Sonntag, 15. November 2020

Samstagsplausch KW 46/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XXXIII

Diese Woche war der Corona-Hase
wieder unterwegs.
Gestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, in eine Querdenker-Demo zu geraten: Eine Handvoll weiß uniformierter und maskierter Hanseln schlich über den Wochenmarkt, natürlich live gestreamt von einem Mitstreiter, und begleitet von dumpfen Lautsprecher-Parolen. Die begleitenden Polizisten nutzten die Gelegenheit, die Passanten aufzuklären, was diese perfide Fascho-Darbietung bezweckt, und die Maskenpflicht auf dem Wochenmarkt zu kontrollieren.

Ganz ehrlich: Wenn solche Aufmärsche die Vorstellung der Querdenker von Liebe, Wahrheit, Freude und Demokratie sind, möchte ich nicht wissen, wie sie Krieg, Lüge, Trauer und Diktatur umsetzen. Spätestens seit Leipzig, wo Schulter an Schulter mit NPD, AfD und anderen Rechtsextremisten demonstriert wurde, wo man sich von Hooligans die Demoroute freimachen ließ, wo unverhohlen Antisemitismus und Holocaustleugnung propagiert wird, sollten die Vernünftigen unter den Querdenkern gerafft haben, wem sie da hinterher rennen. Andererseits: Wer Vernunft und Anstand hat, schließt sich diesem Volk gar nicht erst an. Um's mit Karl Lauterbach zu sagen: Querdenker sind nichts als selbstgerechte Saboteure der Zivilgesellschaft. Mehr noch: Sie wollen einen demokratischen Staat zersetzen, Unfrieden und Chaos säen und sind menschenverachtend.

Vom Unmut über diese egoistischen Düffeldaffel abgesehen, war's eine halbwegs gute Woche: Letzten Sonnabend machten wir einen Spaziergang durch den Volkspark, den ersten seit dem Tod des kleinen braunen Hundeviehs im letzten Herbst. Ohne Hund war's sehr ungewohnt. Normalerweise steht der Volkspark spätestens im Mai an, aber in diesem Jahr ist ja alles anders.

Der Gatte und ich sind seit März weitgehend zu Hause, inzwischen seit 35 Wochen. Jedes Mal, wenn ich die Wochen hochzähle, kann ich kaum glaube, wie lange dieses Corona-Gedöns schon geht. Als ich mit dieser Reihe anfing, dachte ich an ein paar Wochen. Wie schon im März richte ich mich auf einen echten Lockdown ein, denn die Infektionszahlen sinken ja nicht. Das werden sie auch nicht solange nur wenig geschlossen ist, die Leute wie blöde in Massen unterwegs sind, weil sie es aus unterschiedlichen Gründen zu Hause nicht aushalten. Diese Woche war ich wieder im Einkaufszentrum am anderen Ende der Stadt, während der Gatte in der Augenklinik behandelt wurde und entsetzt darüber, wie voll es dort war - über Mittag, also zu einer Zeit, in der die meisten Leute arbeiten sollten ...

Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Der Gatte ist im achten Monat Kurzarbeit, was ihm zu schaffen macht. Es gibt ja keine Perspektive. Seit Oktober wäre in seiner Branche Hochbetrieb, wüsste er bis Rosenmontag vor Arbeit kaum, wohin, aber es ist nichts zu tun. Das ist beängstigend.

Ich bin abwechselnd im echten Büro und im Heimbüro. Die Präsenzpflicht ist wieder aufgehoben, aber da der Laden geöffnet ist, bin ich einen Tag im Laden, einen Tag im Büro und drei Tage im Heimbüro. Manchmal habe ich das Gefühl, etwas zu verpassen, aber nun ja. Chef und Chefin geben sich zwar Mühe, die Kommunikationsstrukturen zu verbessern, und im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen ist es besser geworden, aber es gäbe durchaus noch Optimierungsbedarf. Zukünftig wird es mehr Zoom- oder Skype-Termine geben, und ich merke jetzt schon, dass mich das stresst. Die vielen TK und VK im Frühjahr waren für mich sehr anstrengend. Das ist einfach nicht meine Kommunikationsform.

