Samstag, 3. September 2022

Samstagsplausch KW 35/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXXIX

Sonntag Morgen in der lindgrünen
Holle: Der zukünftige
Schlafzimmerblick.
Auch diese Woche reichte wieder für mehrere. Ich sollte daran gewöhnt sein, aber es ist mir momentan einfach zu viel.

Sonnabend hatte der Gatte eine schlechte Nacht und fuhr nicht zum Herzsport, da zu klapprig. Als er sich im Laufe des Tages fit genug fühlte, fuhren wir ins alt-neue Haus und übernachteten das erste Mal dort. Wir machten uns einen ruhigen Nachmittag, gingen zum ersten Mal, seitdem klar ist, dass wir dort hin ziehen, zu Fuß ins Dorf zum Einkaufen, grillten abends ein ganzes Huhn und saßen lange auf der Terrasse. Im Haus ist es nicht wirklich gemütlich, da überall Kisten und Geraffel stehen. Zudem funktioniert der Fernseher nicht, worunter vor allem der Gatte leidet, da er es gewohnt ist, mit TV-Begleitung einzuschlafen. Wir müssen erst eine neue Fernbedienung für den Receiver besorgen, dann ich rechnete nicht damit, dass Mudderns die nicht beim Fernseher aufbewahrte, sondern ganz woanders. Deswegen wurde sie als Elektroschrott entsorgt ... 

Sonntag holten wir Mudderns zum Eisessen ab. Sie wartete schon an der Mündung der Straße, die zu ihrem ehemaligen Haus führt - das Pflegeheim liegt ja nur 220 m entfernt. Sie war schlecht drauf, die Begegnung war anstrengend. Sie zeigte uns auch ihr neues Zimmer, und wir kamen zu dem Ergebnis, dass kein Platz für Möbel aus dem alt-neuen Haus ist. Es hätte sicher größere Zimmer gegeben, aber dann hätte Mudderns länger warten müssen und wäre in einen anderen Wohnbereich gekommen. 

Im Pflegeheim war mal wieder zu wenig Personal (zwei Pflegekräfte für 70 Bewohner in drei Wohnbereichen, Eingang verschlossen, da niemand für den Empfang da), die Corona-Regeln waren wieder mal Makulatur, weil niemand Zeit für Testungen hatte - es ist ein Elend. Mudderns möchte aber nicht, dass wir die Heim-Aufsicht verständigen oder ihr ein anderes Pflegeheim suchen. 

Gerührt hat uns die Begegnung mit einer Mitbewohnerin, die ein weißes Plüschkaninchen streichelte, und mit Mudderns ehemaliger Mitbewohnerin, die jetzt eindeutig palliativ ist und gerade im Rollstuhl aus dem Garten wieder in ihr Zimmer gebracht wurde. Als ich sie begrüßte, lächelte sie - zum ersten Mal in den acht Wochen, in denen wir sie kennen. Mudderns meint zwar, sie bekäme nichts mehr mit, aber das bezweifle ich. Die Frau hat augenscheinlich keine Angehörigen, die sich kümmern, und Mudderns Gesellschaft tat ihr gut. Aber für Mudderns ist es besser, dass sie jetzt ein Einzelzimmer hat.

Montag überstürzten sich mal wieder die Ereignisse. Ich sollte mich eigentlich nicht darüber wundern. Wir saßen gerade beim Morgenkaffee auf der Terrasse des alt-neuen Hauses, als der Handwerker, der die Balkonsanierung durchführt, wie verabredet klingelte. Wir dachten, er hat bestenfalls einen Lehrling dabei, guckt sich erstmal alles in Ruhe an, macht einen Plan, fängt dann mal langsam an - aber nö: Vor der Haustür stand eine komplette Baubrigade mit Gerüst, Schubkarre, Eimern, Presslufthammer ... Am Vorabend hatten wir noch überlegt, ob es nicht sinnvoll sei, die Terrasse freizuräumen, aber wir wussten nicht, wie sich die Arbeiten gestalten würden, und entschieden uns dagegen. Die Männer hatten die Terrasse ratzfatz leer, und dann ging's ins zukünftige Schlafzimmer, wo ein Wanddurchbruch erfolgen sollte. Uns war nicht klar, das Wanddurchbruch und Balkonsanierung zeitgleich erfolgen ...

Da das zukünftige Schlafzimmer noch nicht entrümpelt war (wie das ganze Haus, denn wir hatten ja Probleme, einen Entrümpler für dieses Jahr zu finden), musste ich von einer Sekunde auf die nächste die Entscheidung treffen, ob alles jetzt sofort ausgeräumt wird. Hilfe! Ratzfatz wurde ein Hänger organisiert, und wo wir schon mal dabei waren, fragte der Bauunternehmer, ob noch mehr zu Deponie solle. Der Gatte bejahrte, denn er konnte sich im Keller kaum noch bewegen. 

