Sonntag, 14. Mai 2023

Samstagsplausch KW 19/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXV

"Eine Begegnung mit deiner Mutter war immer etwas ganz Besonderes", schrieb die Sandkastenfreundin. Mich erreichen anrührende Kondolenzen, die alle ein anderes Bild meiner Mutter zeigen. Sogar die demenzkranke Mutter der Sandkastenfreundin schrieb! Meine Mutter berichtete immer davon, wenn sie die Freundin oder deren Eltern in der Stadt traf, und so schickte ich ihnen Traueranzeigen. Unser Plan, mit zwei Anzeigen in der Lokalpostille möglichst viele Menschen zu erreichen, ging auf. So meldete sich die "Apfelbaum-Freundin", eine Dame, die jeden Herbst vorbei kam, um sich Äpfel zu holen, aus denen sie Apfelmus kochte. Im letzten Jahr versuchte ich vergeblich, sie zu kontaktieren. Jetzt habe ich ihre Adresse, und dieses Jahr bekommt sie wieder Äpfel. Der alte Apfelbaum schmollt nämlich nach dem Beschnitt nicht mehr, sondern blüht. 

Sonnenaufgang vor Travemünde.

Es ist spannend zu erfahren, welche Facette meine Mutter wem zeigte. Jeder lernte eine andere Seite kennen. Als Kind machte mir das sehr zu schaffen, denn ich suchte angesichts der Situation zu Hause oft vergeblich nach Unterstützung und Schutz. "Deine Eltern sind so nett. Du musst dir nur Mühe geben, dann wird es auch besser, sind sie netter zu dir. Du musst dankbar sein, dass du solche Eltern hast.", waren häufig gehörte Aussagen. 

Zeit zum Trauern bleibt nicht, und ich ahne, das rächt sich irgendwann. Ich hatte die Hoffnung, mir die Woche nach der Trauerfeier freinehmen zu können, aber das wird dienstlich schwierig. 

Die wundervolle Kollegin, die mich vertritt, wurde in den letzten zehn Tagen, in denen ich größtenteils ungeplant abwesend war, überrannt, schlug sich wacker, ist jetzt im mehr als verdienten Urlaub und sagte schon, dass sie sich jetzt auch die kommende Vertretung zutraut. Sie wurde ins kalte Wasser geworfen und musste Druckfreigaben lernen. Die Druckfreigabe sollte eigentlich erst Ende dieser Woche erfolgen, wo ich wieder da gewesen wäre, aber die Druckerei stellte plötzlich fest, dass 300.000 Broschüren doch ganz schön viel sind und sie sich damit übernommen hat, zog deswegen alles vor. Meine Vertretung wurde zum Glück vom Team aufgefangen, und für alles, was das Team nicht auffangen konnte, hatten wir eine Standleitung. Eine Druckfreigabe am Taschentelefon vom Liegestuhl aus hatte ich auch noch nicht. Ohne Smartphone wäre ich aufgeschmissen gewesen. Hätte ich geahnt, dass das auf mich zukommt, hätte ich den Klapprechner dabei gehabt. 

In meinem angedachten Urlaub nach der Trauerfeier müssen nur 400 Plakate freigegeben werden, und das sollte die Kollegin tatsächlich locker schaffen, zumal unser Graphiker mir den ersten Entwurf für Montag zusagte. Die Kollegin gab zudem die Parole aus: "Alles, was wir jetzt schon auf den Weg bringen, entlastet die Arroganz nach ihrer Rückkehr, also legt los!", was ich entzückend fand. Vorher stimmte sie mit mir ab, was noch zu machen ist. Es zahlte sich aus, dass ich von Beginn an sagte, sie müsse im Ernstfall alles können, was ich kann, und sie entsprechend einarbeitete - bis auf den Prozess der Druckfreigabe. Da war die Einarbeitung in diesen Tagen geplant, aber nun sprang die Kollegin ins kalte Wasser und schwamm sich frei. Es war ihr fürchterlich unangenehm, dass sie mich immer wieder kontaktieren musste, aber die Fragen, die sich ihr stellten, konnte sie sich nicht selbst beantworten, weil sie in diesem Bereich komplett neu ist.

Hier gilt seit mittlerweile 165 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weder der Gatte noch ich haben Lust, zur Entlastung der Rentenkassen beizutragen.