Ich habe mich immer noch nicht für die Weihnachtsfeier angemeldet. Die ursprüngliche Planung Museumsführung und Essengehen wurde geändert zugunsten von Schrottwichteln, und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dafür mit elf anderen in einem unbelüftbaren Raum sitzen möchte, denn aus irgendwelchen Gründen wurde nicht der große Seminarraum gewählt, sondern der kleine. Normalerweise achten wir darauf, dass maximal eine Person in einem Raum ist, wenn es keinen Spuckschutz gibt, oder halten sehr viel Abstand. Bei so einer Weihnachtsfeier fühle ich mich momentan nicht wohl.

Mein Arbeitsplatz an sich ist sicher, anders als beim Gatten. Ein sicherer Arbeitsplatz ist eine große Erleichterung, und wir wissen, dass wir in vielerlei Hinsicht privilegiert sind. Da wir die Situation nicht ändern können, hilft nur Gelassenheit.

Den Müttern und Tante macht die Einsamkeit zu schaffen, das monatelange Fehlen ihrer täglichen Routinen. 

Bei Mudderns kündigt sich ein depressiver Schub an. Ich hatte gehofft, wir schafften mal ein Jahr ohne, zumal sie sich bislang wacker hielt, aber jetzt erklärte sie, sie habe ihr Antidepressivum abgesetzt. Da musste ich sehr deutlich werden. Andererseits, wenn sie bald das Bett nicht mehr verlässt, weil die Angstzustände überhand nehmen, ist sie zumindest coronasicher  ... Zu den Coronaleugnern hat Mudderns übrigens eine eindeutige Meinung: "Die sollen gefälligst mitm Mors zu Hause bleiben!"

Gestern unterhielt ich mich kurz mit Mudderns Nachbarin, die auch sehr unter den Einschränkungen leidet. Die Wandergruppe trifft sich zwar illegal, aber da möchte sie aus Angst vor Ansteckung nicht mitgehen, die Kinder kommen zu selten zu Besuch, und im Garten ist momentan nicht so viel zu tun. So freute sie sich über die große Tasche mit Büchern, die ich vorbeibrachte und bat mich herein, um mir ihre Weihnachtsdeko zu zeigen. "Dafür ist es zwar zu früh, aber ich hab' ja sonst nichts zu tun ..."  

Mit der Nachbarin haben wir übrigens eine wunderbare Bücher-Tauschconnection: Sie bekommt die Bücher, die Mudderns und ich ausgelesen haben, gibt sie dann weiter an eine Verwandte, von wo sie dann wieder weitergegeben werden ... Und seitdem Mudderns wieder so viel liest, kaufe ich mehr analoge Bücher, oft gebraucht, denn von elektronischen Büchern hat sie ja nichts. Oft nahm ich mir Bücher aus den Stilbruch-Regalen mit, aber seitdem ich keinen HVV mehr nutze, wird gekauft.

Schwiegermutter fehlen ihre Freundinnen, die sie seit März nicht mehr sah. Sie würde ihnen gerne zeigen, wie schön sie jetzt wohnt und mit ihnen Bridge spielen. Bislang durfte zumindest ihre ehemalige Putzfrau noch zu ihr kommen - nicht, dass sie in der Seniorenwohnanlage eine Putzfrau bräuchte, denn ihr Appartement wird regelmäßig gereinigt, aber sie hilft ihr bei Einkäufen und erledigt Arbeiten, die Schwiegermutter zu schwer sind, vom Personal der Anlage aber nicht übernommen werden. Jetzt ist nur noch der Besuch eines Familienmitgliedes gestattet. 