Es dauerte keine drei Stunden, da waren das zukünftige Schlafzimmer und der Keller leer, war das Balkonfundament freigelegt. Wir kamen mit dem Tempo der Brigade nicht mit. Als wir einen ruhigen Moment auf der Bank vorm Haus hatten, grinste ich den Gatten an: "So schnell wirst du also zum Bauherren!" Der Bauunternehmer sagte seinen Leute die ganze Zeit: "Hier, das ist der Bauherr. Der sagt dir, was du machen sollst!" Ich hingegen bin "Frau Sabine", darf allenfalls Kaffee kochen und erntete irritierte Blicke, als ich mich selbstverständlich in die Kette einreihte, um das Geraffel aus dem Keller weiter zum Hänger vor der Tür zu reichen. 

Während wir mit dem Bauunternehmer so im Haus unterwegs waren, fragte er immer wieder, ob wir hierfür oder dafür schon Handwerker hätten. Wir verneinten, denn bislang fand sich ja niemand, der in diesem Jahr auch nur einen Kostenvoranschlag abgeben oder vor 2024 mit den Arbeiten beginnen wollte. Im Handumdrehen hatten wir ein Angebot für neue Fenster, neue Bäder und was noch so anliegt! Ein Bauherr ist gerade in Zahlungsschwierigkeiten, die Baustelle wurde stillgelegt, die Brigade hat also gerade Zeit und freut sich, dass wenn sie bei und in der lindgrünen Hölle arbeiten kann, nicht quer durch den Landkreis fahren muss.

Irgendwann witzelte ich, bei dem Tempo, dass die Männer vorlegen, könnten wir ja Weihnachten umziehen. "Wieso Weihnachten? Wir fangen morgen mit dem Bad an. Wenn ihr aus dem Urlaub kommt, könnt ihr einziehen!"

Das war der Punkt, an dem wir die Reißleine zogen, weil's einfach zu schnell ging, denn unsere Finanzierung stand noch nicht, und einen Überblick über die Gesamtkosten hatten wir auch noch nicht. Inzwischen haben wir eine Aufstellung über alle Arbeiten und eine mehr oder weniger stehende Finanzierung. Jetzt kann die Brigade anfangen! 

Mir ist etwas unwohl, ich bin überfordert, und seitdem ich weiß, dass ich einen Kredit aufnahm, habe ich Stress-Asthma, Schlafstörungen, einen Dauer-Nervenzusammenbruch und gereizte Magenschleimhäute. Aber wir haben angesichts steigender Zinsen und galoppierender Inflation keinen Handlungsspielraum, müssen schleunigst loslegen. Das Haus leer stehen zu lassen, ist keine Option, und im jetzigen Zustand kann es angesichts des Renovierungsstaus nicht kostendeckend vermietet werden, würde weit unter Wert verkauft. 

Nur, wenn sich jetzt irgendwas bei der Übertragung des Grundstücks verzögert, haben wir ein ernsthaftes Problem. Wir versuchen noch zu verstehen, wie das mit dem Kredit abläuft. Ich bin froh über den Gatten, der bei seiner Mutter schon mitbekam, wie so was geht. Ich habe verstanden, dass wir den Kredit nur für alles, was mit dem Haus zusammenhängt, verwenden dürfen, was prompt dazu führte, dass der Gatte meinte, dazu gehörten auch Haus-Hund und Haus-Hasen. Zur Kreditverhandlung hätten wir übrigens ganz hanseatisch und typisch für die Elbvororte in Blaumann und Anstandsstrick bzw. Glen plaid-Faltenrock und Perlenkette erscheinen sollen. Wir kamen stattdessen in Blue Jeans, Comic-Shirts und Sneaker ...  

Der Gatte wuchs Montag um ein paar Zentimeter, denn als er mit dem Bauunternehmer die Arbeiten im Keller durchging, fiel sein Blick auch auf die Fliesen. "Wen habt ihr zum Fliesen? Das ist gute Arbeit!" Nun, der Gatte fliest selbst ... Als es ums Verlegen des Laminats oder um Waschbecken-Unterschränke ging, meinte der Bauunternehmer schon: "Ach, das macht ihr selbst!", und als wir im Wohnzimmer standen, er sagte "Den Teppich solltet ihr unterm Laminat liegen lassen", mich fragend anguckte, ich antwortete: "Ja, als Trittschalldämmerung", guckte er anerkennend. 

Dienstag war ich voll von der Rolle. Ich hatte das Vorgespräch für die Schenkungsurkunde mit einem Notariat, und dort befand man, alleine aufgrund der Tatsache, dass meine Mutter im Pflegeheim lebt, sei sie nicht mehr geschäftsfähig, müsse ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden. Um genau das zu verhindern, bekam ich schon vor einigen Jahren Generalvollmacht, aber die erkannte der Notar nicht an, weil nicht notariell beglaubigt. Das ist auch nicht notwendig, nur bestritt das der Notar. 