Diese Woche feierte Tante ihren 90. Geburtstag, und Schwiegermutter beschloss, dass sie das in Travemünde machen möchte. Tante wäre lieber in Dachau geblieben, schließlich kommt zu solchen Gelegenheiten der Bürgermeister. Drei Tage begleiteten wir die beiden als Überraschungsbesuch. An Tantes Geburtstag mussten wir leider schon wieder nach Hamburg, weil der Gatte am kommenden Tag zum Nephrologen musste.

Die Tage in Travemünde waren sehr anstrengend. Das Hotel war einfach nicht für die Damen geeignet, da nicht barrierefrei (und stellenweise wenig gastfreundlich und serviceorientiert). Wir wiesen Schwiegermutter mehrfach darauf hin, aber sie wollte es nicht einsehen. So beschwerte sie sich in einer Tour. In Weißenhäuser Strand wären alle besser aufgehoben gewesen, aber das war Schwiegermutter nicht mondän genug. Tante macht vermutlich drei Kreuze, wenn sie wieder zu Hause ist. Ich hatte gehofft, wenigstens die Stunde zwischen 7 Uhr und 8 Uhr für mich zu haben und in der Turnhalle rudern zu können, aber Schweigermutter machte mir einen Strich durch die Rechnung, indem sie um 7:30 Uhr geweckt werden wollte, was ich übernehmen musste. 

Ich merke immer wieder, dass mein Nervenkostüm ausgesprochen dünn ist. "Keine Diskussion! Ja oder nein?", ist aktuell einer meiner Standardsätze neben "Ich bin fremdbestimmt und kann nicht planen." als Antwort auf Fragen nach Verabredungen. Nehme ich am Betriebsausflug in vier Wochen teil? Keine Ahnung, was in vier Wochen ist. Ich plane noch nicht mal vier Stunden im Voraus verlässlich. Will ich Ende Juni jemanden über's Wochenende besuchen? Frag' Ende Juni nochmal. 

Aktuell warten wir auf den Termin für die Nieren-Biopsie des Gatten. Die ist laut Nephrologin unumgänglich, wenngleich unsicher ist, ob sie Erkenntnisse liefert. Heißt: Mindestens zwei Tage im Krankenhaus, vermutlich in der ersten Juni-Woche, danach 14 Tage keine körperliche Anstrengung. Der Gatte schob den Eingriff mit Rücksicht auf die Trauerfeier, was lieb ist. Vorher müssen aber Nephrologin, Kardiologe und Hausärztin abklären, ob der Gesundheitszustand des Gatten überhaupt für den Eingriff ausreicht. Außerdem muss er sich bis auf Weiteres jeden Morgen eine Spritze setzen mit einem Medikament, das bei seinem Erkrankungen absolut kontraindiziert ist. Das verunsichert ihn verständlicherweise. Einmal mehr fühlt er sich als Versuchskaninchen. Natürlich kann er sich gegen die Behandlung entscheiden, kann aber die möglichen Folgen nicht abschätzen und vertraut auf die Mediziner. Wir hoffen, dass er den Eingriff gut übersteht. Eigentlich wollten wir durch unseren Notar schon längst Patientenverfügungen aufsetzen lassen, aber der Gatte scheut davor zurück. Verständlich, machen die doch alles endgültig. 

Ich bin physisch und psychisch mehr als am Limit. Ich bräuchte Ruhe, Zeit für mich, aber die gibt es nicht. Der Reha-Antrag ist gestellt. Mal gucken, ob er bewilligt wird. Die Kurz-Maßnahme RV Fit wurde ja bewilligt, aber seitens der von der DRV ausgesuchten Klinik abgesagt und hat sich somit erledigt. Natürlich könnte ich mich ans Telefon hängen und eine andere Klinik suchen, aber ich bezweifle, dass mich drei Tage ambulante Reha wirklich weiterbringen. Meine Hausärztin würde mich krankschreien, aber ich möchte im Büro nicht länger ausfallen, weil ich dann mein Projekt verliere, und das setzt mir mehr zu, als ich mir eingestehen mag. Zusätzlich macht mir zu schaffen, dass ich wieder zunehme. Während der Hormonersatztherapie nahm ich ja 34 Kilo ab. Ende des Monats wird das letzte Hormon abgesetzt, und mir graut davor. Ich will nicht wieder unkontrolliert zunehmen. 

