Samstag, 27. Juli 2024

Samstagsplausch KW 30/24: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXXVIII

Bis Donnerstag früh dachte ich, die Woche wäre für unsere Verhältnisse entspannt. Am Vortag trabte der Gatte mit den vierteljährlichen Labor-Ergebnissen der Nephrologin zum Hausarzt, um sie durchzusprechen und neue Medikation festzulegen. Der Hausarzt war wieder sehr, sehr gründlich, telefonierte wegen unklarer Werte mit der Nephrologin und machte mit ihr aus, dass der Gatte am kommenden Tag nach Hamburg solle zur Blutgas-Analyse. Diese Info kam nur beim Gatten nicht an, warum auch immer. Bei ihm kam an, er solle demnächst mal deswegen einen Termin machen. So war dann Donnerstag Alarm, weil der Gatte nicht in der Praxis war. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass der Gatte seit Monaten falsche Medikamente nimmt. 

Als im Juni klar war, dass der Gatte mit der Zusammenstellung seiner Tabletten schon länger überfordert war, die Einnahme überwacht werden muss, ich das übernahm, hatte ich einen Medikamentenplan aus März 2023. Der aktuelle Plan aus April 2024 war verschwunden. Zum Glück hatte ich ihn fotografiert und trug die Änderungen auf dem anderen ein, notierte auch die Änderungen aus Juni, an die sich der Gatte erinnerte. Allerdings erinnerte sich der Gatte nicht mehr daran, dass viele Medikamente reduziert, zwei abgesetzt wurden ... Donnerstag trabte er also zum Hausarzt und holte sich einen aktuellen Medikamentenplan ab, den ich gleich sicherte. In der nächsten Stunde hatte ich viel Spaß, die Tablettenboxen für drei Wochen zu aktualisieren. 

Freitag fuhren wir dann vor Tau und Tag zur Nephrologin, denn sie war so nett, den Gatten zwischenzuschieben, und nun warten wir auf Montag, wenn das Ergebnis der Blutgas-Analyse vorliegt. Der Gatte wird vorerst keinen Arzttermin alleine wahrnehmen, um solche Missverständnisse zukünftig zu vermeiden. Heißt für mich einmal mehr, meine Planungen vom Gatten abhängig zu machen, aber es nützt ja nichts. 

Kurz war ich so fertig, dass ich überlegte, aufzuhören zu arbeiten, weil ich nicht mehr weiß, wie ich alles unter einen Hut bekommen soll (und dass ich auf der Strecke bleibe, ist eh klar). Davon ab, dass mir die Arbeit gut tut und Spaß macht, wüsste ich ohne nicht, wovon ich leben sollte. Drei Jahre würde ich gerne noch arbeiten, ehe ich ans Aufhören denke (was ohnehin nur geht, wenn ich weiß, wovon ich lebe). Sollte der Gatte tatsächlich eine Pflegestufe bekommen, könnte ich mich unter bestimmten Umständen von der Arbeit freistellen lassen. Das könnte Erleichterung bringen. Bislang nehme ich mir für die Termine Urlaub, der aber quasi aufgebraucht ist, oder bummle Überstunden ab.

Ich machte aufgrund der Labor-Ergebnisse für den Gatten einen Termin beim Diabetologen, und auch hier stellte sich heraus, dass man ihn vermisste, denn die Info, dass er sich dort vierteljährlich vorstellen sollte, kam nicht bei ihm an. Er verstand, er müsse gar nicht mehr kommen, außer, er brauche Rezepte. Auch beim Diabetologen war ich über die Sorgfalt sehr überrascht: Erste Frage war, ob er Probleme mit den Füßen bzw. Wunden habe, denn dann könne er sofort kommen! Den bisherigen Diabetologen kümmerte so etwas nicht.   

Dass der Gatte seit zwei Tagen weniger Medikamente nimmt, scheint sich prompt auf die Gastroparese, unter der er seit Jahren leidet, auszuwirken. Der Hausarzt bat zudem den Diabetologen zu prüfen, ob noch ein weiteres Medikament, das ebenfalls Gastroparese auslösen kann, abgesetzt werden kann. So viel Sorgfalt legten die früheren Ärzte des Gatten nicht an den Tag! 

Hier gilt seit mittlerweile 228 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Im Büro ist es einigermaßen ruhig, so dass ich dazu komme, einige Sachen aufzuarbeiten. In den kommenden beiden Wochen ist meine Vertretung im Urlaub, und ich hoffe, es bleibt ruhig. 

Das Pendeln wird zukünftig erschwert: Es fährt nur noch ein Zug pro Stunde, weil Lokführer fehlen. Als wir uns vor zwei Jahren zum Umzug entschlossen, waren es noch drei pro Stunde! Ich vermute, die Anzahl der Züge entspricht der vor 63 Jahren, als meine Eltern in die lindgrüne Hölle zogen. Ich muss direkt mal schauen, ob ich noch ein altes Kursbuch finde. Damals versprach man ihnen den baldigen S-Bahn-Anschluss. Der fehlt bis heute. Das, was fährt, ist überfüllt und verspätet. Nach den Sommerferien wird es noch schlimmer werden. Wie der Bahnsteig in Hamburg üblicherweise aussieht, kannst du auf diesem Foto sehen. Weil das der Normalzustand ist, habe ich Angst um den Gatten, denn geh- und sehbehindert kann er leicht ins Gleis stürzen. Außerdem kann er nicht lange stehen. Sitzgelegenheiten gibt es auf dem Bahnsteig kaum, und im Zug macht auch kaum jemand Platz. 

