Samstag, 22. Januar 2022

Samstagsplausch KW 3/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XCVII

Gestriger Sonnenaufgang.
Gestern und vorgestern hatten wir tatsächlich zwei sonnige Tage, gestern sogar mit einem wundervollen Sonnenaufgang - eine schöne Abwechslung im aktuellen Grau, das uns beiden sehr auf's Gemüt drückt. Beim heutigen Nieselregen-Spaziergang während der Sportstunde des Gatten hielt ich im Park und in den Vorgärten Ausschau nach dem ersten Grün, aber da ist noch nichts zu sehen. Die Rhododendren vorm Haus zeigen allerdings erste Knospen.

Wir sind noch immer mit der Umgestaltung des Schlafzimmers beschäftigt. Was früher ein Projekt für ein verlängertes Wochenende war, wird uns jetzt die nächsten Wochen beschäftigen. Ich war schnell an dem Punkt, an dem ich Handwerker beauftragt hätte, aber der Gatte möchte das nicht, möchte es trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen selbst schaffen. Sollten wir in den letzten drei Wochen gelegentlich das Gefühl gehabt haben, es ist fast wieder wie früher, zeigt sich jetzt ganz klar: Nein, ist es nicht. Es wird auch nicht mehr wie früher. Wenn es gelingt, den Status Quo zu halten, ist das schon viel. 

Dafür reaktiviere ich Fähigkeiten. Der Gatte scherzt gerne, bevor er mich heiratete, hatte ich nicht nur einen gut ausgestatteten Werkzeugkasten, sondern konnte auch damit umgehen. So habe er selbst gesehen, wie ich eine Bohrmaschine nutzte. Aber mit der Heirat konnte ich plötzlich nicht mehr mit Werkzeug umgehen. Das stimmt. Mir macht Heimwerken keinen Spaß, während es der Gatte gerne macht, richtig gut kann. Deswegen überließ ich das 22 Jahre ihm. Jetzt hantiere ich notgedrungen wieder mit Werkzeug. Das ist für den Gatten natürlich auch schwer, weil er sieht, was er alles nicht mehr kann.

Hier gilt seit mittlerweile 97 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Der Gatte wurde im ersten Corona-Jahr schwerkrank, ist inzwischen berufsunfähig verrentet und schwerbehindert. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, kommen mit den Corona-Einschränkungen einigermaßen zu recht, vermissen aber dennoch die Zeit vor Corona sehr und hätten gerne wieder Normalität, Spontaneität. 

Mein Arbeitsplatz ist sicher, wenngleich meine Projekte von Corona betroffen sind. Wir gingen im März 2020 sofort ins Heimbüro und sind dort bis auf wenige Unterbrechungen noch immer. Aktuell arbeite ich gerade eine Kollegin ein, die mich bei zwei meiner Projekte bei Urlaub oder Krankheit vertreten soll, und die fragt natürlich nach Erfahrungswerten. Nur: Die gibt es nicht. Ich übernahm meine Projekte im Januar 2019 ohne Einarbeitung von meiner Vorgängerin und führte sie so weiter wie von ihr vorbereitet. Ein Jahr später, als wir die Projekte einmal komplett durchlaufen lassen wollten, um zu entscheiden, ob etwas geändert werden muss, kam Corona und damit eine Ad-hoc-Digitalisierung, verschwand jede Planbarkeit. So antwortete ich auf jede Frage, wie dieses oder jenes denn normalerweise wäre, welche Prognosen ich träfe, mit "Ich kenne kein normal, ich werde nicht prognostizieren." Mit irgendwelchen Planungen beginne ich erst wieder, wenn die Pandemie zu Ende ist, außer, die Leitung will es anders. Aber die sieht es momentan genau so.

Corona-Einschränkungen zeigen sich gelegentlich da, wo ich sie nicht erwartete. Für das alte Schlafzimmer musste ich eine Sperrmüllabfuhr bestellen (das macht man in Hamburg individuell gegen Bezahlung). Vor anderthalb Jahren, im ersten Corona-Jahr, war das kein Problem: Lüften, Mindestabstand, Masken - fertig. Jetzt, im dritten Corona-Jahr ist eine Sperrmüllabfuhr aus einem Mehrfamilienhaus nur noch kontaktlos möglich, Dafür muss das Geraffel im Keller oder auf einer privaten Fläche vorm Haus stehen, wie mir eine Mitarbeiterin der Stadtreinigung mitteilte, als ich einen Abholtermin vereinbaren wollte. Beides ist bei uns nicht möglich.

Aktuell steht alles auf der Terrasse, und von dort könnte es auch kontaktlos abgeholt werden, aber Terrasse ist halt nicht Keller oder vorm Haus, und außerdem gäbe es eh keine Termine, meinte die Dame, bevor sie mir einen schönen Tag wünschte und auflegte. Wir waren einigermaßen ratlos, erwogen Flex und Eigentransport zum Recyclinghof / Entsorgen im Restmüll, aber wir können ja auch nicht tagelang ein komplettes Schlafzimmer im Garten zerflexen. Da dreht ja jeder Nachbar durch. 

