Sonntag, 7. Dezember 2025

Samstagsplausch KW 49/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXCIX

In dieser Woche arbeitete ich nach einem halben Jahr Pause zum ersten Mal wieder. Als ich Mitte Juni zum letzten Mal ins Echtbüro fuhr, stand der Gatte in der Haustür, winkte mir zum Abschied, und als ich nachmittags wieder nach Hause kam, wartete er mit dem Tee. Es folgten noch zwei Tage im Heimbüro, dann zwei Wochen Urlaub, an dessen letztem Tag der Gatte als Notfall ins Krankenhaus kam. Der Aufenthalt sollte zu seinem Tode im Oktober führen. Sechs Wochen nach seinem Tod jetzt also wieder der Start ins Berufsleben. 

Willkommensgruß meiner Kolleginnen.

Es ist unwahrscheinlich schwer. Ich weine viel. Meine Kolleginnen sind entzückend, überschütten mich mit Wärme, Herzlichkeit, Verständnis und Geschenken, aber dennoch: Es ist schwer. Mir fehlt die Konzentration, ich bin erschöpft und ausgebrannt. Die Trauer überlagert alles. Aber ich weiß, dass ich die Struktur, den geregelten Tagesablauf, die soziale Interaktion brauche. 

Sonntag war ich wie jeden ersten Advent in den letzten beiden Jahrzehnten bei Schwiegermutter. Bis wir beschlossen, uns nichts mehr zu schenken, war da Wunschzettelschreiben angesagt. Der Gatte gestaltete richtige Kunstwerke! Die Tradition wollte es zudem, dass der Gatte die erste Kerze am Adventskranz anzündet. In diesem Jahr fehlt der Gatte. 

Schwiegermutter war erschreckend klapperig, taumelig, völlig neben der Spur. Kurz überlegte ich, ob sie einen Schlaganfall haben könnte. Es scheint aber, dass sie sich mit einem Beruhigungsmittel, das ihre Ärztin ihr verschrieb, ausknockte, denn einen Tag später war sie wieder halbwegs normal. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Schwiegermutter schenkte mir ein Foto vom ersten Weihnachtsfest in unserer ersten Wohnung. Wie jung, verliebt und glücklich der Gatte und ich uns darauf ansehen!

Auf dem Rückweg hatte ich einen Auto-Unfall, in dessen Folge ich durch die Polizei belehrt wurde, dass Fahrerflucht keine strafrechtliche Relevanz hat. Schon schön! Der Unfallverursacher flüchtete nämlich, und ich wollte ihn anzeigen. Er hat den Unfall ganz sicher mitbekommen, denn er verzögerte seine Fahrt, beschleunigte erst, als er sah, dass es einen Schaden gab. Der junge Mann, der auf meinen Wagen auffuhr, bekam von mir das Kennzeichen der Fahrerflüchtigen. Bei meinem Wagen (und bei mir) entstand zum Glück kein nennenswerter Schaden. Bei dem Wagen des jungen Mannes sah es schon anders aus. Und ja, ich weiß, rechtlich ist der Fahrer Schuld, der auf meinen Wagen auffuhr, aber zur Vollbremsung zwang mich der Fahrer, der meinen Wagen schnitt. Mir blieb nur die Vollbremsung, wollte ich Wagen, der mich schnitt, nicht rammen. Aber Fahrerflucht hat wie gesagt laut Polizei keine strafrechtliche Relevanz, also kommt der Fahrer mit seinem asozialen Verhalten davon.

Ich fuhr dann weiter ins Lager, um noch mal zu gucken, dass ich alles Wichtige mitnahm. Ich fand die Taufkerze des Gatten, was Schwiegermutter sehr freute, und einige Fotos, was mich sehr freute. Generell fehlen mir viele Fotos. Ich hoffe, die tauchen noch irgendwo hier im Haus auf. Im Lager musste ich dem Impuls widerstehen, alles einzupacken und mitzunehmen. Stattdessen beauftragte ich den Entrümpler und kündigte das Lager. Ich kann einfach nur hoffen, dass ich alles, was mir emotional wichtig ist, herausholte. 

Das Karlchen wurde vom ADAC überbrückt und schaffte es dann aus eigener Kraft zu Opel. Das ist schon mal ein gutes Zeichen, denke ich. Auf dem Weg dorthin dachte ich ein paar Mal, ich bin völlig falsch, denn es war sehr ländlich. Mir flogen sogar Rebhühner vor's Auto! Der Opel-Mechaniker vermutet, dass die defekte Zentralverriegelung für Ruhestrom sorgt. Ich muss in den nächsten Tagen mal anrufen und fragen, wie es aussieht. Die Werkstatt machte einen guten Eindruck, nicht nur wegen des Werkstatt-Hundes, sondern auch, weil man zuhörte, mir alles genau erklärte. Ich bekam auch einen Tipp für eine Opel-Werkstatt, die mit dem ÖPNV erreichbar wäre und die ich über Google nicht fand. Für den Moment bleibe ich bei dieser Werkstatt. Sicher würde mich auch der überrechte Nachbar dorthin fahren, wenn ich frage, aber daran dachte ich jetzt nicht. 

Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren coronabedingt weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten steckte er sich bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. Jetzt ist Woche 299.

Dieses Wochenende bin ich seit dem Todes des Gatten zum ersten Mal alleine, ohne Besuch, ohne Verabredungen. Das ist schwer, ungewohnt, aber ich muss lernen, Stille, Leere und Einsamkeit auszuhalten. Falls es zu schlimm wird, habe ich mir heute eine Veranstaltung herausgesucht, zu der ich spontan gehen kann, oder ich gehe ins Kino. Aktuell laufen viele Filme, die ich sehen möchte. Außerdem sind da Nachbarinnen, zu denen ich jederzeit mit Strickzeug gehen kann. Dafür bin ich dankbar. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

1 Kommentar:

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