Montag, 1. April 2019

Vor 86 Jahren: Boykott des Warenhauses Tietz (Alsterhaus)

Hamburger Bündnis
gegen Rechts
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell plant das blau-braune Pack neben regelmäßigen Veranstaltungen im Hamburger Rathaus eine "Großdemo" am 14. April. Es bleibt also spannend. Das demokratische Hamburg trifft sich übrigens am 14. April um 11 Uhr auf dem Hachmannplatz.

Am 1. April 1933, kurz nach der Machtübernahme, rufen die Nationalsozialisten dazu auf, Geschäfte mit jüdischen Inhabern zu boykottieren. Davon ist auch das beliebte "Warenhaus Hermann Tietz", kurz "Hertie", betroffen, das an prominenter Stelle am Jungfernstieg steht. Die jüdische Familie Tietz betreibt in ganz Deutschland Kaufhäuser. Das 1912 am Hamburger Jungfernstieg ist mit seiner palastartigen Anmutung, Marmorböden und Kristalllüstern das Aushängeschild.

Das Alsterhaus am Jungfernstieg.
Ende der 1920er Jahre kommt es zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, die auch Tietz' trifft. Mit Machtübernahme der Nationalsozialisten weigern sich zudem die Banken, den jüdischen Geschäftsleuten notwendige Kredite zu geben. Die jüdischen Besitzer und Geschäftsführer werden sukzessive aus dem Geschäft gedrängt - lange vor den 1938 beginnenden, "Arisierung" genannten, Zwangsenteignungen.

Schon 1933 bekommt das Kaufhaus mit Georg Karg einen nichtjüdischen Geschäftsführer, der 1940 das Kaufhaus ganz übernimmt und bis in die 1970er Jahre als Deutschlands "Warenhauskönig" gilt. 1936 wird "Hertie" in "Alsterhaus" umbenannt. Weiterhin zu sagen, man gehe bei Tietz einkaufen, ist fast schon ein kleiner Widerstandsakt. Auch nach der Befreiung wird die Umbenennung nicht rückgängig gemacht.

Der Name Tietz sollte ausgelöscht werden, ebenso wie die Namensträger. Allerdings bleibt der von Hermann Tietz abgeleitete Name "Hertie" für eine Kaufhauskette erhalte, aber nur wenige wissen um den Ursprung des Namens.

"Kaufhauskönig" Karg geht gemeinsam mit "Versandhauskönig" Josef Neckermann, dessen Imperium ebenfalls ein Resultat der "Arisierung" ist, noch einen Schritt weiter: Mit Gründung der „Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung GmbH“ wird 1943 und 1944 Kleidung in den Ghettos im besetzten Polen produziert und unter anderem im "Alsterhaus" verkauft.

Familie Tietz bemüht sich 1949 um die Rückgabe ihres Vermögens. Sie stimmt schließlich in einem Vergleich mit der Firma Hertie einer Entschädigung durch Übereignung der Filialen in München, Stuttgart und Karlsruhe zu.

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