Ich rief nochmal bei der Stadtreinigung an, und siehe da: Was im ersten Telefonat unmöglich war, ging beim zweiten problemlos. Es gab sogar einen zeitnahen Abholtermin. Am Abholtag werde ich alles von der Terrasse runter holen und am Gartenrand stapeln, so dass die Müllwerker es etwas leichter haben. Und eine Möglichkeit, überflüssigen Hausrat, sogar Abendkleider und Schuhe abzugeben, habe ich inzwischen auch gefunden: Was der Recyclinghof hier nicht mehr annimmt, nimmt ein Sozialkaufhaus im Nachbarort - anderes Bundesland, andere Regeln. Die Fahrzeit ist die gleiche wie zum Recyclinghof, und ich muss brauchbare Dinge nicht im Müll entsorgen.  

Den Müttern geht's gut, Tante hoffentlich auch. Schwiegermutter ist weiterhin übellaunig, übergriffig und unverschämt, worunter der Gatte leidet. Ich kann mich da zum Glück zurückziehen. Sie darf weiterhin Besuch in der Seniorenwohnanlage bekommen, aber aktuell ist es so, dass der Gatte im Foyer unter Aufsicht der Rezeptionistin einen selbst mitgebrachten Selbsttest machen muss, bevor er zu seiner Mutter darf. Wir sind uns nicht sicher, ob wir das richtig verstanden und ob das so sinnvoll ist. Der nächste Besuch wird es zeigen. Bislang führten die Tests medizinisches Personal durch, waren sie kostenpflichtig.

Mudderns ist glücklich über die Mitgliedschaft in der Stadtbücherei, wo sie Krimi-Nachschub ohne Ende bekommt. Sie vermisst die Gottesdienste, denn die finden aufgrund der Pandemie gerade mal wieder nur virtuell statt, und mein Angebot, mit dem Laptop zu ihr zu kommen, lehnt sie weiterhin ab. Es ist auch deutlich zu merken, dass sie zunehmend vergesslicher wird, dass sie Förderung bräuchte, nur lehnt sie halt alles ab. Aber ich bin dankbar, dass sie psychisch stabil ist. 

Aktuell muss Mudderns auf ihre Putzfrau verzichten. Die war erst wegen eines Todesfalls in der Schweiz, ist aktuell in Serbien, wo sie sich im Sommer mit Corona infizierte und vier Wochen ausfiel. Jetzt muss sie nach der Rückkehr nach Deutschland in Quarantäne, denn der Genesenstatus ist inzwischen abgelaufen, und anscheinend ist sie auch nicht geimpft. Mal schauen, wann wieder geputzt wird. Zum Glück hat Mudderns Gesellschafterin ein Auge auf den Haushalt und darauf, dass Mudderns nicht total verwahrlost.

Mal schauen, wenn ich wieder zu Mudderns fahren kann, denn sonnabends geht's aktuell nicht, weil der Gatte noch Chauffeurdienste zum Rehasport braucht (danach ist es für Mudderns zu spät, auch wenn's gerade mal Vormittag ist, aber ihr Tagesablauf darf nicht außer Takt geraten), und sonntags sind keine Geschäfte offen. Wenn meine Kollegin eingearbeitet ist, kann ich meine Arbeitszeiten mal vom Vormittag auf den Nachmittag schieben und unter der Woche zu Mudderns fahren.  

Ansonsten habe ich weiterhin Spaß mit Facebook und Instagram. Irgendjemand macht sich tatsächlich die Mühe, FB gezielt nach meinen öffentlichen Kommentaren zu durchsuchen und sie zu melden. Da ich seit 2009 bei FB bin, ist diese Person gut beschäftigt. Nun ja, wenn man sonst keine Hobbies hat. FB meldet sich täglich mit Verstößen gegen Gemeinschaftsstandards. Die Seiten zu meinen Blogs habe ich offline genommen. Bei Instagram hatte ich inzwischen zumindest die Möglichkeit, mein Profil auf Privat zu setzen. Bei Facebook bin ich ohnehin sehr privat unterwegs, muss man gezielt nach meinen öffentlichen Beiträgen suchen.  

Auf die neue Maske für mein CPAP-Gerät warte ich jetzt seit drei Wochen. Normal ist eine Lieferung binnen 24 Stunden, aber Beatmungstechnik ist halt sehr gefragt. Bei den aktuellen Inzidenzen wird sich das so schnell nicht ändern. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass die Zahlen diese Woche offiziell vierstellig sind, aber dass sie es gleich am Montag sind, überraschte. Da sind die Zahlen genau wie sonntags normalerweise niedriger. Erschreckend sind die Zahlen in den Schulen. Bei den Kollegen ploppen die Positivmeldungen aus den Klassen ihrer Kinder drei Mal die Woche im Minutentakt auf. Es scheint aktuell unmöglich, sich nicht zu infizieren. Wir machen weiter wie bisher, schützen uns so gut wie möglich und hoffen das Beste - mehr geht nicht.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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