Montag, 30. September 2019

Plaça de Sant Joan in Son Servera (Mallorca / Spanien)

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Gestern holte sich das blaubraune Pack erneut eine Schlappe bei dem Versuch, in Hamburg zu demonstrieren: 68 Rechte trauten sich auf die Straße und sahen sich gut 800 Demokraten gegenüber. Immerhin halten die Blaubraunen ihr Versprechen, viele Menschen auf die Straße zu bringen. 

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Mehr Mallorca-Impressionen gibt es hier.


Blick auf das heutige Café S'Oratge. Im Keller des Gebäudes ist 1936 das Hauptquartier der Franquisten.
Son Servera ist eine Gemeinde im Osten Mallorcas. Die gleichnamige Kleinstadt mit knapp 5.000 Einwohner ist neben Son Carrió einer der wichtigsten Schauplätze der Schlacht um Mallorca im Spanischen Bürgerkrieg, eine Frontstadt. Während Son Carrió von Republikanern eingenommen wird, ist Son Servera einer der wichtigsten franquistischen Stützpunkte.

Wir kommen an einem Sonntag nach Son Servera. Der Gottesdienst ist gerade zu Ende, auf dem Kirchplatz, der Plaça de Sant Joan, herrscht noch reges Treiben in den zahlreichen Restaurants, aber ansonsten sind die Straßen wie ausgestorben. Freitags, am Markttag, ist es anders. Da kommen Touristen aus den umliegend Badeorten in Scharen. Heute sind außer den Einheimischen nur ein paar Wanderer und Radfahrer unterwegs.


Die Kirche San Joan in Son Servera.
Die Republikaner versuchen 1936 vergeblich, den Ort einzunehmen und geraten mit 50 Mann in einen franquistischen Hinterhalt. Drei der vier Überlebenden werden in Son Servera hingerichtet. Einzig der aus Barcelona stammende achtzehnjährige Domingo López überlebt die Erschießung. Er kann schwer verletzt fliehen und sich wieder seinem Kommando anschließen.

Die meisten der etwa 900 Einwohner Son Serveras fliehen. Ihre Häuser werden von Militäreinheiten besetzt. Die Republikaner nehmen die das Dorf umgebenen Hügel und Berge ein und bombardieren von dort aus 20 Tage lang beinahe täglich das Dorf, bis sie sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September 1936 zurückziehen.


Eine der schmalen Straßen Son Serveras, durch die 1936 die faschistische Siegesparade führte.
Das Hauptquartier der Franquisten befindet sich auf der Plaça de Sant Joan, dem Kirchplatz, im Keller des heutigen Café S'Oratge. Hier findet auch die Siegesparade statt. Zum Anführer der Faschisten macht sich der Italiener Arconovaldo Bonaccorsi, der sich den Kampfnamen "Conde Rossi" gibt.

Bonaccorsi, ein Rechtsanwalt, der sich früh Mussolini  anschließt und 1922 als Anführer der Faschisten aus Bologna am "Marsch auf Rom" teilnimmt, hat einen Hang zur Hochstapelei: Quasi im Alleingang habe er die Republikaner zurückgeschlagen und so die Kriegshandlung für die Franquisten entschieden. 

Bonaccorsi ernennt sich zum General, gibt sich den Titel "Löwe von Son Servera", führt ein Terrorregime, berauscht sich geradezu an Gewalt, wird durch zahlreiche Propaganda-Auftritte in mallorquinischen Dörfern zu einer faschistischen Identifikationsfigur. Aber er macht sich sich Feinde, und so setzen spanische Militärs bei Franco durch, dass Bonaccorsi nach einem halben Jahr Mallorca verlassen muss. Der Personenkult um ihn aber bleibt: Bonacorssi wird in vielen Orten zum Ehrenbürger ernannt, erhält noch 1957 einen Orden von Franco.

Blick auf das heute Café S'Oratge und den Kirchplatz.
Im Zuge der Aufarbeitung des Spanischen Bürgerkriegs setzt auch im Umgang mit Bonaccorsi langsam ein Umdenken ein: Alcúdia entzog ihm Anfang 2017 die Ehrenbürgerschaft.

Heute erinnert in Son Servera kaum etwas an den Spanischen Bürgerkrieg: Gelegentlich finden sich vor Geschäften rostige Granatenhülsen als Türstopper, allerdings nicht, wenn man, wie wir, den Ort an einem Sonntag besucht. In den Wäldern finden sich immer noch verrostete Granaten und Patronenhülsen.

Vor zwei Jahren beginnen Wissenschaftler mit der Aufarbeitung der Batalla da Mallorca, der Schlacht um Mallorca: Sie untersuchen Schützengräben, in denen sich Faschisten und Republikaner zwischen dem 16. August und dem 3. September 1936 gegenüberstanden. Das Projekt soll bis 2022 laufen und wird von einem Blog begleitet

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