Samstag, 10. Dezember 2022

Samstagsplausch KW 49/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXLIII

Sonntag wollte ich Mudderns zum Weihnachtsmarkt abholen, aber als ich ins Pflegeheim kam, saß sie nicht wie sonst wartend auf ihrem Platz im Foyer, sondern musste aus dem Gemeinschaftsraum ihres Wohnbereichs geholt werden. Sie hatte nicht vergessen, dass wir verabredet waren, dachte aber, ich käme eine Stunde früher. Auf meine Frage, warum sie denn nicht angerufen habe, antwortete sie, das Heim lasse sie nicht telefonieren. Sie hat ein Telefon in ihrem Zimmer, das sie jederzeit nutzen kann (und nutzt es auch zu allen Tages- und Nachtzeiten, wenn sie etwas von mir will). Mit Mühe bekam ich sie angezogen, aber dann wollte sie nicht spazierengehen, weil ich nicht ihre Gesellschafterin bin und sie nur mit ihr spazierengehen will. Sie fragte mehrfach, warum denn ihre Gesellschafterin nicht da sei, wann sie wiederkomme, sagte, sie vermisse sie so sehr usw. Letztlich brachte ich sie zurück in den Gemeinschaftsraum und ging wieder nach Hause. Ein trauriger Besuch, Erschreckend, wie rasend schnell Mudderns geistig und körperlich abbaut. 

Durch den ausgefallenen Weihnachtsmarktbummel kam ich Sonntag im Hellen nach Hause, was auch mal ganz schön war. 

Hier gilt seit mittlerweile 143 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Blick vom Jungfernstieg auf die Alstertanne, die jedes Jahr in der Adventszeit auf dem Fluss steht.

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit Juli Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Sie ist aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. Corona wird ja anscheinend langsam endemisch - wären da nicht die weiterhin hohen Todeszahlen. 

Blick auf den Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg.

Montag bekam ich schriftlich, dass der Baukredit bewilligt ist und ausgezahlt wird, sobald ich drölfzich weitere Bedingungen erfülle ... 

Dienstag war Nikolaus, und erstmals beschenkten der Gatte und ich uns nicht. Das zeigt unser aktuelles Stresslevel. Morgens brachte ich eine Überraschungstüte bei Schwiegermutter vorbei, die sich sehr freute. Nachmittags holte mich der Gatte im Büro ab, damit wir Weihnachtsgeschenke für Tante und Schwiegermutter kaufen und über die Weihnachtsmärkte in der Innenstadt bummeln konnten. Wir sahen sogar den Nikolaus! Vor Corona  bummelten wir jedes Jahr in der Adventszeit über die Weihnachtsmärkte, dann setzten wir aus naheliegenden Gründen zwei Jahre lang aus. 

Mittwoch geriet ich mit einer neuen Kollegin aneinander, der die anderen Kolleginnen, denen sie seit September vorgesetzt ist, schon reichlich Konfliktpotential bescheinigten. Jetzt weckt mein Projekt Begehrlichkeiten, und da musste ich Grenzen abstecken. Es gibt zudem im Rahmen unserer Organisationsentwicklung seitens der Chefs Überlegungen, dass ich verstärkt im Bereich dieser Kollegin arbeite, wogegen ich mich bislang erfolgreich wehre - ich bin schließlich bewusst aus diesem Bereich weggegangen. Ansonsten freut sich Chef, dass bei uns alle vollständig gesund an Bord waren - der Krankenstand ist aktuell in allen Abteilungen, aber auch hamburgweit sehr hoch. Corona kann's ja nicht sein, das ist ja vorbei ... Ich trage weiterhin so oft wie möglich Maske.

Mittwoch fuhren wir auch in die lindgrüne Hölle, weil wir abends in eine Lesung von Wladimir Kaminer* wollten.  Auf dem Weg ins Veranstaltungszentrum bummelten wir über den örtlichen Weihnachtsmarkt, und auf dem Heimweg durch die weihnachtlich erleuchtete Stadt mit einsetzendem Schneefall freuten wir uns darüber, in einer Viertelstunde zu Hause zu sein anstatt wie in Hamburg eine gute Stunde mit zwei Buslinien zu fahren und in den Wartezeiten in der Kälte zu bibbern.

