Samstag, 30. Dezember 2023

Samstagsplausch KW 52/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXCVIII

Sonnabend gönnte ich mir einen ruhigen Tag - nachdem ich um zehn vor sieben vorm noch geschlossenen Supermarkt stand, um für Weihnachten einzukaufen, weil ich es vorher nicht schaffte, die Einkäufe ins Haus wuchtete, das Karlchen zu seinem Stellplatz brachte und die Einkäufe verstaute (alles in nasser Kladage, weil ich am Vortag zwar darauf achtete, dass Jacke und Schuhe des Gatten trocknen konnten, aber nicht an mich dachte). Ich schlief viel, kümmerte mich dazwischen ein bisschen um die Küche, freute mich, dass wir endlich wieder unseren vertrauten großen Kühlschrank haben, hielt mich aber zurück und widerstand dem Drang, die Küchenschränke zu putzen und einzuräumen. Ich brauchte einfach mal eine Pause!

Sonnabend konnte ich zum ersten Mal seit drei Wochen wieder Jogginghose und Wollsocken tragen - vorher kam ich an die Sachen nicht ran bzw. war so unter Strom, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, mich abends umzuziehen. Was für eine Wohltat! Und endlich wieder warme, trockene Füße.

Wir wären gerne wenigstens einmal über den Weihnachtsmarkt gebummelt, aber der Dauerregen hielt uns davon ab, auch schon am Vortag, wo eine Regenpause abrupt endete, als wir gerade auf dem Weg waren. Es zeigte sich mal wieder, dass ich endlich Zeit finden muss, mir neue Winterstiefel zu kaufen, denn die jetzigen lassen Wasser durch, werden einfach nicht mehr trocken. Dementsprechend sind meine Füße meist klamm und kalt. Mal gucken, ob ich diesen Winter noch zu einem Neukauf komme - vermutlich spätestens in der Reha, aber vorher wäre besser.

Die Nacht war voller Panikattacken, nicht schön. Ich musste ohne CPAP-Gerät schlafen, weil die Full-Face-Maske zu Panik führte, und bekam so keinen erholsamen Schlaf.

Sonntag registrierte ich langsam, dass das Pendeln ein Ende hat. Zwar werden wir noch manchen Tag in der Wohnung verbringen, bis sie bereit zur Übergabe ist, aber ich hoffe, das ist für mich dann immer mal nur ein Tag am Wochenende. Der Gatte will sich dort häuslich einrichten, während ich in der Reha bin, und hofft, dass er so möglichst viel schafft. Er hat die Wohnung komplett verkabelt, so dass einige Meter Kabel entfernt und Dübellöcher verputzt werden müssen. Außerdem ist dort vieles für den Sperrmüll bzw. das Gebrauchtkaufhaus (das wird in Hamburg mit einer Abfuhr erledigt), müssen Gardinenstangen, Jalousien, elektrische Leinwand noch abgenommen werden ... Wir haben bis Ende März Zeit dafür. Das ist nicht so viel, wie es scheint, denn ich bin fünf, sechs Wochen in der Reha (und arbeite in der anderen Zeit). 

Ansonsten ließ ich den Tag verhältnismäßig ruhig angehen, putzte die Küchenschränke und ging die Kartons durch, um das nötigste für die kommenden Wochen zu finden. Ausgepackt wird nur das Alltagsgeschirr. Die anderen Geschirre wandern erstmal in Gartenhaus, bis die neue Küche da ist, wann auch immer das sein mag. Ich muss ja ein paar Wochen um die Geschirrspülmaschine, die mitten im Weg steht, herum planen und habe dadurch wenig Platz. An den Hochschrank über der Geschirrspülmaschine komme ich beispielsweise gar nicht. Da ich es nicht schaffte, alle Küchenschränke vor dem Umzug auszusortieren, kam viel Geraffel mit, das eigentlich weg sollte. So füllt sich langsam die dritte Tasche für das örtliche Gebrauchtkaufhaus. Wir haben uns entschieden, das Kaffeeservice von unserem Alltagsgeschirr wegzugeben. Es gab in den letzten 25 Jahren bei uns quasi keine Kaffeetafel. Wir trinken nachmittags Tee. Und falls doch mal Kaffeebesuch ansteht, zum Beispiel zum Frühstück, sind noch drei Geschirre von der Großmutter des Gatten da. Das sollte reichen. 

