Sonntag, 1. Dezember 2024

Samstagsplausch KW 48/24: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXLVI

Zum Ende der Woche hin gab's vorsichtig-optimistische Nachrichten: Es scheint, als sei Amputation beim Gatten kein Thema mehr, weil die Wunden an den Füßen, die er sich vor Wochen holte, nun endlich anfangen zu heilen. Ich erschrak, als ich hörte, dass Amputation ein Thema war, denn das verschwieg der Gatte. Ich bekam es nur mit, weil ich diesmal mit in die Fußambulanz musste, um zu lernen, die Wunden des Gatten zu versorgen. Das könnte zwar auch ein Pflegedienst machen, was mir lieber wäre, weil professioneller, aber das lehnt der Gatte ab, aus Gründen, die ich verstehen kann, so gerne ich hier Entlastung hätte. Zur OP gibt's aber weiterhin keine Alternative. Dementsprechend bleibt die Stimmung gedrückt. 

Gestern merkte ich dann, wie sehr mir die Woche zusetzte: Mir war ständig schwindelig, ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Eigentlich wollten wir das gute Wetter nutzen, um Holz zu holen, aber an Autofahren war nicht zu denken. Ich konnte mich eine Stunde hinlegen, was etwas half, aber auch bedeutete, dass ich die Sachen, die ich in der Zeit erledigt hätte, nachholen musste. Und am Ende des Tages bleib wieder das Gefühl, zu wenig geschafft zu haben, nicht den ganzen Berg bezwungen zu haben. Ich muss mir immer vor Augen halten, dass ich jetzt das alleine schaffen muss, was wir früher zu zweit erledigten. Der Gatte macht, was er kann, hilft, wo er kann, aber das meiste bleibt halt an mir hängen. 

Immerhin hängen die Adventskalender und die Weihnachtsgirlande, steht die Kalenderkerze hübsch dekoriert auf einem neu gedeckten Esstisch ... Dass im Esszimmer noch immer 18 Umzugskartons stehen, ignoriere ich nach Kräften. Dieses Wochenende sollten einige verschwinden, aber gestern hatte ich keine Kraft, und heute nach dem Adventsbrunch bei Schwiegermutter werde ich dazu auch nicht mehr in der Lage sein. Hoffen wir auf das kommende Wochenende.

Bei den aktuellen Temperaturen freue ich mich über den Kamin. Eigentlich sollte er das Spielzeug des Gatten sein, aber ihm ist es zu anstrengend, sich um den Ofen zu kümmern. Es ist halt was anderes, ob man sich im Dänemark-Urlaub darum kümmert oder im Alltag. 

Hier gilt seit mittlerweile 246 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 


Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so.

Im Büro ist es aktuell ungemütlich. Bislang gab es seitens der Chefs wenig Einmischungen in mein Projekt. worüber meine Kollegin und ich sehr froh waren, darum von den anderen Kolleginnen beneidet wurden. Es war sogar so, dass die Chefs keine Entscheidungen trafen, wenn ich nicht da war (zum Beispiel während der Reha), sondern darauf bestanden, abzuwarten, bis ich wieder da bin. Natürlich hatten sie alle Informationen für eine Entscheidungsfindung, war alles mit meiner Kollegin besprochen, gab es keinen Grund, Entscheidungen zu verschieben. 

Jetzt gab's vor zwei Wochen eine Besprechung, weil wir die Winterruhe nutzen wollten, um das Projekt weiter voranzubringen. Ich setzte die Beschlüsse prompt um und wurde kalt davon erwischt, dass sie diese Woche zurückgenommen wurden. Daraufhin sprang verständlicherweise eine Vertragspartnerin ab, die ich vor einem Jahr schon mal vertrösten musste. Ich war natürlich wenig begeistert. Hinzu kommt, dass die Chefs schon überall mit dem neuen Projekt werden. Nur: Wenn sie es weiter selbst torpedieren, wird es ein Schuss in den Ofen.

Nun ziehen die Chefs auch bei uns die Zügel enger: Es gibt ein tägliches Stand-up-Meeting für alle und wöchentliche Projektbesprechungen. Dazu kommen ein wöchentliches Teammeeting und ein wöchentlicher Vortrag der Fachbereichsleitung sowie ein monatliches Gesamt-Teammeeting. Für uns Teilzeitkräfte ist das großartig, denn wir können gucken, wie wir in der Zwischenzeit unsere Arbeit schaffen. Die Besprechungen sollen die Chefs über Arbeitsabläufe informieren und uns die Chance geben, unsere Wünsche zu äußern. Wenn meine Chefs nach fünf Jahren noch immer nicht meine Arbeitsabläufe kennen, kann ich ihnen auch nicht helfen, denn sie sind in den wöchentlichen Teammeetings Thema. Ich gehe sehr transparent mit meinen Arbeitsabläufen um. Ich kenne Behördens gut genug, um zu wissen, dass mein Projekt nur noch in der wöchentlichen Projektbesprechung Thema sein wird. Selbst, wenn es dringenden Entscheidungsbedarf gibt, muss das bis zur wöchentlichen Projektbesprechung warten. Das hält natürlich auf. 

Ich freue mich einmal mehr auf die Rente. 

Nach einigem Suchen fanden sich die mühselig besorgten Adventskalenderkarten für die Ostsee-Tante, Tante und die nette ehemalige Nachbarin an. Sie kommen nun nicht mehr pünktlich für heute, aber ich hoffe, die Damen freuen sich trotzdem darüber. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

2 Kommentare:

  1. Wie ich dereinst einem sehr von Meetings jedweder Art überzeugtem Chef sagte, dass er bitte schauen solle, wann wir noch unsere Arbeit machen sollen, wenn wir nur ständig darüber reden müssen. Bezeichnend, dass die Abteilung, die er als Leiter per "Aufstieg" verließ, feierte, und als erstes das Sammelsurium an Besprechungen und Meetings, auf das er bestand, abschaffte und und forthin mehr leistete und sich die Stimmung auch nach außen hin besserte.

    AntwortenLöschen
  2. Es tut mir beim Lesen weh, deine Dauerbelastung durch das Haus, die Fahrten, die Besorgungen, das Planen des Alltags und obendrauf die tiefe Sorge um deinen Mann ...
    Am liebsten würde ich dir zurufen, geniesst eure Zeit, die ihr noch in diesem Leben habt und mach dich nicht kaputt, verkauf´das Haus, sucht euch was zur Miete und geniésst eure Zweisamkeit! So schnell kann alles vorbei sein...
    Aber ich weiss selbst, dass das übergriffig ist, und wir Fremde aus dem Internet nicht das grosse Ganze kennen, und auch nicht emotional verwickelt sind, aber bitte bitte pass´ auf dich auf ,
    vergiss´dich selber nicht! Liebe Grüsse, Silke

    AntwortenLöschen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.