Samstag, 14. Januar 2023

Samstagsplausch KW 2/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXLVIII

Drei Hasen waren im Krankenhaus
und kamen danach in die Badeferien,
der vierte hatte es einfach nötig.
Aus einem Hasen ging das Blut nicht
vollständig raus ...  
Montag wurde unser Leben wieder mal auf den Kopf gestellt, wie so oft, zu oft in den letzten vier Jahren. Der Gatte erlitt einen Schlaganfall und kam ins Krankenhaus. Wir waren auf der Baustelle und wollten gerade mit dem Streichen anfangen.

Der Gatte suchte sich ziemlich genau den Jahrestag des Schlaganfalls meiner Mutter vor sechs Jahren aus und bekam den Schlag im Stehen auf der Treppe, die meiner Mutter im Sommer fast das Genick brach. Während ich also mit der Leitstelle wegen des RTW telefonierte, hatte ich alle Hände damit zu tun, den Gatten davor zu bewahren, die Treppe herunterzufallen, da er sich nicht mehr hinsetzen konnte. Der Schlaganfall setzte Sprache und Motorik außer Gefecht. 

Normalerweise höre ich den RTW schon kommen, während ich noch mit der Leitstelle telefoniere, durch Mudderns habe ich da ja einschlägige Erfahrung, aber die aktuelle Situation in der Medizin ist so prekär, dass der RTW weder aus der zehn Minuten entfernten Feuerwache noch aus dem ebenfalls zehn Minuten entfernten Kreiskrankenhaus kam, sondern aus der nächsten, 30 Kilometer entfernten Kreisstadt. Da alle Krankenhäuser im Landkreis abgemeldet waren, ging's weitere 40 Kilometer weiter nach Hamburg, was insofern Glück im Unglück war, weil der Gatte so in das Bezirkskrankenhaus kam, das ihn kennt, das ihn im August gerade aus der ambulanten Behandlung entließ - und das einen ausgezeichneten Ruf bei der Schlaganfallbehandlung hat. Gott sei Dank war der Elbtunnel frei, so dass noch im kritischen Zeitfenster mit der Behandlung begonnen werden konnte.

Als der Gatte auf der Trage angeschnallt wurde, um ins Krankenhaus gefahren zu werden, fragte ich den Sanitäter, ob ich ihm einen Rucksack mitgeben könne. "Ist was Wichtiges drinnen?" - "Ja, lachen Sie nicht: Sein Hase." - "Da muss sogar Ihr Mann lachen!" Das Lachen war die erste Reaktion des Gatten seit einer halben Stunde, und anscheinend erkannten die Sanitäter die Bedeutung des Hasen für den Gatten, kam der schnell aus dem Rucksack auf die Trage, denn der Hase hatte am nächsten Tag viele Blutflecken. Schnell war der Gatte als "der mit dem Hasen" bei den Pflegekräften bekannt. Als der Gatte zum Herzultraschall abgeholt wurde, wurde überlegt, ob der Hase für den Transport auch eine Maske braucht, und bei den CTs wurde überlegt, ob der Hase mit durch die Röhre muss. Das fand ich sehr berührend. Insgesamt waren drei Hasen mit im Krankenhaus, immer einer zur Zeit. Einer bekam sogar versehentlich eine Infusion, als sich der Schlauch löste, was zu spät bemerkt wurde. 

Donnerstag Mittag konnte ich den Gatten aus dem Krankenhaus holen. Er hatte gerade den Behandlungsvertrag unterschrieben und das Essen für die kommende Woche ausgesucht, als die Ärzte zu dem Ergebnis kamen, die Weiterbehandlung könne ambulant erfolgen. Es blieben Schäden zurück, aber insgesamt hatte der Gatte mehr Glück als Verstand, was ihm langsam klar wird. Er beschäftigte eine ganze Schar Schutzengel. Wir müssen unseren Alltag neu organisieren. Der Gatte braucht noch mehr Unterstützung und Betreuung als ohnehin schon, braucht wieder regelmäßige medizinische Überwachung und Hilfsmittel, aber er lebt. Das ist mehr, als Montag Abend im Gespräch mit der Ärztin zu erwarten war.   

Hier gilt seit mittlerweile 148 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, auch wenn mir seine Wesensveränderungen seit seiner Erkrankung immer mal wieder zusetzen, und durch den Schlaganfall wurde es nicht besser. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit der Übernahme meines früheren Elternhauses Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Sie ist aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. 

Bis Montag Mittag lag eine Urlaubswoche vor mir, die wir auf der Baustelle verbringen, in der wir die Zimmer streichen und Handwerker finden wollten. Der Gatte freute sich darauf, endlich das Profi-Farbsprühgerät, das er schon im Sommer kaufte, auszuprobieren. 

