Montag, 14. Oktober 2019

Fischertwiete 1 und 2: Chilehaus A und B

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Das Chilehaus, seit 2005 Unesco-Weltkulturerbe, ist fester Bestandteil von Stadtrundfahrten und vieler Stadtführungen, eines der weltweit am meistens fotografierten Architekturmotive und eines der Hamburger Wahrzeichen. Erbaut wird das Kontorhaus zwischen 1922 und 1924 für den Unternehmer Henry B. Sloman nach Plänen des Architekten Fritz Höger. Es ist eines der prägnantesten Beispiele für den Backstein-Expressionismus der 1920er Jahre.

Das Chilehaus (Detail).
Schon die schieren Daten sind beeindruckend: 4,8 Millionen Bockhorner Klinker und 750 Güterwagen Zement werden für den Bau, der auf über 1.000, bis zu 16 Meter langen Eisenbetonpfeilern mit einer Gesamtlänge von 18.000 Metern ruht, benötigt. Das Gebäude hat eine Grundfläche von fast 6.000 qm², ist 10 Etagen hoch und hat 2.800 Fenster.

Erbaut wird das Chilehaus auf zwei Grundstücken links und rechts der Fischertwiete, übrigens die älteste noch erhaltene Straße Hamburgs, die bogenförmig überbaut wird. Bis 1922 befindet sich hier eines der Gängeviertel der Stadt, wo Menschen unter prekären Bedingungen auf engstem Raum leben. Sie werden umgesiedelt.

Das Chilehaus verfügt über drei Eingänge, die das Gebäude in die Komplexe A, B, und C gliedern. In allen drei Eingängen, die zu regulären Bürozeiten geöffnet sind, finden sich noch die alten Hinweistafeln auf die ursprünglichen Mieter.

Blick auf den Eingang in den Komplex Chilehaus B, Fischertwiete 1.
Im siebten Stock des Chilehaus B (Fischertwiete 1) befindet sich 1933 das Architekturbüro Dyrssen & Averhoff. Friedrich Dyrssen ist Vorsitzender des Hamburger Landesgruppe des Bundes Deutscher Architekten und setzt ab 1933 die sogenannte Gleichschaltung des Landesverbandes um, d. h. das Berufsverbot für jüdische Architekten. 1934 schied Dyrssen aus dem Amt, bleibt aber als Architekt tätig und orientiert sich gemäß NS-Vorgabe an Stil der Heimatschutzarchitektur.

Historische Übersicht der Mieter mit den Buchstaben A bis K im Chilehaus B.
Das Büro Dyrssen & Averhoff ist maßgeblich an Planungen für das "neue Hamburg", das nach dem "Endsieg" der Nationalsozialisten entstehen soll, beteiligt sowie mit Instandsetzungen und Bau von Hochbunkern beschäftigt. Dyrssen & Averhoff werden zu "Vertrauensarchitekten" der Deutschen Arbeitsfront ernannt und dem Wohnungsbauunternehmen SAGA als Berater in städtebaulichen und technischen Fragen zur Seite gestellt. Nach der Befreiung erhält das Büro von der SAGA Aufträge für Wiederaufbau und Neubau.

Historische Übersicht der Mieter mit den Buchstaben L - Z im Chilehaus B.
Im November 1944 befindet sich gemäß unterlagen der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft ein Zwangsarbeitslager der Firma Völker / Walter Rohrleitungsbau im Chilehaus B. Verzeichnet sind 22 Essensteilnehmer. Das Lager ist eines von über 1.100 Lagern, verstreut über das gesamte Hamburger Stadtgebiet, in denen zwischen 1939 und 1945 bis zu 500.000 Männer, Frauen und Kinder Zwangsarbeit in der Hamburger Kriegswirtschaft leisten müssen.

Gegenüber, in der Fischertwiete 2, befindet sich das Büro des 1885 geborenen und 1993 verstorbenen Ricardo Sloman, eines der vier Kinder des Bauherren des Chilehauses, und seiner Frau Renata Hilliger. Der Kaufmann ist ein Antisemit, der mit seinen Schriften dazu beiträgt, den Geist des Nationalsozialismus zu verbreiten und sein Gedankengut mit Titeln wie "Selbstmord der weißen Kulturvölker" bis in die späten 1950er Jahre verbreitet. Seine Thesen finden sich bis heute in den Schriften der neu-alten Nazis wieder.

2 Kommentare:

  1. Danke für den Beitrag. Kleine Korrektur: Ricardo Sloman wurde 1885 geboren, nicht 1895. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Ricardo_Sloman

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.