge um meine Familie, die Ernährungsumstellung, die ich einfach nicht schaffe, das Leben an sich ... Ich hätte gerne mal ein paar Wochen Zeit nur für mich. Aber nützt ja nix.  

Immerhin einen Menschen habe ich diese Woche glücklich gemacht: Eine Buchhändlerin, deren Laden in einer kleinen Seitenstraße in der Innenstadt ist, und bei der ich möglichst immer kaufe, seitdem ich wieder in der Innenstadt arbeite. Nur gebrauchte Bücher und eBooks kaufe ich nicht dort. Ich hatte aus praktischen Gründen und um Kontakte zu reduzieren, einfach alle Weihnachtsgeschenke auf einmal bestellt, und als ich sie Dienstag abholte, bedankte sich die Buchhändlerin mehrfach überschwänglich. Übermorgen mache ich sie nochmal glücklich, denn für Mudderns fiel mir noch das eine oder andere Buch ein. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

Der wöchentliche Kommentar zu Quer- und anderen Nichtdenkern:

1 Kommentar:

  1. Du hast aber auch eine Menge Baustellen. Ich hoffe deinem Mann geht es bald wieder gut.
    Kopf hoch, du schaffst das...
    Lieben Gruß
    Andrea

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