Sonnabend konnten wir einen Haken hinter die Fußböden machen und fanden den Kompromiss, dass der Gatte das Laminat im Dachzimmer verlegt, der Bodenleger Laminat und Kork im ersten Stock und im Wohnzimmer. Den Belag auf der Kellertreppe kann der Bodenleger auch erneuern. Die beiden anderen Treppen sind offen, da zeigt der Ortstermin, ob der Bodenleger das kann oder ob wir da jemand anderen suchen müssen. Der Gärtner war da, um sich alles anzusehen, und wird in den kommenden Monaten unsere Liste abarbeiten. Er setzt auch die Bäumchen, die aus Hamburg mitkommen sollen, um. Jetzt heißt es bei beiden Gewerken, auf Anrufe mit den Terminen warten ... 

Angesichts des Zustandes des Gatten bin ich bei den Terminen nicht so hinterher. Ich kann nicht gleichzeitig arbeiten, den Gatten betreuen und auf der Baustelle sein, also an drei Orten gleichzeitig. Eigentlich wollte der Gatte zeitweise alleine auf der Baustelle sein, aber wann das wieder geht, ist unklar. Ich versuche, zu delegieren, was geht, mir Hilfe zu holen, aber bei manchen Dingen bin ich schlichtweg überfragt. Wo finde ich beispielsweise kräftige Menschen, die ich anheuern kann, um mir ein paar Umzugskartons in den Keller zu tragen?! Das muss gemacht werden, bevor die Fußböden gelegt werden, kann nicht warten, bis die Umzugsleute da sind. 

Mir ist auch klar, dass die Gesamtsituation zu viel ist für mich, aber das ist sie seit vier Jahren, und dauerhafte Unterstützung oder Entlastung gibt es nicht. Der Gatte ist kein Pflegefall, Gott sei Dank, aber so gibt es andererseits keine partielle Unterstützung durch einen Pflegedienst. Ein paar Tage Auszeit, um zur Ruhe zu kommen, sind auch nicht möglich, denn der Gatte kann bis auf Weiteres nicht alleine bleiben. Aktuell wäre ich schon dankbar, wenn ich ungestört arbeiten könnte oder mal ein paar Minuten Ruhe zum Lesen hätte, etwas Entspannung fände. Ich bin dankbar für vermeintliche Kleinigkeiten, mit denen der Gatte versucht, wieder selbstständig zu werden, denn umso selbstständiger und sicherer er ist, um so entspannender ist es für mich. 

Ein mobiler Notruf mit GPS ist beauftragt, damit der Gatte ohne Angst alleine bleiben kann, aber wann der installiert wird, steht in den Sternen. Und dann muss der Notruf so organisiert werden, dass direkt ein RTW gerufen wird. Das war bei meiner Mutter nicht möglich. Da musste ich erst aus Hamburg kommen, um zu gucken, ob ein RTW notwendig ist. Angesichts der Erkrankungen des Gatten ist das zu spät. Sobald die Treppenhäuser saniert sind, wird mindestens ein Treppenlift montiert. Damit wollten wir uns eigentlich Zeit lassen, aber der ist jetzt schon angebracht.  

Sonntag bekamen wir von der Sandkastenfreundin und ihrem Mann überraschenden Baustellenbesuch. Wir tauschten auch Tipps über Handwerker aus, denn wir beide suchen einen Ofensetzer und einen Heizungsbauer. Die Freundin und ihr Mann sind vor Ort gut vernetzt, und wir haben ja auch schon unsere Erfahrungen gemacht. Ein Glaser wurde uns empfohlen, nur brauchen wir den erst am Schluss, denn der Riss im Vordach hat keine Priorität, und mit der klemmenden Balkontür können wir auch erstmal leben. 

Wir nutzten den verkaufsoffenen Sonntag, um nach Fliesen und Lampen zu suchen, wurden aber bis auf eine Badezimmerlampe nicht wirklich fündig. Mit den Fliesen für Küche und Flur eilt es auch nicht wirklich, denn wenn wir die jetzt verlegen lassen, sind wir wochen-, wenn nicht gar monatelang ohne Küche, haben nur zwei Kochplatten, müssen im Keller abwaschen. Darauf möchte ich gerne verzichten. Immerhin wurden wir uns bei der Flurbeleuchtung einig: Es gibt Deckenleuchten mit eingebautem Bewegungsmelder. Wir brauchten ewig keine neuen Lampen, so dass so was an uns vorbeiging, wir es bisher nur für den Außenbereich kannten. Das erspart eine aufwändige Neuinstallation in zwei Treppenhäusern und im Windfang.   