Wir waren einigermaßen verzweifelt, denn einer Anrufung des Betreuungsgerichts würde meine Mutter niemals zustimmen, weil sie nicht möchte, das jemand Fremdes über sie entscheidet, womit dann auch die Übertragung des Hauses obsolet wäre - und wenn sie wider Erwarten doch zustimmte, dauerte das ganze Gerichtsverfahren Monate, in denen wir nicht weiterkämen, das Haus leer stünde. 

Mittwoch rief ich bei einem anderen Notar an, dessen Büroschild wir zufällig am Sonnabend auf dem Weg ins Dorf sahen. Wir hätten auch unseren Hamburger Notar beauftragen können, aber der Gatte nahm zu Recht an, dass ein Notar vor Ort meiner Mutter lieber wäre. Das Notariat, mit dem meine Eltern jahrzehntelang arbeiteten, gibt es leider nicht mehr, sonst hätten wir nicht suchen müssen. Ich schilderte mein Anliegen und bat darum, dass die Beurkundung im Pflegeheim stattfände - "Kein Problem! Oh, das ist ja sogar gleich um die Ecke!" Inzwischen habe ich den Entwurf des Übertragungsvertrags und einen Termin für die Beurkundung (und das mit der notariell beglaubigten Vollmacht erledigen wir auch gleich noch mit - besser ist das).    

Ansonsten wurde diese Woche Gatten-Geburtstag gefeiert. Zu diesem Anlass teilte Schwiegermutter mir mit, ich stünde jetzt auch im Testament, damit ich abgesichert sei, falls dem Gatten etwas passiere. Das rührte mich, denn sie und meine Mutter bestanden vor 20 Jahren auf Ehevertrag und Gütertrennung, weil sie den jeweiligen Schwiegerkindern nicht trauten. Und die Gütertrennung führte jetzt dazu, dass ich den Baukredit alleine trage, das Haus alleine übernehme ... Sobald alles in trockenen Tüchern ist, müssen wir uns um die Absicherung des Gatten kümmern.

Mudderns schaffte die 400 m vom Heim zur Tankstelle zwecks Zeitungskauf jetzt schon drei Mal in Folge! Das ist wirklich ein Erfolg, denn sie tut schwer damit zu begreifen, dass sie im Heim ein- und ausgehen darf, wie sie möchte. Sie nutzt inzwischen auch ihren Zimmerschlüssel, wenn sie Ruhe haben möchte, denn ein paar verwirrte Mitbewohner irren sich gerne mal in der Zimmertür ... 

Morgen bringe ich Mudderns die Wandkalender mit, die ich ihr jedes Jahr nach einer gemeinsamen Reise schenkte, an denen die sehr hängt. Fotos und Bilder werden auch noch kommen - ein Schritt nach dem anderen. Wir überlegen inzwischen auch, ob wir Tisch und Stühle gegen einen Sessel und ein Tischchen austauschen, da sie ohnehin nicht am Tisch isst. Das wird sich finden. Erfreulicherweise nutzt sie inzwischen für Frühstück und Abendessen immer öfter den Gemeinschaftsraum ihres Wohnbereiches, leider aber darunter, dass sie, anders als im großen Speisesaal, keinen festen Platz mit Namensschild hat.

Im Büro sind aktuell alle Kollegen coronafrei - mal schauen, wie lange nicht. Kommende Woche gibt es einen Betriebsausflug, initiiert von Chef II. Der ist mit seiner strukturierten Arbeitsweise und Sozialkompetenz wirklich ein Gewinn für's Team, und ich wünschte, er wäre nicht nur Schwangerschaftsvertretung. Ansonsten komme ich angesichts der vielen freien Tage für das alt-neue Haus langsam arg durcheinander, verliere den Überblick, wann ich wo arbeite. Noch herrscht die Ruhe vor dem Sturm, denn umso näher die Herbstferien rücken, um so trubeliger wird's werden. 

Hier gilt seit mittlerweile 129 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und inzwischen eben auch Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist sie aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. Aber gestern wurde ja Corona durch alle Warn-Apps bundesweit für beendet erklärt, also brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen ... 

Schwiegermutter und Tante beginnen in diesem Tagen einen Wellnessurlaub und haben sich schon vor Schwiegermutters Abfahrt in der Wolle ... Ich hoffe, sie verleben trotzdem schöne Tage. Es scheint, dass Tante überlegt, Schwiegermutter zu besuchen, und das wäre wirklich schön! Bevor Schwiegermutter in die Seniorenwohnanlage zog (und vor Corona) war Tante drei Mal im Jahr bei uns. Das fehlt. Mit zunehmendem Alter fällt ihr die Reise allerdings immer schwerer, weswegen sie vor einem Jahr sagte, das wäre das letzte Mal. Wir werden sehen.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 

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