Donnerstag traf ich mich mit Mudderns und ihrer Gesellschafterin zum Frühstück in einem Lokal - das war zumindest der Plan. Es gelang auch tatsächlich, Mudderns zu Fuß ins Lokal zu bekommen, aber dort war sie sichtlich überfordert. Nach einer Stunde bat sie mich, das Auto zu holen und sie nach Hause zu fahren. Ihre Gesellschafterin blieb bei ihr, zum Glück, denn während ich noch unterwegs war, entschied sich Mudderns, sich doch zu Fuß aufzumachen ... Was für ein Unterschied zu unserem letzten Treffen im April oder zu Mudderns Geburtstag im Juli! Immerhin fragte Mudderns, ob wir uns am Wochenende sehen und überlegt, mit mir zum Gottesdienst zu gehen. Nach der Begegnung am letzten Sonntag nahm ich mir vor, sie nicht mit der Frage zu überfordern, ob wir uns wie sonst Sonntag sehen, sondern zu warten, bis sie danach fragt. Die Reservierung für das geplante Brunch an Weihnachten werde ich aber absagen, um Mudderns nicht zu überfordern. Wir müssen mal gucken, was wir dann Weihnachten machen. Zu uns holen können wir Mudderns nicht. Die Fahrt nach Hamburg und zurück wäre zu viel, und das alt-neue Haus ist noch nicht eingerichtet.  

Freitag sollten die Baumaßnahmen, die ja laut Bauunternehmen schon seit 26. September fertig sind, jetzt wirklich fertig sein. Ganz sicher. Fest versprochen. Bestimmt. Vormittags kamen dann auch zwei Handwerker, um die Fliesen zu verfugen, und nachmittags, als wir gerade den Schabbes einläuten wollten, stand die ganze Brigade vor der Tür, um mal eben drei Kloschüsseln, drei Spülkästen, vier Waschbecken, eine Dusche, einen fehlenden Fenstergriff und eine Tür zu montieren ... Heute wollen sie weitermachen, Montag spätestens alles fertig sein - okay, bis auf das Balkongeländer, denn Milchglasscheiben sind angeblich aktuell Mangelware. Heute soll auch der Elektriker kommen und sechs Steckdosen legen, die wir schon seit 1. September haben sollten. Für letzten Sonnabend war der Elektriker auch schon avisiert, kam aber nicht. Gestern hatte er Weihnachtsfeier. Mal schauen, ob er heute kommt - und in welchen Zustand. Es bleibt also spannend.

Freitag unterzeichnete ich den Baukredit. Der Gatte kam mit. Rein rechtlich ist er zwar kein Kreditnehmer, da wir noch in Gütertrennung leben, aber es ist natürlich auch sein Haus und somit auch sein Kredit. Nach dem ganzen Hin und Her wegen fehlender Unterlagen fanden wir auch eine Lösung, falls es diese ominösen Bewilligungsurkunden tatsächlich nicht gibt. Der mittlerweile vierte Bankmensch war tiefenentspannt und versprach, nicht wie seine drei Vorgänger nach dem Gespräch mit mir langzeitzuerkranken und falls doch, sei die Filiale so durchdigitalisiert, dass jederzeit ein Kollege einspringen könne. Die Bedingungen für die Auszahlung des Kredits sind auch sehr niedrigschwellig. Vielleicht wird alles gut?

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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1 Kommentar:

  1. Ach, es wird bestimmt alles gut werden, man darf einfach die Hoffnung nicht aufgeben
    und positiv denken.
    Natürlich ist mir klar, dass das manchmal schwer fällt, kennen wir ja alle ;-)
    Die Sorgen mit und um deine Mutter sind schon schlimm. Es muss furchtbar sein, wenn man ein Elternteil so erleben muss. Es ist schön zu lesen, wie sehr du dich kümmerst.
    Nun wünsche ich dir und deinem Mann ein friedvolles und entspanntes 3. Adventswochenende und schicke
    liebe Grüße
    Jutta

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.