Montag, 28. Oktober 2019

Der Gotenhof (Steckelhörn 12)

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

In der enge Straße Steckelhörn kommt das Kontorhaus "Gotenhof" gar nicht so richtig zur Geltung. Der gerundete massige Bau mit der kunstvoll expressionistisch gestalteten Klinkerfassade verdiente eine breitere Straße.

Das zwischen 1929 und 1930 erbaute Kontorhaus "Gotenhof".
Ursprünglich standen hier Fachwerkauten, Wohnhäuser und Speicher, teils noch aus dem Mittelalter, die abgerissen werden, damit der "Gotenhof" zwischen 1929 und 1930 nach Plänen des Architekten Karl Stuhlmanns erbaut werden kann. Angesichts der Wirtschaftskrise kann nur ein kleiner Teil des Kontorhauses vermietet werden. Die Erbauergesellschaft gerät in finanzielle Schwierigkeiten, das Gebäude wird zwangsversteigert und von der Stadt gekauft. 1931 ziehen das Statistische Landesamt und die Jugendbehörde ein - ersteres hat dort bis heute seinen Sitz.

Ab 1933 kommt dem Jugendamt eine maßgebliche Rolle bei der Vorbereitung und Umsetzung der NS-Euthanasie bzw. der rassenhygienischen Fürsorge in Hamburg zu. Es ist beispielsweise für die Entscheidung  über Einweisung von sogenannten "unerziehbaren" Jugendlichen in ein Jugend-KZ zuständig, entscheidet aber mit Stellungnahmen auch die die Sterilisation von Kindern und Jugendlichen. Verweigern sich die Angehörigen einer Sterilisation, werden sie umgangen, indem das Jugendamt den Antrag stellt und das Gesundheitsamt alles weitere veranlasst.

Mit Regierungsrat Paul Ellerhusen verfügt die Behörde ab 1934 über einen leitenden Angestellter, der als ehemaliger Kommandant des KZ Fuhlsbüttel durch Folter bekannt wird - so bekannt, dass die Staatsanwaltschaft einschaltet und Ellerhusen ins Jugendamt versetzt. 1950 wird der 63jährige zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, muss die Strafe aber nicht vollständig verbüßen, sondern wird vorzeitig entlassen.

Im Oktober 1936 entwirft mit dem 36jährigen Heinrich Lottig ein Leitender Oberarzt der Behörde eine "Wertungstabelle" mit sechs Kategorien als Grundlage für die Entscheidungsfindung zur Sterilisierung. Diese "Wertungstabelle" wird von anderen Kommunen übernommen. Lottig meldet sich 1940 an die Front und fällt ein Jahr später.

1938 wird der 52jährige Paul Prellwitz Direktor des Jugendamtes. Der Antisemit tritt bereits 1925 in die NSDAP ein und macht nach der Machtübernahme schnell Karriere. Prellwitz führt das Amt hierarchisch, wird schnell zum Senatsdirektor befordert und schließlich ständiger Vertreter des Präsidenten der Fürsorgebehörde. 1945 wird Prellwitz im Alter von 59 Jahren aus dem Staatsdienst entlassen. Juristisch wird er nicht belangt. 

Im "Gotenhof" erinnert heute nichts mehr an die Zeit, als hier darüber entschieden wurde, welche Menschen ein Recht auf Leben haben und welche nicht.

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