Montag, 23. Juli 2018

Gedenkplatte für den Feuersturm am Vera-Brittain-Ufer in Hammerbrook

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das braune Pack kündigte an, ab September 2018 wieder demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Für 'ne wöchentliche Demo sind's zu wenige. Mal gucken, wie lange sie den Wind, der ihnen von der demokratischen Mehrheit der Stadt entgegen weht, aushalten.

Blick auf den Mittelkanal mit dem Vera-Brittain-Ufer (links).
Vor 75 Jahren tobt der "Hamburger Feuersturm" über der Stadt. Hammerbrook gehört zu den Stadtteilen, die zwischen dem 25. Juli und dem 3. August 1943 dem Erdboden gleichgemacht werden. Mehr als 35.000 Menschen, darunter etwa 5.000 Kinder, sterben. Über 120.000 Menschen werden verletzt, eine Million Menschen flüchtet aus der Stadt.

Aufgrund der Seuchengefahr durch die vielen Toten, die unter den Trümmern nicht geborgen werden konnten, aber auch wegen der Einsturzgefahr von Trümmerwänden und der von Blindgängern ausgehenden Gefahr wird Hammerbrook zum Sperrgebiet.

Nach der Befreiung wird Hammerbrook zu einem Industrieviertel. Kanäle wurden mit Trümmern zugeschüttet und zu Straßen, die abends verwaist sind, weil hier kaum noch jemand wohnt. In den letzten Jahren wandelte sich der Stadtteil, wurde wieder lebendiger und grüner.


Blick zur Uferpromenade.
Eine der wenigen erhaltenen Wasserstraßen Hammerbrooks ist der Mittelkanal. Rechts und links des Ufers sind viele Bürobauten, und die dort Arbeitenden nutzen bei gutem Wetter gerne die Kaimauern, um dort die Mittagspause zu verbringen. 

So ist es gar nicht leicht, die Gedenkplatte, die 1993 zum 50. Jahrestag des Hamburger Feuersturms niedergelegt wurde, zu entdecken, einfach, weil sie meistens besetzt ist. Hamburg hat ein Händchen dafür, Erinnerungstafeln für die Zeit zwischen 1933 und 1945 so zu gestalten, dass sie sich sehr gut ihrer Umgebung anpassen ... Ich lief also ein paar Mal an der Platte vorbei, stöberte dann nochmal im Netz und kam dank Denkmal Hamburg auf die richtige Spur.

Die Uferpromenade an der Gedenkplatte ist benannt nach Vera Brittain, einer Engländerin, die 1944 mit der Streitschrift "Seed of Chaos. What Mass Bombing Really Means" vehement gegen die alliierten Flächenbombardements deutscher Städte, insbesondere Hamburgs, protestiert. Brittain wird aus den Erfahrungen als Krankenschwester im Ersten Weltkrieg zur überzeugten und kompromisslosen Pazifistin. Sie veröffentlicht zahlreiche Bücher und hält Vorträge.


Suchbild mit Gedenkplatte.
In der Nachkriegszeit bereist Brittain auch Deutschland, aber ihre Werke finden hier kein großes Echo. Soweit ich es feststellen kann, erscheint die Übersetzung ihres Hauptwerkes, "Testament of Youth", erstmals im September 2018 auf Deutsch (unter dem Titel "Vermächtnis einer Jugend*"), ist bis dato keines ihrer Werke ins Deutsche übersetzt. "Testament of Youth" ist Brittains Autobiographie, ihr in Großbritannien bekanntestes Buch. Es wurde in den 1970er Jahren als TV-Serie und vor drei Jahren auch für's Kino verfilmt.

Die Benennung der Uferpromenade nach der Pazifistin, Autorin und Feministin ist umstritten, denn alte und neue Nazis nutzen Brittains Pazifismus zur Täter-Opfer-Umkehr, vergessen, wer für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich ist. Klar, es ist immer leichter, Opfer zu sein, als Verantwortung für die Täterschaft zu übernehmen.


Die Gedenkplatte.
Ich denke, Brittain würde alten und neuen Nazis ordentlich die Löffel langziehen, ist sie doch der Ansicht, dass über allem die Menschlichkeit steht, wir in Europa alle in einem Boot sitzen und jeder von uns dafür verantwortlich ist, dass es nicht untergeht. Zudem sieht sie in der Entstehung der Nationalstaaten eine Ursache für Faschismus. Anstelle der nationalen Staatsgewalt müssten internationale Interessen treten; Europa müsse den Wert des Menschen wieder entdecken. 

Vera Brittain ist aktueller denn je.

Link zu einem Spiegel-Artikel aus 1947 zu Vera Brittain
Link zu einem Guardian-Interview mit Shirley Williams über ihre Mutter Vera Brittain

*Affiliate links zu Vera Brittain

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