Montag, 14. Februar 2022

Das Wolfgang-Borchert-Denkmal am Schwanenwik

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Aktuell trifft sich das braune Pack täglich in vielen Stadtteilen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Letztlich wollen die Demonstranten aber nichts anderes als einen faschistischen Staat, marschieren inzwischen nicht mehr nur von der AfD begleitet, sondern offen der NDP und anderen rechtsradikalen Parteien und Organisationen hinterher.  

Seit 1996 erinnert am Schwanenwik Timm Ulrichs "Denkmal für den 'unbehausten Dichter' Wolfgang Borchert" an den Literaten. 

Gestern vor 75 Jahre hatte ein Hörspiel Radiopremiere, das eine ganze Generation prägte: "Draußen vor der Tür" von Wolfgang Borchert wurde erstmals vom NWDR ausgestrahlt. Neun Monate später hatte das Theaterstück in den Hamburger Kammerspielen Premiere. 

Das Denkmal enthält neben Borcherts Lebensdaten zwei Zitate aus dem Prosastück "Generation ohne Abschied": "Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe. Unsere Tiefe ist Abgrund." und "Wir sind eine Generation ohne Abschied, aber wir wissen, daß alle Ankunft uns gehört." 

Der kaum 26jährige Borchert schrieb das Drama in nur acht Tagen zwischen Herbst 1946 und Januar 1947 nieder. Es geht um den Kriegsheimkehrer Beckmann, dem es nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft nicht gelingt, sich wieder ins Zivilleben einzugliedern. Während er noch durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägt ist, haben seine Mitmenschen die Vergangenheit längst verdrängt. Auf den Stationen seiner Suche nach einem Platz in der Nachkriegsgesellschaft richtet Beckmann Forderungen nach Moral und Verantwortung an verschiedene Personentypen, Gott und den Tod. Am Ende bleibt er von der Gesellschaft ausgeschlossen und erhält auf seine Fragen keine Antwort. Borchert gab mit seinem Protagonisten vielen jungen, aber auch älteren Männern eine Stimme und wurde quasi über Nacht bekannt.

Das Denkmal enthält neben Borcherts Lebensdaten zwei Zitate aus dem Prosastück "Generation ohne Abschied": "Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe. Unsere Tiefe ist Abgrund." und "Wir sind eine Generation ohne Abschied, aber wir wissen, daß alle Ankunft uns gehört." 

Anlässlich des 75. Jahrestages der Radio-Uraufführung gibt es hier Hörerbriefe zu lesen. In der NDR-Mediathek ist die Erstfassung zum Nachhören archiviert.

Am 21. Mai 1921 als Sohn eines Lehrers und der plattdeutschen Schriftstellerin Hertha Borchert in Eppendorf geboren, kam Borchert früh in Kontakt mit Kunst und Literatur und entwickelt ein Gespür, wenn seitens jedweder Obrigkeit die Freiheit der Kunst eingeschränkt werden sollte. Nachbarn denunzieren Hertha Borchert 1934 wegen abfälliger Äußerungen über die SA; die Familie gerät ins Visier der Gestapo. 

Ihr Sohn schreibt als 15jähriger erste Gedichte - oft mehrere am Tag. Er schreibt wie im Rausch, als wüsste er, dass ihm nicht viel Zeit bleibt. Aber eigentlich möchte er Schauspieler werden, verfasst 17jährig sein erstes Drama. Kurz darauf verlässt Wolfang Borchert die Schule ohne Abschluss - er ist ein schlechter Schule. Auf Betreiben seiner Eltern beginnt er eine Buchhändlerlehre; außerdem nimmt er Schauspielunterricht. Später bricht er die Buchhändlerlehre zugunsten der Schauspielausbildung ab.

An den beiden Schmalseiten sind zwei negative Handabrücke zu sehen: Im Inneren der Plastik ist die Hohlform eines lebensgroßen Menschen mit ausgestreckten Armen. Die Füße lassen sich unten zwischen den beiden Steinblöcken, auf denen die Plastik steht, ertasten. 