Schwiegermutter geht viel spazieren, aber die früh einsetzende Dunkelheit macht ihr zu schaffen. Ich werde mal schauen, ob ich meine Arbeitszeit an den Heimbürotagen so legen kann, dass ich mich mit ihr auf einen späten Spaziergang treffen kann, denn jetzt, wo die Adventszeit langsam beginnt, sind hier sicher viele Häuser hübsch beleuchtet. Ihr wird dann der Abend nicht so lang, und mir tut die Bewegung gut. Ich hab' jetzt ja neben der Kohlenhydratezähl-App auch einen Schrittzähler installiert ... 

Was mich sehr freut: Schwiegermutter will tatsächlich Weihnachtskekse backen! Sie muss sich nur noch ein Rührgerät kaufen, denn das alte wurde ja in der Phase weggeben, in der sie alles für Sperrmüll hielt. Ich hatte mich ja schon darauf eingestellt, die Weihnachtsplätzchen, die sie sonst buk, zu backen, damit sie dem Gatten nicht fehlen, und kann sie jetzt streichen. 

Tante freut sich über die wöchentlichen Postkarten. Sie hat immerhin noch ihren Dackel, mit dem sie regelmäßig vor die Tür muss, aber auch ihr fehlen ihre Aktivitäten und ihre Freundinnen. Beim Rheumasport oder beim Schwimmen wird ihr Bewegungsapparat doch ganz anders gefordert als beim Spazierengehen mit dem Dackel, der inzwischen ja auch schon 16 Jahre alt ist, sie nicht mehr so viel fordert. 

Den Gedanken, zusammen Weihnachten zu feiern, haben wir inzwischen aufgegeben, denn die Infektionszahlen sinken ja kaum. Da bleibt das Beherbungsverbot sicher bestehen. Hoffen wir, dass wir alle es bis zum Frühjahr schaffen und im Mai gemeinsam Geburtstage feiern können!

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

2 Kommentare:

  1. Der Herr bewahre mich davor, in eine solche Demo zu kommen. Ich bin mir sicher, dass ich den Wutkloß nicht runterschlucken könnte. Der Demo in Konstanz hatte ich eine Sintflut an den Hals gewünscht, was in der ersten Tageshälfte auch funktioniert hat. Da sollte ich vielleicht ansetzen und noch etwas üben...
    Betriebliche Weihnachtsfeiern halte ich in der derzeitigen Situation allerdings für suboptimal.
    Wir sind froh, dass wir hier soviel Waldfläche um uns haben, wo wir uns immernoch einigermaßen für unsere Runden zurückziehen können.
    Nur der Hund wird mit seinen 12 Jahren zusehends eingeschränkter. Wir denken nun allmählich an einen Welpen im Laufe des nächsten Jahres. Man weiß nie, wie schnell es geht (wir hatten vor 5 Jahren die zwei alten Hunde binnen 4 Wochen verloren...).
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Ich war angesichts dieser perfiden Darbietung, die Gott sei Dank nur ein paar Minuten dauerte, total perplex und vollauf damit beschäftigt, meine 82jährige Mutter zu beruhigen, bei der üble Erinnerungen hoch kamen. Es ist ein großer Unterschied, diese gestalten im Video zu sehen oder es live zu erleben. Das muss ich nicht nochmal haben. Die waren zum Glück so mit sich selbst beschäftigt, dass sie meine #drostenultras-Maske nicht wahrnahmen - selten habe ich sie in einem passenderen Moment getragen.

      So ein Welpe ist ja ein wahrer Jungbrunnen für einen alten Hund. Das war auch immer schön zu sehen, wenn der Dackel beim kleinen braunen Hundevieh war und es zum Toben animierte, denn selbst der alte Dackel tobt noch mehr als Schwiegermutters Hündin. Ich hoffe, wir bekommen wieder einen Hund, wenn der Gatte in Rente ist. Ich schlug schon vor, dass wir uns ja auch jetzt einen holen könnten, und wenn wir dann wieder "richtig" arbeiten, könne sich ja Schwiegermutter tagsüber um den Hund kümmern, aber sie genießt es, ihren Tag ohne Hundezeiten planen zu können, und das soll sie auch.

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