Insgesamt war es einer der merkwürdigsten Heiligabende, die ich je erlebte. Wir hatten noch nicht mal einen Weihnachtsbaum, denn der Gatte baute den künstlichen, den er kaufte, nicht zusammen. Das Wohn- und Esszimmer ist noch nicht wirklich gemütlich. Überall stehen Kartons, und vom Sofa aus kann man kein Fernsehen gucken (wir sind passionierte Fernsehgucker). So verbringen wir die Abende meistens im ersten Stock in unseren Arbeitszimmern. Ich dachte an das letzte Weihnachten mit meiner Mutter, das sehr vergiftet war, aber mehr noch an die Weihnachtsfeste, die ich in Israel erleben durfte (und daran, wie wir Erdbeeren am Strand von Tel Aviv aßen, die unvergleichlich saftig und süß waren). Wie anders ist es dieses Jahr!

Als ich abends in Bett ging, stand ich lange in der geöffneten Balkontür und lauschte den Kirchenglocken der Christmette. Die Wolkendecke riss auf, Vollmond und Jupiter waren zu sehen. Ein schöner Moment.

Montag waren wir zum Mittagessen bei Schwiegermutter und Tante. Es war merkwürdig, vom Haus nach Hamburg zu fahren, umso mehr, da Schwiegermutter ja in einer Seniorenwohnanlage in Nachbarschaft zu unserer Wohnung lebt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, dass die Wohnung nach 20 Jahren nicht mehr unser Zuhause ist. Ich weiß im Moment nicht so ganz, wo ich zu Hause bin. Der Nachmittag mit Schwiegermutter und Tante war sehr harmonisch. Schwiegermutters Harthörigkeit und ihre Weigerung, ein Hörgerät zu tragen, macht die Kommunikation allerdings schwierig. Aktuell glaubt sie, der Gatte und ich planen eine Reise nach Südamerika . wie auch immer sie darauf kommt.

Als wir nach Hause kamen, hing eine Weihnachtsüberraschung der überrechten Nachbarn vor der Tür - von ihnen hätte ich sie am Wenigsten erwartet. Um so mehr freute ich mich. Meine Mutter war total zerstritten mit dem Paar, und ich bin froh, dass es mit uns einen Neuanfang gibt. Ich hatte unsere Weihnachtsüberraschungen verteilt, bevor wir nach Hamburg fuhren - Seife von Manar Soap für die vier Nachbarn in unserer Reihe und für die beiden Freundinnen (und natürlich Schnobkram). Eine schöne Abwechslung war, dass es seit Tagen endlich mal nicht regnete. Es schien sogar die Sonne!

Dienstag versuchten wir weiterhin, gegen die Massen an Umzugskartons anzukämpfen, aber es fehlt komplett die Motivation. Der Gatte schaffte mehr als ich. Ich bin total kraftlos. Wir überlegten kurz, uns jemanden zum Auspacken zu holen, verwarfen den Gedanken aber schnell wieder, denn wir müssten genau erklären, was wohin soll, und in der Zeit hätten wir die Sachen auch schon selbst ausgepackt. Immerhin war's gelegentlich trocken, so dass ich leere Umzugskartons ins Gartenhaus tragen konnte, ohne zu sehr im Matsch zu versinken. Ich bereitete die Kalender für 2024 vor, schrieb die Schadensmeldung für das Umzugsunternehmen, kündigte Mieterverein, Stellplätze und Wohnung und räumte ein paar Sachen von links nach schräg. Insgesamt ein wenig produktiver Tag. Am frühen Abend standen die rechten Nachbarn vor der Tür, überbrachten einen Weihnachtsgruß und Brot und Salz zum Einzug. Wie schön!