Im April 1940 gerät Borchert zum ersten Mal in Konflikt mit der Gestapo: Ihm werden Verherrlichung der Homosexualität in seinen Gedichten sowie eine homosexuelle Beziehung vorgeworfen. Vermutlich wird die Familie seit Denunziation der Mutter überwacht. Dennoch pflegt der junge Mann weiterhin Umgang mit regimekritischen Künstlerkreisen und schränkt sich in seinen Äußerungen gegen die Nazis nicht ein. 

Der Handabdruck im Detail.

Als 20jähriger wird Borchert zum Kriegsdienst eingezogen und kommt an die Ostfront mit erbarmungslosen Wintern mit bis zu 40 Grad unter Null. Unter ungeklärten Umständen erleidet er eine Schussverletzung, die ihm einen Finger an der linken Hand kostet. An Diphterie erkrankt, wird er ins Lazarett nach Deutschland verlegt und gleichzeitig wegen der Schussverletzung wegen Verdachts der Selbstverstümmelung verfolgt. Ein Prozess findet statt. Die Anklage fordert die Todesstrafe, aber Borchert wird freigesprochen. Er bleibt dennoch in Haft, wird wegen seiner kritischen Äußerungen gegen die Nazis aufgrund des Heimtückegesetzes angeklagt und zu verschärftem Arrest mit anschließender "Frontbewährung" verurteilt. 

Wolfgang Borchert kommt erneut an die Ostfront, erleidet erneut Verletzungen, wird erneut krank und in mehrere Lazarette überstellt, zuletzt in den Harz, von wo aus er u.a. im August 1943 auf Heimaturlaub nach Hamburg darf - kurz nach den Zerstörungen der "Operation Gomorrha", dem "Hamburger Feuersturm". Die Zerstörungen, die "Ruinenstadt", beeinflussen ihn sehr, führen zu Gedichten und Geschichten. Ende des Jahres soll er zur Truppenbetreuung ins Fronttheater wechseln, wird aber aufgrund einer Goebbels-Parodie denunziert, erneut verhaftet, wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt, aber zur "Feindbewährung" entlassen. Borchert wird im Kampf um Frankfurt / Main eingesetzt, von Franzosen gefangenen genommen und flieht schwerkrank zu Fuß ins 600 km entfernte Hamburg, als er in ein Kriegsgefangenenlager überstellt werden soll. 

Blick vom Borchert-Denkmal auf die Alster.

Kurz nach der Befreiung Hamburgs trifft Borchert bei seinen Eltern ein. Trotz seines Gesundheitszustands stürzt er sich ins Kulturleben, wird Regia-Assistent am Schauspielhaus, muss aber erneut ins Krankenhaus, wird schließlich als medizinisch hoffnungsloser Fall eingestuft und nach Hause entlassen. Borchert schreibt in den Fieberpausen weiter.

Durch die Radio-Uraufführung von "Draußen vor der Tür" am 13. Februar 1947 wird Wolfgang Borchert innerhalb weniger Monate zum meistdiskutierten Schriftsteller Nachkriegsdeutschlands. Es gelingt, ihn in ein Krankenhaus nach Basel zu verlegen. Dort erhofft er sich bessere Behandlungsmöglichkeiten. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich jedoch zusehends. Wolfgang Borchert verstirbt am 20. November 1947, einen Tag vor der Uraufführung des Theaterstücks "Draußen vor der Tür."


Anlässlich Borcherts 100. Geburtstag im letzten Jahr wurde in der Stabi die "Borchert-Box" mit der Dauerausstellung "Dissonanzen" eröffnet, die sich auch virtuell erleben lässt. Hertha Borchert kümmerte sich um den Nachlass ihres Sohnes und übergibt das Wolfgang-Borchert-Archiv 1976 an die Stabi. In der Tarpenbekstraße 82, dem Geburtshaus Borcherts, erinnerte eine Tafel an den Schriftsteller, und die Geschichtswerkstatt Eppendorf führt regelmäßig literarische Spaziergänge durch. Seit 1996 erinnert am Schwanenwik Timm Ulrichs "Denkmal für den 'unbehausten Dichter' Wolfgang Borchert" an den Literaten. Es wurde anlässlich seines 75. Geburtstags aufgestellt.

Affiliate links zu Büchern von Wolfgang Borchert:

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