Samstag, 3. Dezember 2022

Samstagsplausch KW 48/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXLII

Erstmals waren wir fünf Tage am Stück im alt-neuen Haus, in der vergeblichen Hoffnung, dadurch endlich mit unserer Eigenleistung bei der Renovierung voran zu kommen. Wir fuhren Freitag Mittag raus, und Dienstag Vormittag ging's zurück in die große Stadt. Hätten wir wieder ein Bad, hätten wir es auch länger ausgehalten. Es scheint aber geholfen zu haben, dass wir dem Bauunternehmer eine Frist setzten und ihm bei Nichteinhalten Kosten für die Verzögerung des Umzugs in Rechnung stellen werden. In zwei Wochen soll alles fertig sein. Wir sind gespannt. Dieses ständige Hin und Her zwischen Stadt und Land macht uns gerade kirre. Der Gatte wird kommende Woche einen Tag in Hamburg sein. Mit Bad könnten wir länger draußen bleiben, aber fünf Tage ungeduscht ist schon echt eine Herausforderung. Immerhin haben wir jetzt wieder im Gäste-WC warmes Wasser, um uns zu waschen. Wochenlang arbeiteten wir mit warmen Wasser aus einer Thermoskanne. Gerade für den kranken Gatten ist warmes Wasser wichtig.

Die Kirche im Dorf am ersten Advent.

"Was für ein schöner Sonntag!", meinte Mudderns glücklich beim abendlichen Telefonat. Ich hatte es endlich geschafft, sie zu überreden, wieder in die Kirche zu gehen, wo sie seit ihrem Sturz vor einem halben Jahr nicht mehr war, und holte sie Sonntag früh ab. Dabei erfuhren wir, dass es ab dem kommenden Jahr auch wieder im Heim Gottesdienst geben wird. Mudderns ist der Kontakt zu ihrer Gemeinde zwar wichtig, aber Gottesdienst im Heim wäre eine Alternative, falls ich sie nicht abholen kann oder die Uhrzeiten ihr nicht passen, denn nicht jeden Sonntag beginnt der Gottesdienst um 10 Uhr. 

Ich war nach 21 Jahren zum ersten Mal wieder in der Kirche, in der ich getauft und konfirmiert wurde. Lange Zeit war ich auch im Kirchenchor, bis ich wegen Nichtsingenkönnens und damit einhergehenden Gemobbes der anderen Chormitglieder freiwillig ging. Seit 24 Jahren bin ich keine Christin mehr, aber es war erstaunlich, dass ich große Teile des Ritus' noch immer intuitiv kenne. Die Kirche ist inzwischen innen weiß, nicht mehr taubenblau wie früher (was ich hübscher fand), und wirkt merkwürdig kahl - die Adventssonntage in der Kindheit habe ich prächtiger in Erinnerung. Erfreulicherweise war die Kirche gut gefüllt, viele Konfirmanden waren dabei - und die coolen Kids saßen wie früher auf der Empore. Man kennt sich in der Gemeinde, und Fremde wie ich fallen auf.

Schade fand ich, dass ich nicht mitsingen durfte - sowohl Mudderns und ich können zugegebenermaßen nicht singen und wurden deswegen von den anderen Gemeindemitgliedern oft derart abgekanzelt, dass wir nicht mehr singen. In Kirchen müssen halt alle singen wie die Engel. In Synagogen reicht es, so gut zu singen, wie man kann - auch ein Grund zur Konversion. Wobei: Der Organist schaffte es, selbst schmissige Weihnachtslieder wie "Tochter Zion" so zu spielen, dass sie deprimiert klangen, als spiele er mit angezogener Handbremse. Da hätte das Singen keinen Spaß gemacht. "Tochter Zion" ist eines meiner Lieblingskirchenlieder. 

Mudderns tat der Gottesdienst wirklich gut, auch wenn sie wie üblich die Kirche früher verließ und ungeduldig, ungehalten wurde, als ich sie dann auch noch bat, zu warten, weil ich Brötchen holen wollte. Sie traf kaum Bekannte, konnte sich nicht unterhalten, und zum Umtrunk im Gemeindehaus wollte sie nicht. Morgen werden wir nicht in den Gottesdienst gehen, denn der beginnt erst um 11 Uhr, das passt nicht mit dem Mittagessen, aber für den dritten Advent versuche ich wieder, Mudderns zu überreden.

