Sonntag, 26. Januar 2025

Samstagsplausch KW 4/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXLXIV

Gestern kamen mit Karina Ariev, Liri Albag, Daniella Gilboa und Naama Levy vier junge Frauen aus 477 Tagen Geiselhaft frei. Die Hamas inszenierte eine Show, die auf vielen Ebenen einfach nur fragwürdig war, inszenierte die jungen Frauen, die in ihren Schlafanzügen und sichtbar misshandelt entführt wurden, als Soldatinnen auf großer Bühne. Egal, sie sind frei, vier Familien können aufatmen. Neunzig Familien hingegen müssen noch immer bangen. 

Als klar war, dass gestern vier Geiseln freigelassen werden sollten, war die Hoffnung groß, dass es die Familie Bibas ist. Absprache des Waffenstillstands war, dass zuerst die Zivilistinnen entlassen werden sollen, und die gestern Freigelassenen sind Soldatinnen. Die Hamas brach die Absprache genau wie sie die Absprache brach, bis gestern um Mitternacht eine Liste vorzulegen, aus der hervorgeht, welche der 90 Männer, Frauen und Kinder noch am Leben sind. Bring them home now gilt unvermindert, bis der letzte Mensch wieder zu Hause ist. Die Hoffnung, dass die Familie Bibas noch am Leben ist, ist sehr gering, eben weil sie nicht unter den ersten Freigelassenen waren.

Ansonsten hatte ich diese Woche reichlich Bewegung, denn der Gatte soll weiterhin möglichst wenig laufen. Also lief ich jeden Tag zwischen drei und fünf Kilometer, um Besorgungen für ihn zu erledigen: Arzt, Apotheke, beides jeweils mehrfach, weil es Verbandsmaterial nur gegen Papierrezept gibt, diverse andere Besorgungen ... Einmal ging der Gatte zur Apotheke. Er musste mal raus, bekam Lagerkoller. Verständlich. 

Morgen muss ich zum Hausarzt, um den vorläufigen Arztbericht vom Krankenhaus abzuholen. Ich hoffe, die Praxis schaffte es binnen einer Woche, den Bericht zu kopieren. Ich bekomme ja immer gerne von Ärzten zu hören, ich müsse mich einfach besser organisieren, dann wären Arbeit und Pflege gar kein Problem, aber die gleichen Ärzte werfen mir dann wieder Knüppel zwischen die Beide, in diesem Falle in Form von fehlenden Kopierern. Hätte ich geahnt, dass der Arzt den Kopierer in einem Sprechzimmer stehen hat, das über Stunden besetzt ist, wäre ich zum Copyshop gegangen. Nun, das nächste Mal weiß ich es. Den Arztbericht bekommt der Hausarzt natürlich auch vom Krankenhaus, aber Montag lag er angeblich noch nicht vor, und ich brauchte ein Rezept für ein Medikament, dass der Gatte bislang nicht bekam. Da ich das Medikament bekomme, war es da, war der Gatte damit versorgt, nur bekomme ich eine höhere Dosierung, war es abenteuerlich, die Tablette zu vierteln. In dem Zusammenhang lernte ich, dass der Hausarzt nur einmal am Tag alle eRezept freigibt, nämlich abends nach der Sprechstunde. Ich weiß jetzt also auch, dass ich erst einen Tag nach Bestellung zur Apotheke kann. Ich lerne stetig, mich besser zu organisieren. 

Vom Krankenhaus gab's eine Verordnung für einen Pflegedienst zur Wundversorgung, aber im gesamten Landkreis hat kein Pflegedienst Kapazitäten. So muss ich das also übernehmen. Für die knapp zwei Wochen zwischen den Krankenhausaufenthalten des Gatten lässt sich das hinbekommen, aber ich habe keine Ahnung, wie das nach der Amputation werden soll. Ich hätte ein besseres Gefühl, wenn eine Fachkraft die Wunderversorgung übernimmt, nur gibt es halt keine. Der Gatte müsste im Krankenhaus bleiben, bis der Sozialdienst einen Pflegedienst fand, aber das macht der Gatte nicht mit. Ich bin mild verzweifelt, zumal der Gatte nicht kooperativ ist, sicher immer wieder den Ärzten widersetzt. Aber ich weiß ja, ich muss nur lernen, mich besser zu organisieren, dann ist das alles kein Problem mehr.

