Samstag, 23. Mai 2020

Samstagsplausch KW 21/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten X

"Hast du dein Schnuffelstück?", lautet hier die Frage, wenn jemand das Haus verlässt. Frische Masken hängen griffbereit an der Haustür, so dass man sie nicht übersehen kann. Ich habe ein poshes Chanel-Täschchen mit meinen handgenähten Masken in der Handtasche (und für die getragenen einen weniger poshen Ziplock-Beutel). Dennoch haben wir bei den einfachen Masken aus alten T-Shirts einen unerklärlichen Schwund, muss ich dieses Wochenende eine Nährunde einlegen.

Wir sind inzwischen in der zehnten Woche weitgehend zu Hause. Der Gatte ist in Kurzarbeit, fährt einmal die Woche ins Büro und ist ansonsten auf Abruf. Solange allerdings Theater geschlossen, Konzerte und Festivals unmöglich sind, keine Filme oder Fernsehserien gedreht werden, Freizeitsparks keine aufwändigen Shows zeigen, sieht es bei ihm wie im gesamten Kulturbereich schlecht aus.

Der Kulturbereich gehört zwar auch zu meinem Arbeitsgebiet, aber nur zu einem Drittel, und ich bin krisenfest angestellt. Dass jetzt ein Drittel wegfällt, kompensiert gerade mein Mammutprojekt, mit dem ich momentan ohnehin auch ohne Corona mehr als ausgelastet wäre (und durch Corona fallen gerade massig Überstunden an). Ich müsste mich allerdings jetzt normalerweise parallel um Kartenkontingente für die nächste Spielzeit kümmern, aber das macht aktuell keinen Sinn, weil ja niemand was, wie's in der nächsten Spielzeit aussieht.

Ich kann bis zum 30. Juni zu Hause arbeiten, fahre also nur ins "echte" Büro, wenn persönliche Anwesenheit erforderlich ist. Das war diese Woche einmal der Fall. Ansonsten hatte ich eine Drei-Tage-Woche mit massig Überstunden, die durch meine Teilzeittätigkeit schnell auflaufen.

Diese Woche war sehr anstrengend, weniger wegen der Arbeit als wegen Mudderns. Sie ist gerade wieder in einer schwierigen Phase. Das kenne ich, seit ich denken kann. Es ist also kein Zeichen von Alter oder gar Demenz, sondern ihr normales Verhalten.

Seit Sonntag zickt ihre Heizung, was dazu führte, dass sie über zehn Stunden stündlich anrief, um buchstäblich Wasserstandsmeldungen durchzugeben, denn irgendein Ventil leckt. Zum Glück war sie vernünftig genug, den Notdienst anzurufen, nachdem ich ihr die Nummer heraussuchte.

Der Notdienst kam gegen 18 Uhr. Da Mudderns noch immer einen völlig schrägen Tagesablauf hat, wäre sie zu dieser Zeit schon über eine Stunde im Bett gewesen. Solche Abweichungen von ihrer Routine machen sie völlig fertig, aber zum Glück war der Monteur sehr nett, und in zwei Wochen kommt ohnehin jemand zur Wartung, repariert das Leck. Bis dahin soll Mudderns Wasser nachfüllen - oder auch nicht. Ihre Aussagen dazu ändern sich mehrfach in jedem Gespräch, ebenso wie ihre Fähigkeit, Wasser nachzufüllen. Mal kann sie das selbst, mal muss einer der Nachbarn ran.

Ich schlug ihr schon vor gut vier Jahren vor, einen Hausmeisterservice zu engagieren, der diese vielen kleinen Dinge abnimmt, aber Mudderns beharrt darauf, dass sie das ja noch alles selbst könne. Damit will sie sich von meiner Schwiegermutter abheben, die sich ihrer Meinung nach alles vom Gatten abnehmen lässt. Das stimmt so nicht, was ich ihr auch jedes Mal sage, aber es kommt nicht bei ihr an. Da wir quasi mit Schwiegermutter einen Haushalt bilden, ist der Gatte allerdings öfter bei ihr als ich bei meiner Mutter, und wenn wir für uns einkaufen, bringen wir ihr schwere Sachen wie Getränkekisten eben mit - ist ja ein Weg.

Seit Sonntag also werde ich tagsüber stündlich angerufen, nicht nur wegen der Heizung, sondern auch, um mir mitzuteilen, dass ein Nachbar gerade zu Besuch ist; dass das Nachbarhaus verkauft wurde; dass eine Nachbarin vorschlug, Mudderns solle auch die letzten Rolläden auf Elektroantrieb umstellen; dass demnächst Heizöl geliefert wird; dass ich ihr die Telefonnummer ihres Zahnarztes heraussuchen soll; dass ich ihr Kontoauszüge ausdrucken und zuschicken soll undundund.

Das Telefonat zu den Rolläden war sehr loriotesk, denn Mudderns sprach permanent von einem Rollator, den sie auf Elektroantrieb umrüsten wolle ...