Sorgen macht, dass Mudderns immer weiter geistig abbaut. Sonntag fand sie den Weg in den Speisesaal nicht mehr. Zufällig stand ich noch im Foyer, als sie aus dem Aufzug kam, und konnte sie in den Speisesaal bringen. Sie verlief sich öfter im heim, aber in der letzten Zeit hatte sie es ganz gut im Griff, brauchte die Etagenpläne, die ich ihr machte, nicht mehr. Erfreulich war, dass Mudderns sowohl Adventskalender als auch Hyazinthe, die ich mitbrachte, annahm, dass die Mitbringsel kein Geschrei auslösten, weil sie aus irgendeinem Grund falsch waren.  

Improvisierter Advent im alt-neuen Haus. Stabkerzen sind aktuell schwierig zu bekommen, warum auch immer.

Dass ich Sonntag mal nicht nach Hamburg zurückfuhr, weil ich Montag ins echte Büro muss, war ganz schön. Ich hatte meine Heimbürotage getauscht und konnte auf dem Lande bleiben. So konnte ich mit dem Gatten Advent feiern, konnten wir zusammen zu Abend essen und einen ruhigen Abend verbringen. 

Hier gilt seit mittlerweile 142 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit Juli Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Sie ist aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. Corona wird ja anscheinend langsam endemisch - wären da nicht die weiterhin hohen Todeszahlen. 

In Schwiegermutters Seniorenwohnanlage sind anscheinend die Quarantäneregeln außer Kraft gesetzt, denn infizierte Mitbewohner dürfen neuerdings zum Essen in den gemeinsamen Speisesaal. Immerhin scheinen da die Schnelltests noch zu greifen, denn die sind bei den aktuellen Virenvarianten wohl arg unzuverlässig. PCR-Tests wären besser, werden hier aber kaum noch durchgeführt. 

Montag wurde unser Baukredit bewilligt - eigentlich ein Grund zum Feiern. Nur leider zahlt die Bank den Kredit erst aus, wenn eine bestimmte Unterlage vorliegt, die es hier im Landkreis erst für Neubauten ab 1980 gibt - unser Haus wurde 20 Jahren früher gebaut. Heißt, ich zahle monatliche Kreditraten, bekomme aber kein Geld ausgezahlt, weil ich eine Unterlage liefern soll, die es schlichtweg nicht geben kann. Gelingt es mir nicht, binnen eines halben Jahres eine Lösung zu finden, zahle ich zu den monatlichen Kreditraten auch noch Strafzinsen. Ein lohnendes Geschäft für die Bank, nur nicht für mich, denn defacto stehe ich noch immer ohne Geld da. Ich bin versucht, mich daran zu erinnern, dass sowohl der Gatte als auch ich aus einem anderen Leben eine graphische Ausbildung haben ... 

Donnerstag hatte ich ungeplant frei - ein Fest! Normalerweise sind seit drei Jahren meine Tage zwischen 6 und 22 Uhr strikt durchgeplant, erzeugt jede Terminverschiebung einen Domino-Effekt. Das war diesmal nicht anders, aber ich entschied mich, den eingereichten freien Tag trotzdem wie geplant zu nehmen, und das tat mir wirklich gut. Ich habe zwar kaum etwas von der Hausarbeit geschafft, die ich schaffen wollte, aber einen ganzen Tag zu Hause hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich drehte mich um sechs Uhr nochmal um und schlief insgesamt fast 11 Stunden. Neben der Dusche fehlen uns auf der Baustelle hauptsächlich die Betten. Luftbetten sind auf Dauer kein adäquater Ersatz. 

Freitag kippte Mudderns um. Der Blutdruck war jenseits von Gut und Böse, und die Beine versagten - wieder mal. Sie lehnte es natürlich ab, ins Krankenhaus zu gehen, weiß ja alles besser. In solchen Momenten bin ich froh, dass Mudderns im Pflegeheim ist und nicht in ihrem Haus, wo sie im Zweifelsfall niemand findet. Schon am Vortag konnte Mudderns kaum laufen. Stock oder Rollstuhl lehnt sie ab, dabei wäre der Stock auf kurzen Wegen eine Stütze.  

Zu den guten Dingen diese Woche gehört, dass die Sehnenscheidenentzündung im rechten Ellenbogen nach vier Wochen endlich besser wurde. Es schmerzt kaum noch. Ich muss nur daran denken, den Arm nicht wieder zu überlasten, nichts Schwereres zu heben als einen leeren Kaffeebecher ... Vom Gatten wurde ich mit einem Rosenstrauß überrascht. Das kam seit einem Jahr nicht mehr vor und zeigt, wie gestresst wir sind. Früher bekam ich jede Woche einen Blumenstrauß, wenn wir auf dem Wochenmarkt waren.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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