Kommende Woche geht der Gatte wieder ins Krankenhaus. Er hat große Angst vor den Eingriffen, zumal ja auch mindestens eine Amputation ansteht, unklar ist, welchen Umfang sie haben wird, er nicht weiß, was auf ihn zukommt, ob er die OPs übersteht. Der Gatte ist niedergeschlagen, ich bin angespannt. Sobald er aus dem Krankenhaus wieder raus ist - hoffentlich den Umständen entsprechend fit und mit möglichst vielen Körperteilen - müssen wir unbedingt Patienten- und Vorsorgevollmacht sowie Bestattungsvorsorge angehen. 

Hier gilt seit mittlerweile 254 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so.

Wenn alles eh schon chaotisch und zu viel ist, kommt ja immer noch was obendrauf. So versuchen wir seit einem Vierteljahr, mit der neuen Autoversicherung zurande zu kommen. Normalerweise ist so ein Wechsel kein Problem, aber diesmal ist es einfach nur chaotisch. Wir bereuen den Wechsel schon, aber zur bisherigen Versicherung des Gatten waren es einige Hundert Euro Unterschied. Jetzt tauchen aber angeblich falsche Angaben auf, stimmen die Infos auf dem Fahrzeugschein und von der Zulassungsstelle nicht überein und und und. Es nervt einfach nur. 

Im Büro hatte ich das jährliche Mitarbeiter-Gespräch. Chefin schlug vor, dass ich jederzeit ohne Probleme von Zuhause aus arbeiten kann. Das ist eine große Entlastung, gerade in Wochen wie diesen, wo die Nächte des Gatten so unruhig sind, dass er oft erst gegen fünf Uhr morgens zur Ruhe kommt, ich maximal drei Stunden Schlaf bekommen, und die auch nicht am Stück. In dieser Situation dann nur Bescheid sagen zu müssen, dass ich zu Hause bleibe, und mich einfach umdrehen zu können, hilft sehr. Ansonsten ist einfach nur viel zu tun. Ich wurde gefragt, ob ich weitere Unterstützung brauche, aber das ist nicht notwendig, denn auf die Phasen, in denen viel zu tun ist, folgen ruhige Phasen. Meine Vertretung wird zudem immer selbstbewusster, sicherer und schneller. Da kann ich in drei Jahren beruhigt in Frührente gehen, wenn es sich finanziell ausgeht (und wenn der Gatte so lange durchhält, das muss ja auch immer mitgedacht werden).

Eine aus der Strickgruppe rief 100 Tage Wollfasten aus, und ich dachte, es ist eine nette Herausforderung, mitzumachen. Dummerweise wollen die Leucht-Hasen im Vorgarten für Ostern Möhrchenmützen haben, habe ich kein passendes Acrylgarn mehr. Grünes Baumwollgarn für das Möhrengrün der Ostergirlande fehlt ebenfalls. Jetzt wird's also sportlich. Ein Bluesky-Kontakt hat Acrylgarn übrig, und wir wollen uns zur Übergabe treffen. Ich bin gespannt. Geschenktes Garn ist ja kein gekauftes Garn. Mal gucken, was sich bei dem grünen Baumwollgarn ergibt. Einstweilen mag ich nicht mehr häkeln, zu frickelig. Stattdessen stricke ich Handschuhe für den Gatten, denn die Paare, die er hat, zerlegen sich inzwischen immer mehr. 

Ansonsten hadere ich damit, dass ich nicht planen kann. Den angedachten Bildungsurlaub im März konnte ich nicht machen, weil der Gatte da zu einer Untersuchung ins Krankenhaus muss. Heute lachte mich ein Bildungsurlab Ende Juni an, aber ich scheue mich, ihn zu buchen, weil ich nicht weiß, was mit dem Gatten ist, ob ich ihn eine Woche alleine lassen kann. Jede private Verabredung treffe ich unter Vorbehalt. Immerhin schaffte ich es bislang, meine Arzttermine und wichtige berufliche Termine einzuhalten. Vielleicht sollte ich privaten Terminen die gleiche Priorität einräumen, aber dann ginge bei Terminen des Gatten gar nichts mehr. Ach, ich muss einfach lernen, mich besser zu organisieren.

Schön ist, dass die Vögel langsam wieder in den Garten zurückkehren. Ich freue mich besonders über die Tipp-Ex-Amsel, wie der Gatte eine Amsel mit einem weißen Flügel nennt. Letztes Jahr starben ja einige Amseln, weswegen ich mich umso mehr über diese eine freue. Sie hat ihre festen Zeiten, zu denen sie uns im Vorgarten oder im Garten besucht. Wusstest du, dass Amseln bis zu 20 Jahre alt werden können? Diese Amsel begleitet uns schon seit dem Sommer 2022, als uns langsam bewusst wurde, dass wir ein Haus haben. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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