Donnerstag, 26. September 2019

Der Verspätungsschal im Juli

Passend zum Hamburger ÖPNV hat der Verspätungsschal gerade enorme Verspätung ... Hier kommt der Juli-Beitrag, der an der Link-Party "Du für Dich am Donnerstag" teilnimmt. Wie ich zu dem Projekt kam, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge zu dem Projekt findest Du hier.

Der Juli war der bislang verspätungsintensivste Monat: 379 Minuten Verspätung auf 38 Fahrten, darunter eine Fahrt mit 58 Minuten Verspätung.
Im Juli zählte ich 38 HVV-Fahrten mit 379 Minuten Verspätung, was im Schnitt 9,97 Minuten Verspätung entspricht. 8 Fahrten waren pünktlich. Rechne ich die Fahrten mit ein, die unter 5 Minuten verspätet waren, komme ich auf 25 Fahrten. 8 Fahrten waren mehr als 20 Minuten verspätet - eine Fahrt ganze 58 Minuten.

Für zwei Fahrten gibt es eine Entschädigung von jeweils 1 €, für die anderen nicht, denn es ist Schienenersatzverkehr (SEV) und da gilt: Was nicht fährt, kann nicht verspätet sein. Bei zwei Fahrten kam es zu der putzigen Situation, dass ich 4 bzw. 5 Minuten früher am Ziel war als es laut Fahrplan möglich ist. Der Bus kam gut durch, und die S-Bahn war so verspätet, dass es sofort Anschluss gab.

Seit dem 27. Juni ist das S-Bahn-Dreieck Othmarschen - Holstenstraße - Altona für die Dauer der Sommerferien gesperrt. Die Ausweichstrecken sind komplett überlastet: Zu viele Menschen auf zu engem Raum, Staus durch Baustellen - Baustellenkoordination in Hamburg heißt, dass überall gleichzeitig Baustellen sind.

So gibt es auf allen Buslinien, die ich alternativ zur S-Bahn nehmen könnte, Straßenbauarbeiten - Anfang Juli sind's hamburgweit 84 Baustellen. Die Busse stehen also im Stau, sind bis zu 30 Minuten verspätet (okay, angesichts der bis zu 80 Minuten verspäteten S-Bahnen geht das schon wieder ...). Kommen dann noch Staus auf den Autobahnen dazu, geht zumindest in Hamburger Westen, wo ich wohne, auch bei den Buslinien nichts mehr. Und verglichen mit dem Süden und Osten der Stadt jammere ich noch auf hohem Niveau.

Parallel stemmt Hamburg einige Großveranstaltungen, so dass die Buslinien in der Innenstadt umgeleitet werden. Und wenn man schon mal dabei ist, kann man ja auch an der U-Bahn bauen und die Linien teilweise einstellen. Eins muss man der Hamburger Verkehrspolitik lassen: Wenn Chaos, dann richtig.

Den SEV wollte ich erst gar nicht ausprobieren, als ich sah, dass der dafür eingesetzte Bus abfährt, wenn mein Bus ankommt - bei der S-Bahn habe ich zumindest theoretisch zwei Minuten Zeit zum Umsteigen. Außerdem: Ein Bus ersetzt keine sechs oder mehr S-Bahn-Wagen, selbst, wenn es ein Gelenkbus ist. Nach drei Tagen meinte ein angesichts seines übervollen Busses entnervter Linienbus-Fahrer, die SEV-Busse führen leer, weil die Fahrgäste alle auf die Linie ausweichen - klar, das wird ihnen ja auch in der App empfohlen.

Ich probierte daraufhin den SEV aus. Da klappte es - einen Tag später dann wieder nicht, weil inzwischen mehr Leute auf den SEV auswichen, der SEV ausfiel, Umleitungen fuhr oder im Stau stand. Es gab tumultartige Szenen bei Ein- und Ausstiegen, wenn die Busse schon völlig überfüllt ankamen. Mein Verspätungsrekord waren 58 Minuten plus 34 Minuten reguläre Fahrzeit.

In den ersten Tagen ließ ich vor jeder Fahrt die HVV-App entscheiden, wie ich fahre. Zur Wahl standen Bus-Bus-S-Bahn, Bus-Bus, Bus-S-Bahn-Bus, Bus-U-Bahn-Bus-Bus oder Bus-Bus-U-Bahn. Da ich in Elbnähe wohne, erwog ich den Einbau einer Fährverbindung, um einmal alle Möglichkeiten durchgespielt zu haben ...

Da ich tatsächlich alle Verbindungen auch mehr oder weniger häufig während der Schulzeit nehme, habe ich einen direkten Vergleich und kann sagen, dass sie aktuell wesentlich stärker frequentiert sind. Normalerweise muss ich, wenn ich bei mir vor der Haustür in den Bus einsteige, maximal zwei Stationen stehen. Aktuell bin ich phasenweise froh, wenn ich überhaupt noch in den Bus komme.

Nach einer Woche ignorierte ich die App und den SEV, fuhr morgens eine Stunde eher los, machte entsprechend eher Feierabend und nutzte die Kombi Bus-Bus-S-Bahn bzw. Bus-Bus-Bus. Ich ließ auf dem Rückweg auch öfter mal einen Bus sausen, weil ich keine Lust mehr hatte, mich hineinzuquetschen (das zählte ich natürlich nicht als Verspätung). Die Linie, die vor meiner Haustür hält, war ohnehin so verspätet, dass die Busse im Abstand weniger Minuten kamen - wenn sie denn kamen.

Eine Entschädigung für die Verspätungen gibt es während der Bauphase nicht. Ich fände es angemessen, wenn SEV-Phasen finanziell entschädigt würden, es für Abokarten-Inhaber beispielsweise pauschal 20 % Preisnachlass, wenn die Schnellbusse und DB-Züge freigegeben würden, wenn Park+Ride-Plätze in dieser Zeit kostenlos nutzbar wären, wenn nicht parallel noch Bauarbeiten auf Ausweichstrecken stattfänden, Baustellen tatsächlich koordiniert würden.

Aber stattdessen wird die nächste Preiserhöhung angekündigt, kann ich froh sein, dass ich nicht draufzahlen muss, durfte ich doch mehr Zeit als sonst im ÖPNV verbringen, wird großspurig eine Qualitätsoffensive angekündigt, mit der man die nächste Preissteigerung rechtfertigen kann (die dann auch prompt angekündigt wurde), die aber keine Verbesserung bringen wird, solange an Personal und Material gespart wird, die Beteiligten des Verkehrsverbundes unabhängig voneinander agieren, nicht vernetzt sind.

Ich habe auch keinen Bock auf das xte Shuttle-Angebot, das das Chaos mindern soll. Ich will einfach nur einsteigen und ankommen - und das im Idealfall auch noch pünktlich.

Beim Juli-Abschnitt habe ich für die Strecke Zuhause - Büro die Zeit zugrunde gelegt, die ich normalerweise fahren würde, also 38 Minuten für den Hinweg und 34 bzw. 42 Minuten für den Rückweg. Würden die Anschlüsse funktionieren, bräuchte ich mit Bus-Bus-U-Bahn gerade mal 8 Minuten mehr als mit meiner üblichen Bus-S-Bahn-S-Bahn-Kombi. An guten Tagen brauchte ich auf dem Hinweg mit der Bus-Bus-S-Bahn-Kombi genau so lange - das sind die Streifen, die tatsächlich hellgelb oder gelb sind.

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