Auf der Baustelle geht's kaum vorwärts. Der Schornsteinfeger war zur Überprüfung der Heizung da, die seiner Aussage nach hervorragende Werte aufweist. Eine Erleichterung! Wir sprachen auch über verschiedene energetische Maßnahmen. Die neuen Dach- und Kellerfenster fand er gut. Außerdem schlägt er eine neue Haustür und eine neue Terrassentür für die Küche vor - letztere haben wir auch schon auf dem Zettel, weil sie aus Holz und mit Einfachverglasung ist. Außerdem habe ich mich entschlossen, das Glas im Windfang auszutauschen, muss eine Scheibe im Vordach ersetzt werden, schließen Terrassen- und Balkontür nicht richtig. Da muss also eh der Glaser ran. Diese Woche schaffte ich es noch nicht, mich darum zu kümmern. Wenn wir eingezogen und mit der Renovierung fertig sind, soll der Heizungsbauer auf Empfehlung des Schornsteinfegers die Heizungsanlage reinigen - wann auch immer das sein wird. Ich muss mich dringend beim Heizungsbauer in Erinnerung bringen. 

Beim Fliesenleger brachte ich mich schon in Erinnerung. Er hat frühestens Ende Mai Zeit für den Keller. Ich überlege schon, ob der Kellerflur und meine Werkstatt überhaupt gefliest werden müssen, zumal dann auch zwei Feuerschutztüren gekürzt werden müssen. Die sind so schwer, dass ich sie alleine nicht bewegen kann. Ich weiß also nicht, wie ich das bewerkstelligen soll. Wenn wir im Keller nicht fliesen, was wird dann mit den schon gekauften Fliesen? Die kaufte der Gatte ja im ersten Überschwang, als er noch dachte, er schafft das Fliesen alleine. Beim Maler muss ich mich in Erinnerung bringen, denn der Kostenvoranschlag steht noch aus. 

In den Garten des alt-neuen Hauses zogen Feige und Olive ein. Ich fand das zu früh, aber der Gatte wollte beide Bäumchen unbedingt. Das heißt, dass wir zum Winter hin das Gewächshaus aufgestellt haben müssen, um die Bäumchen über den Winter zu bringen. Das wiederum bedeutet, dass der alte Schuppen weg muss, was heißt, dass wir einen neuen brauchen. Das gestaltet sich schwierig, weil wir bislang keinen Händler fanden, bei dem wir uns ein Gartenhaus angucken und kaufen können. Es gibt nur die Möglichkeit, online zu bestellen. Vor Ort können wir nur einen Verkaufsstand für Weihnachtsmärkte angucken - oder Immobilien, zu denen ein Gartenhäuschen gehört. Ein ganzes Einfamilienhaus zu kaufen, um das dazugehörige Gartenhäuschen zu bekommen, erscheint mir doch etwas übertrieben. Das Gewächshaus hingegen können wir bei einem Händler vor Ort kaufen. Vielleicht lagern wir die Gartengeräte darin ein, bis wir das Gartenhaus haben. Aber bevor das Gewächshaus kommt, muss ein neues Fallrohr an der Dachrinne angebracht werden, brauchen wir also einen Dachdecker. 

Egal wie, wir treten auf der Stelle. Das zermürbt. 

Für die Wohnung habe ich wie vom Anbieter gefordert, den Abschlag für Strom erhöht, allerdings nicht auf die vom Anbieter gewünschte Summe. Die stieg binnen zwei Wochen nämlich schon wieder um 30 Euro. Damit stieg der Strompreis seit März, also der Einführung der "Strompreisbremse", um 78%. Ich könnte mittels Vergleichsportal wechseln, aber wir gehen ja davon aus, dass wir bis zum Jahresende umziehen - und selbst im Vergleichsportal schneidet der jetzige Anbieter am Besten ab. Ich bin gespannt, was wir beim städtischen Anbieter, der uns im alt-neuen Haus versorgt, nachzahlen müssen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.  

1 Kommentar:

  1. Du Arme! Ich kann sooooo viel von dem, was du in Hinsicht auf deine Mutter und die jetzige Situation schreibst, verstehen und nachvollziehen. Ich war, obwohl ich mit dem Tod meiner eigenen Mutter mehr als „rund“ war und mein normales Leben weiter gewuppt habe, komplett durch. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, auf einen Schlag ungefähr 200 Jahre gealtert zu sein… Es ist so anstrengend und ich halte dir wirklich die Daumen für eine Möglichkeit, das Ganze nicht nur gedanklich gut zu beenden, sondern auch physisch wieder zu Kräften zu kommen.
    LG
    Mary

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