Es bleibt schwierig, einen Elektriker zu finden. "Unsere Monteure sind alle auf Großbaustellen - kein Interesse" lautet die Standardantwort aller Betriebe, die ich anfragte wegen der Behebung eines Kurzschlusses. So eine Kleinigkeit ist einfach zu uninteressant. Ich kann nur hoffen, dass wir bis zum Einbau der Küche das Problem beheben können. Sonst haben Lampe, Spülmaschine, Rollladen und Markise keinen Strom.

Nachdem sie sich vom Schock, den der Gatte ihnen bereitete, erholten, geht es Schwiegermutter und Tante gut. Bei Schwiegermutter rauscht gerade der Norovirus durch die Seniorenwohnanlage - das ist auch eine Erkrankung, die durch Handhygiene und Masken in den ersten drei Corona-Jahren kaum auftrat. Schwiegermutter separiert sich deswegen. Sie überlegt, wie sie uns unterstützen kann, würde die Baustellenaufsicht übernehmen (und die Aufsicht über den Gatten auf der Baustelle), aber das wird vermutlich dazu führen, dass sich der Gatte und sie an die Gurgel gehen, weswegen ich noch skeptisch bin, ob das so eine gute Idee ist. Der Gatte ist da ganz klar: Er will es nicht.

Mudderns hat wenigstens der Behandlung durch den Zahnarzt des Pflegeheims zugestimmt, und die offenen Wunden sind inzwischen auch versorgt. Ansonsten geht sie angesichts der aktuellen Situation einmal mehr davon aus, dass der Gatte ins Pflegeheim kommt und sie zu mir ins Haus zieht, damit ich sie pflege. Mudderns möchte auch, dass ich vormittags mit ihr spazierengehe, wenn ihre Gesellschafterin verhindert ist, ignoriert, dass ich arbeiten muss - im Büro könne ich ja schwänzen. Ihr ist auch nicht klar, dass wir noch nicht im Haus wohnen, sondern immer noch in Hamburg, und so verlangt sie, dass ich mal eben 80 Kilometer fahre, um ihr irgendwas vorbeizubringen, das sie dann nicht mehr haben will, wenn ich ankomme. Sie beharrt auch weiterhin darauf, dass sie selbstständig leben kann, will eine eigene Wohnung haben. Da ich mich weigere, ihr eine Wohnung zu mieten etc., sie selbst das eben nicht kann, bleibt alles so, wie es ist. Ich versuche, mich so gut wie möglich zu schützen. Zu den Pflegekräften bleibt sie ausfallend und aggressiv, beschwert sich dabei gleichzeitig, dass sich niemand um sie kümmert.

Auch in Hamburg wird jetzt mit dem Wegfall der Masken- und Isolationspflicht fröhlich auf Durchseuchung gesetzt. Ich hatte unserem böbersten Blaumann, immerhin ein Mediziner, mehr zugetraut, aber auch er knickte um - vom Bundesgesundheitsminister erwartet ich ja ohnehin nichts mehr. Mitten in einer Pandemie entgegen jeder Vernunft die Maskenpflicht aufzuheben, ist eine gute Idee, um die Rentenkassen zu entlasten. Ich könnte besser damit umgehen, wären die Politiker ehrlich und sagten offen, sie wollen sich chronisch Kranken und anderen Ballastexistenzen entledigen. Andernfalls hätte man die Maßnahmen wie gesetzlich vorgesehen zum 7. April auslaufen lassen können.  

Da ich diese Woche ohnehin zur Hausärztin musste, ließ ich auch gleich die Sehnenscheidenentzündung im Ellenbogen begutachten. Ich bekam Dehnübungen und eine Manschette, so dass der Ellenbogen endlich weniger schmerzt. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

2 Kommentare:

  1. Ich bewundere sehr, wie Sie das alles meistern. Vielleicht eine Idee für das Umzugskistentragenproblem (ich weiß, ich bin spät dran, vielleicht hat es sich bereits gelöst) -- möglicherweise gibt es in der Nachbarschaft ein paar Teenager, die sich schnell ein bisschen zusätzliches Taschengeld verdienen wollen. (Ich erwäge dies gerade hier für den Umzug einiger sehr schwerer Kübelpflanzen.)

    So oder so, Ihnen alles Gute!
    Susanne

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    1. Danke für den Tipp und die guten Wünsche! Die Kartons sind inzwischen im Keller, Stufe für Stufe, aber ich werde tatsächlich mal nach Teenies die Augen offen halten, denn solche Aufgaben gibt es ja immer. Bislang kennen wir nur wenig Nachbarn, und die haben ganz kleine Kinder oder ganz alte - so wie ich ;o)

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.