Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!
Der Tag beginnt mit einem Knall um zehn vor eins. Als der Gatte durch's Haus schleicht, fällt irgendetwas um. Da es offensichtlich nicht der Gatte ist, schlafe ich nach kurzer Schrecksekunde wieder ein. Morgens wird sich zeigen: Zwei Regalbretter, die in einem Türrahmen stehen, fielen um. Im Laufe der Nacht werde ich immer wieder kurz wach, weil der Gatte unruhig ist, aber da er keine Hilfe braucht, schlafe ich schnell wieder ein.
Wie jeden Tag klingelt der Wecker um sechs Uhr. Ich drehe mich nochmal um, weil noch angeschlagen von der Magenspiegelung gestern. Liegenbleiben und krankmelden ist aber nicht drin.
Duschen und Kaffee kochen, dann ab ins Heimbüro. Meine Kollegin hat einiges an Vorarbeit geleistet, damit ich das Konzept für unser Projekt finalisieren kann, und damit bin ich erstmal gut beschäftigt.
Als der Gatte wach ist, frühstücken wir gemeinsam, nachdem sorgfältigst alle Adventskalendertürchen geöffnet wurden. Die Frühstückspause wird jäh vom Diensttelefon unterbrochen. Die Winterruhe ist anscheinend vorbei. Ein Telefonat kommt nach dem anderen rein. Zum Glück übernimmt meine Kollegin heute die Freigaben.
Eine halbe Stunde früher Feierabends als sonst - eigentlich wollte ich eine Stunde eher Schluss machen, aber es ist zu viel zu tun. Immerhin steht das Konzept in wesentlichen Teilen.
Den Gatten ins Auto setzen und ab auf die Autobahn, denn er muss wie jeden Monat in die Augenklinik. Er ist guter Dinge, dass bei seinen Augen das Schlimmste überstanden ist, denn er kann wieder lesen und Autofahren. Es wird sich zeigen, er irrt.
Wir sind tatsächlich nach 45 Minuten in Blankenese und haben noch 45 Minuten Zeit bis zum Termin. Ich plane immer einen ordentlichen Zeitpuffer ein, denn die Situation vorm Elbtunnel ist nicht planbar. Noch weniger planbar ist allerdings der ÖPNV. Selbst wenn da alle Verbindungen klappen, dauerte es doppelt so lange als mit dem Auto. Aktuell fallen aber viele Züge aus, und das, was fährt, ist übervoll.
Normalerweise würden wir die geschenkte Zeit zum Kaffeetrinken nutzen, aber heute habe ich richtigen Hunger, also schlage ich ein spätes Mittagessen bei Asiahung vor. Das wird sich schnell als klug erweisen, denn wir werden drei Stunden beim Augenarzt verbringen.
Die Augenklinik ist proppenvoll, der Gatte schnell genervt. Er wird zu Untersuchungen abgeholt, holt mich nach, als klar ist, dass er eine Wartezone weiterziehen kann, um auf das Arztgespräch zu warten. Bei den Arztgesprächen soll ich ja seit einem halben Jahr dabei sein, weil dem Gatten vieles entgeht - Aufregung und Folge des Schlaganfalls.
Als wir endlich bei der Ärztin sind, äußert die ihren Unmut: Warum sind wir jetzt schon da? Warum haben wir keine spätere Uhrzeit zum Ende der Sprechstunde genommen? Schließlich sollte der Gatte heute in einem Auge eine neue Linse bekommen, sollte die Netzhaut gelasert werden.
Äh, bitte was?!
Beim letzten Termin war die Ärztin krank. Der Gatte wurde von einer Vertretung behandelt. Da war keine Rede von irgendwelchen Eingriffen, sondern davon, abzuwarten. Die Ärztin sollte heute entscheiden, ob ein Eingriff notwendig ist.
Der Gatte eskaliert. Ich kann ihn verstehen, aber das bringt uns ja jetzt nicht weiter. Zum ersten Mal erlebe ich, was der Gatte schon öfter schilderte: Die Ärztin ist völlig wirr, fängt Sätze an, die sie nicht beendet. Damit kann ich normalerweise um, das mache ich auch, aber heute komme selbst ich nicht mehr mit. Es ist nicht klar, ob sie mit uns spricht (wobei sie ohnehin nur mit mir spricht, der Gatte, ihr Patient, quasi nicht existiert) oder laut nachdenkt oder was auch immer.