Mittwoch realisierte ich, dass ich nach dem Stress der letzten anderthalb Jahre in ein Depressionsloch fiel und versuche seitdem, da wieder heraus zu kommen. Dem Gatten geht's ähnlich - er bereut sogar phasenweise den Umzug! Ihm fällt jetzt das als negativ auf, was ich vor anderthalb Jahren zu bedenken gab. Damals wischte er meine Bedenken beiseite. Ich hoffe, er berappelt sich bald wieder, kommt zur Ruhe und sieht die Vorteile des Kleinstadtlebens, die ihn letztlich zum Umzug bewogen. Zu den Vorteilen geht auf jeden Fall der Diabetologe! Kommende Woche bekommt der Gatte die Diabetes-Schutz-Schuhe angepasst. Außerdem bekam der Gatte zusätzlich zu seinem Sensor auch Teststreifen, um den Blutzucker auch so zur Kontrolle messen zu können. Der bisherige Diabetologe sagte, das wäre nicht möglich, weswegen wir privat Blutzuckermessgeräte kauften. Das wäre gar nicht nötig gewesen, und die Teststreifen sind sogar kostenlos. Was für einen Unterschied dieser Arztwechsel doch macht! 

Mittwoch schafften wir es endlich, ein Antennenkabel quer durch's Zimmer zu legen und den Fernseher aus dem Esszimmer im Wohnzimmer anzuschließen, so dass wir vom Sofa aus fernsehen können. Zwar könnte schon längst der Fernseher aus der Wohnung ans digitale Netz angeschlossen sein, aber das schaffte der Gatte noch nicht - wie so vieles. Wir müssen Geduld miteinander haben.

Mittwoch kam ich auch endlich dazu, neue Winterstiefel zu kaufen, die wasserdicht sind. Dadurch, dass wir den für diesen Tag geplanten Umzug des Lagers erstmal aufschoben, hatte ich tatsächlich so etwas wie einen Urlaubstag.

Hier gilt seit mittlerweile 198 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch  vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Alle drei sind leider ziemlich unvorsichtig, tragen keine Masken. Meine eigene Corona-Infektion scheine ich bislang ganz gut weggesteckt zu haben. Ich hoffe, das hinterlistige Virus sorgt nicht noch für irgendwelche Überraschungen. Generell scheint es momentan alle zu erwischen, die die letzten vier Jahre verschont blieben, zum "Team Vorsicht" gehörten. Im Umfeld nehmen die Infektionen zu. Anfang Dezember rauschte Corona zudem durch's Büro - nach einem maskenlosen Termin waren alle Teilnehmerinnen infiziert ... 

ansonsten schiebe ich ziemlich oft Panik, habe Angst, es nicht zu schaffen mit Pendeln, Job, Haushalt, Gatten-Betreuung ... Der Haushalt ist nicht wirklich größer, aber eben verteilt auf vier Etagen, und das, was ich brauche, ist grundsätzlich auf der anderen Etage. Ich hatte gehofft, dass wir noch vor meiner Reha eine Putzfrau haben werden, aber das mit der ehemaligen Putzfrau meiner Mutter geht sich gerade nicht aus, und eine andere suchen wollen wir aktuell nicht. Mich belastet auch, dass wir noch Wochen, Monate zwischen Kartons leben werden. Ich habe irgendwie keine Kraft mehr für Provisorien. Und dann ist da noch die Wohnung, die bis Ende März übergabereif sein muss. Darum muss ich mich nach der Reha mit Hochdruck kümmern und hoffe, ich schaffe es. Falls nicht, soll der Vermieter seine Handwerker einsetzen, müssen wir die Kosten dafür irgendwie aufbringen. Ich versuche, einen Schritt nach dem anderen zu gehen.  

Zwölf Wochen nach dem Simchat-Tora-Pogrom beschäftigt mich Tag für Tag die Situation in der Herzensheimat. Ich hatte gehofft, dass zum Jahreswechsel alle 129 Geiseln befreit sind. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Einen guten Rutsch in ein gesundes, glückliches neues Jahr!

2 Kommentare:

  1. Happy New Year von einer stillen Leserin :) Alles Gute und viel Kraft für 2024!

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.