Ich überlege, ob ich zumindest an dem Tag, an dem ich abends nicht zur Therapiegruppe muss, meine Arbeitszeit so lege, dass ich einigermaßen staufrei mit dem Auto fahren kann. Dann müsste ich nochmal eine Stunde früher los als jetzt, müsste mich aber nicht mit überfüllten und verspäteten Zügen herumplagen. Staus sind zudem berechenbarer als Zugausfälle und Verspätungen. Eigentlich ein Unding!

Die Krankenkasse des Gatten rief an wegen des Antrags auf Pflegestufe, und erst, als der Brief kam, in dem angekündigt wurde, dass der Medizinische Dienst sich melden wird, begriffen wir, dass dieses Telefonat die großartig beworbene Pflegeberatung war! Im Antrag wies die Krankenkasse extra darauf hin, dass sie dazu verpflichtet wäre, so eine Pflegeberatung anzubieten, die sehr detailliert wäre usw. Nun, das Telefonat dauerte keine fünf Minuten, und der Gatte befand, das hätte er sich auch schenken können. Mal schauen, wann sich der Medizinische Dienst meldet und ob es dieselbe Mitarbeiterin ist wie bei meiner Mutter.  

Gestern erfuhr ich, dass Kinky Friedman vor einem Monat starb (hier ein Nachruf). Ich hatte das Glück, ihn live in der "Fabrik" erleben zu dürfen. Es war eines der ersten Konzerte, das ich zusammen mit dem Gatten besuchte, und auch ihm gefiel der Kinkster. Hier eines meiner Lieblingslieder von ihm:


Schwiegermutter ruft nicht mehr den Gatten an, sondern mich, und das bevorzugt auf dem Taschentelefon. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Sie kann nicht damit umgehen, dass sie der Gatte nicht mehr jeden Sonntag besucht, sie kann nicht damit umgehen, dass er sie nicht alle paar Tage anruft. Die beiden kriegen sich ja bei jedem Telefonat in Rekordzeit in die Haare. Davon ab, geht's Schwiegermutter und Tante gut.

Ich überlege schon länger, wie wir einen der Arzttermine des Gatten mit einem Besuch bei Schwiegermutter verbinden können, aber entweder bin ich selbst malad (die Kehlkopfentzündung geht jetzt in die vierte Woche) oder muss die Arzttermine irgendwie mit meiner Arbeitszeit vereinbaren, möglichst schnell wieder am Schreibtisch sein. Dazu kommt, dass der Gatte nach den Arztbesuchen auch erschöpft ist, weil es anstrengend ist, und ein Treffen mit seiner Mutter nun mal alles andere als aufbauend oder erholsam ist. Aktuell plant sie den Geburtstag des Gatten, und das ist wieder mit so vielen Erwartungen verbunden, wird so überhöht, dass schon jetzt klar ist, die beiden werden sich in die Haare bekommen, beide werden enttäuscht und traurig sein.

Über Instagram habe ich Kontakt zur örtlichen Strickgruppe gefunden, die sich unregelmäßig trifft. Jetzt gibt es einen weiteren Termin, der sogar bei mir passen könnte. Ich bin gespannt, ob ich es schaffe.

Der Gatte übernahm den Termin mit dem Heizöl-Lieferanten - ich bin immer froh, wenn er sich solche Termine zutraut. Er nutzte die Chance, ein paar Fragen zur Ölheizung zu stellen, denn vieles ist uns noch immer unklar. Es zeigte sich, dass wir uns zu Unrecht Sorgen machten, ob wir mit dem Öl auskommen, denn der Tank fasst 6.000 Liter! Meine Mutter tankte immer 1.000 Liter; wir ließen die letzten beiden Male voltanken, weil wir im Gegensatz zu ihr nicht die Heizung im Sommer abstellen, weil wir heißes Wasser haben möchten, und verbrauchten etwas mehr. Google sagt, dass wir damit weit unter dem Durchschnitt liegen, zumal das Haus eine schlechte Energieeffizienz hat. Jedenfalls dachten wir bislang, dass maximal 2.000 Liter in den Tank passen, und können nun entspannter in den kommenden Winter gehen. 

3 Kommentare:

  1. Oweh, da ist ja so einiges nicht rund gelaufen. Ich wünsche euch beiden, dass sich die Medikamentenumstellung weiterhin positiv auswirkt. Mir tut es leid, das sich die nächste Schwierigkeit auftut bei der Verkehrsanbindung. Irgendwie nehmen die Herausforderungen, die zu bewältigen sind, kein Ende......LG, Silke

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  2. Wenn ich deine Berichte so lese, dann bekomme selbst ich die Krise !
    Ich bewundere dich sehr und staune, wie du alles so schaffst und managts .
    Du bist eine starke Frau und ich hoffe , dass du weiterhin durchhältst .
    Meine ♥lichsten Grüße an dich von
    Jutta, einer stillen Leserin

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  3. Soweit ich weiß, bieten die die Gemeinden/Kreise unter anderem über die Pflegestützpunkte kostenlose Beratung an. Die sagen einem auch, wie so ein Gutachtentermin abläuft und wie was bewertet wird und dargestellt werden sollte. Dir weiterhin viel Kraft. LG

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.