Der Gatte stellt klar, dass es heute keine wie auch immer gearteten Eingriffe geben wird, sondern dass er dafür ins Krankenhaus gehen wird. Er hat kein Vertrauen mehr in die Ärztin, will zu seinem eigentlichen Augenarzt für eine zweite Meinung. Die Ärztin guckt hilflos zu mir. Ob ich meinen Mann einfangen kann? Nein, in dem Punkt bin ich ganz bei ihm.
Sie stellt eine Überweisung für das Krankenhaus aus, will mir Aufnahmen mitgeben und macht Fotos mit meinem Taschentelefon. Ich bin kurz entgeistert ob der technischen Ausstattung. Der Gatte lässt noch eine Untersuchung machen. Die Ärztin kommt danach kurz ins Wartezimmer, bespricht den Befund vor allen Patienten. Alles wäre okay, nee, da wäre doch ein Ödem, das müsse man mal kurz spritzen, das könnte man doch schnell noch machen. Der Gatte eskaliert wieder. Ich kann ihn verstehen.
Wir verlassen bedrückt die Praxis.
Immerhin leuchten die Pfahlewer in den Bäumen, wie jeden Advent, als wir auf dem Rückweg sind. Das gehört zu den Dingen, die ich in der alt-neuen Heimat vermisse. Ich möchte schon länger einen Pfahlewer für Zuhause haben, habe aber auch dieses Jahr den Zeitpunkt für den Kauf verpasst. Er würde im alt-neuen Haus gut in den Vorgarten passen oder in das Esszimmerfenster, wo ohnehin zwei Schiffe des Gatten stehen. Für kommendes Jahr muss ich mir eine Erinnerung setzen - analog, wie ich bin, wird es ein Klebezettel im Kalender.
Stille Heimfahrt, zum Glück ohne Stau. Wir sind froh, dass wir nach sechs Stunden endlich wieder zu Hause sind.
Während sich der Gatte hinlegt, kümmere ich mich um Haushalt und Abendessen. Vorm Vortag ist noch Kartoffelbrei übrig, aus dem ich Kartoffelplätzchen mache. Dazu gibt's Kräuterquark.
Sofalümmeln, Tagesschau, Zürich-Krimi - und frieren, denn ich hatte keine Kraft, mich auch noch um den Kamin zu kümmern, und der Gatte tat's auch nicht. Jetzt ist es zu spät, denn es dauert, bis der Kamin wärmt.
Einigermaßen früh ins Bett, aber erst am kommenden Tag einschlafen, weil das aktuelle Buch* so spannend ist.
Fast 100 Männer, Frauen und Kinder sind heute seit 425 Tage Geiseln der Hamas. Bring them home gilt mehr denn je!
Der Blick zurück in die ersten vier Corona-Jahre: Am 5. Dezember 2020 schrieb ich nichts, war mit dem erkrankten Gatten beschäftigt, der kurz darauf ins Krankenhaus kommen sollte. Am 5. Dezember 2021 war ich frisch gegen Corona geimpft - zum dritten Mal. Die Hoffnung, dass wir mit dieser Moppelkotze nach dem ersten Corona-Sommer durch wären, war da schon lange verflogen. Am 5. Dezember 2022 hatten wir Baustellen-Blues, kämpften wir mit dem Baukredit. Am 5. Dezember 2023 stand der lang erwartete Umzug endlich kurz bevor.
*Affiliate link
Wieder was dazu gelernt: das Wort Pfahlewer kannte ich garnicht!
AntwortenLöschenDieser Ärtzin würde ich auch nicht vertrauen, grade mit den Augen wäre ich auch sehr vorsichtig!
LG, Silke
Ja, die Ärztin verspielte einiges an Vertrauen. Es geht im neuen Jahr zum eigentlichen Augenarzt des Gatten für eine zweite Meinung, und dann in die Uniklinik. Der eigentliche Augenarzt kann keine Spritzen geben oder lasern, deswegen die Überweisung in die Augenklinik.
LöschenDie leuchtenden Pfahlewer sind ausgesprochen hübsch, finde ich, und typisch für Blankenese.
LG
Sabine