Zu den Dingen, die Mudderns in der letzten Woche ganz alleine erledigen konnte, gehörte die Reaktivierung ihres Mobiltelefons. Das hat sie ja angeblich inzwischen immer eingeschaltet bei sich, vor allem sonntags, wenn sie auf dem Friedhof ist. Dass das nicht stimmt, zeigte sich in dieser Woche: Ihre SIM-Karte wurde schon Anfang März abgeschaltet, weil sie weder telefonierte noch Guthaben auflud, und sie merkte es nicht, weil sie das Telefon eben nicht eingeschaltet hatte.

Drei Tage lang irrte sie von Telefonladen zu Telefonladen, aktivierte einen Nachbarn - alles vergeblich. Ihr könne angeblich niemand helfen, und bei der Telefonnummer des Callcenters, die man ihr gab, wäre nie jemand erreichbar. Außerdem ist das ja eine Hamburger Telefonnummer, sie wohne doch gar nicht in Hamburg, also könne sie da nicht anrufen. Dass sie mich stündlich in Hamburg anruft, geht merkwürdigerweise.

Mittwoch endlich fand ihre Gesellschafterin heraus, bei welchem Anbieter Mudderns ist, denn sie konnte das nicht sagen, weil sie nicht in der Lage war, das aus ihrem Vertrag abzulesen, fummelte die SIM-Karte aus dem Telefon, und dann konnte ich mich "nebenbei" um die Freischaltung ihres Mobiltelefons kümmern.

Nach erfolgreicher Reaktivierung ihres Telefons überlege ich, Mudderns Nummer zu meinem Anbieter portieren zu lassen, denn da muss ich nicht regelmäßig Geld aufladen, damit die Nummer nicht deaktiviert wird. Mudderns Telefon ist aktuell eine zinslose Geldanlage, da sie ja kaum telefoniert, nur alle paar Monate Geld auflädt.

Wenigstens ist Mudderns noch nicht wieder in der Phase, in der sie mich auf dem Mobiltelefon anruft, wenn sie mich über Festnetz nicht erreicht. Dazu müsste ihr Mobiltelefon ja auch aufgeladen und eingeschaltet sein, denn dass man vom Festnetz auch ein Mobiltelefon anrufen kann, hat sie bislang nicht verstanden - zum Glück.

Ansonsten war die Woche entspannt. Wir sind beim Ausräumen von Schwiegermutters Haus einen Schritt weiter, haben einen Lagerraum angemietet, der so groß ist, dass wir dort auch noch ein paar Sachen von uns mit unterbringen können. In den nächsten Wochen wird der Gatte also fleißig Kisten packen und transportieren.

Ich folgte einer spontanen Eingebung und fragte eine Kollegin, ob sie Lust hat, mich zur Hanseatischen Materialverwaltung zu begleiten, Krams für eine Schaufensterdeko abzuholen. Ich zögerte erst, weil ich da natürlich auch alleine hinfahren kann, aber zu zweit macht es einfach mehr Spaß. Die Kollegin quiekte vor Glück.

Sie hilft mir auch bei der Umsetzung der Deko - das Team ging davon aus, dass ohnehin sie die Umsetzung übernimmt, während ich dachte, wenn's meine dumme Idee ist, werde ich sie auch umsetzen, zumal ich sie nicht nach Hilfe fragen konnte, bevor ich die Idee von den Chefs genehmigen ließ.

Den sonnigen Feiertag nutzten der Gatte und ich, um im Garten zu entspannen und in die völlige verwilderte grüne Oase mal wieder etwas Grund hereinzubringen - wir konnten Terrasse und Grünfläche ja vier Jahre nicht nutzen, weil Nachbarsjungs beides als Bolzplatz ansahen.

Jetzt sind die Hochbeete wieder als solche erkennbar und neu bepflanzt, ebenso die Palisade. Ich bin gespannt, ob und was wir ernten werden. Ich fürchte, die Weinstöcke haben den Winter nicht überlebt.

Das Vogelhäuschen wartet auf neue Mieter. Ich wollte dem Gatten ja nicht glauben, dass darin Meisen brüten, aber er hatte recht: Beim Reinigen fand ich ein Gelege mit einer verendeten Meise.

Selbstgemachter Meisenknödel in Kokosnussschale. 
Ich hab's auch endlich geschafft, Meisenknödel aus Vogelfutter und Rindertalg selbst zu machen und musste den Gatten schon zwei Mal daran hindern, sie nicht für Nussplätzchen zu halten und zu essen. Für ihn sehen sie appetitlicher aus als die Meisen, denn die gingen da noch nicht ran. Ich befürchte, unsere Meisen sind Veganer.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea - vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen in der vergangenen Woche berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

2 Kommentare:

  1. das klingt nach ganz großer Anstrengung! ich wünsch dir viel Kraft.
    Denise

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  2. ...klar, ich treffe mich wieder gerne hier zum Samstagsplausch - auch am Sonntag!

    Statt Schnuffelstück heißt es hier auf gut schwäbisch Maultäschle. Mit Interesse las ich die Odyssee in puncto Telefon. Ja, das ist inzwischen alles schwierig geworden. Geduld ist gefragt und Ausdauer, mit Kraft und Hartnäckigkeit.

    Bleib gesund und munter.

    Frühlingsfrohe Grüße aus Augsburg von Heidrun

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