Samstag, 4. April 2020

Samstagsplausch KW 14/20: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten III

Bei uns gilt weiterhin: Der Gatte fährt täglich zur Arbeit und erledigt auf dem Rückweg kleinere Besorgungen, während ich nach Möglichkeit zur Hause bleibe. Sonnabend waren wir zusammen einkaufen. Mittwoch musste ich wie vor zwei Wochen wieder zu dem Arbeitstreffen, bei dem es mit dem Mindestabstand schwierig ist, aber wir versuchten, so viel Abstand wie möglich zu halten. Donnerstag begleitete ich den Gatten zur Post und zur Schwiegermutter.

Montag war plötzlich Winter.
Die Straßen sind so leer, dass der Gatte morgens zehn Minuten später losfahren kann, und auch ich plane für meine Autofahrten quer durch die Stadt keine Stunde ein, sondern eine halbe - Mittwoch reichte das sogar für die Parkplatzsuche in Eimsbüttel, wo Parkplätze Mangelware sind.

Die Arbeit am Mammutprojekt ist merkwürdig, denn wir wissen immer noch nicht, ob es wie geplant umgesetzt wird. Wir können nur auf Sicht fahren. Meine Devise ist zurzeit "Life is all about how you handle plan B to Z". Momentan bin ich bei Plan G. Mal schauen, wie oft ich das Alphabet durchspielte, bis das Projekt in acht Wochen live geht (bzw. gehen soll).

Die Digitalisierung des Projektes hat's endlich durch das Nadelöhr der Beschaffungsstelle geschafft. Sobald ich den Kollegen, der maßgeblich daran beteiligt ist, leibhaftig wiedersehe, gibt's was Alkoholisches. Und mit dem Team, das die Digitalisierung umsetzt, werden wir sicher auch kräftig feiern, wenn wir uns wieder analog treffen können.

Ich sprach mit der Mitarbeiterin des Auftragnehmers, der die analoge Umsetzung übernehmen soll, um eine faire Regelung zu finden, falls wir doch noch kurz vor knapp die Reißleine ziehen müssen, und war sehr betroffen, als ich merkte, wie fertig sie war, weil ich eine faire Regelung für den Auftragnehmer suchte, weder stornieren noch Preise drücken wollte. Die wenigen Auftraggeber, die nicht stornieren, versuchen momentan, die Preise zu drücken, verlangen Rabatte, berichtete sie. Und dass sie sich Sorgen um ihre Arbeit macht, Kurzarbeit erwogen wird. Es gibt dieser Tage nur wenige, denen es anders geht.

Ich bin dankbar, so privilegiert zu sein, dass ich mir keine Sorgen um meinen Arbeitsplatz mehr machen muss. Das war bis vor sieben Jahren anders.

In der Krise zeigt sich nicht nur Charakter, sondern auch Irrsinn. Anfang März stand eine Frau in kompletter Schutzausrüstung inklusive Helm im Laden und schwadronierte davon, Corona sei eine Verschwörung der Illuminaten. Vorgestern sah ich eine Frau in Schutzkleidung auf der Straße, in der ausgestreckten Hand eine Sprühflasche mit Desinfektionsmittel. In regelmäßigen Abständen bedachte sie ihre Umgebung mit Sprühstößen. Okay, das macht man also mit den Hektolitern an Desinfektionsmitteln, die so hirnlos gekauft wurden.

Der Gatte ist seit Mittwoch in Kurzarbeit, und wie geplant, reduziere auch ich meine Arbeitszeit, soweit möglich, damit wir den Nachmittag für uns haben. Überstunden habe ich ja genug.

Kommenden Donnerstag will Mudderns Gesellschafterin sie wieder besuchen - mit Mundschutz, Handschuhen und so viel Abstand wie möglich. Die beiden vermissen sich, und Mudderns wird es gut tun, sie wiederzusehen. Sie schafft es bislang zwar, ihren Tag zu strukturieren und ist insgesamt guter Dinge, aber ihr fehlt einfach die persönliche Ansprache, die über unser tägliches Telefonat hinaus geht.

Schwiegermutter hingegen versinkt immer mehr in ihrer eigenen Welt. Gespräche oder Absprachen sind schwierig, nicht nur, weil sie ihre Hörgeräte nicht trägt. Ich hoffe, der Umzug in die Seniorenwohnanlage bringt Besserung. Allerdings ist momentan fraglich, ob und wie er stattfinden kann, denn coronabedingt ist die Anlage geschlossen. Diese Unsicherheit verstärkt Schwiegermutters Verunsicherung und sorgt für schlaflose Nächte. Auch macht ihr zu schaffen, dass sie momentan ihre Bridge- oder Englisch-Damen, Tante und eine Freundin nicht sehen kann. Einziger Kontakt neben dem Gatten ist die Putzfrau.

Was mir immer wieder auffällt, ist das völlige Fehlen von Kindern. Die Kinder aus der Siedlung sind ja sehr laut und sehr aktiv. An freien Tagen ist hier von morgens bis abends eine unwahrscheinlich laute Lärmkulisse von um die Häuser rennenden und spielenden Kindern. Durch's Treppenhaus bewegt sich von halb acht morgens bis Mitternacht eine (meist kreischende) Stampede. Und jetzt ist plötzlich Ruhe. Nur Mittwoch traf ich auf die beiden Kinder der Prügel-Party-Proleten über uns, als sie auf Rollern um den Block fuhren.

Mittwoch sah ich im Dorf auch ein Kind mit Tornister, sicher auf dem Weg in die Notbetreuung. In Eimsbüttel, wo ich Mittwoch war, sind deutlich mehr Kinder auf der Straße als hier. Donnerstag kamen wir zufällig an einer Schule vorbei, bei der Kinderzeichnungen an den Zaun gehängt wurden - mit Alles-wird-gut-Regenbögen. Das rührt, genauso wie die Gotteswort-Banner vor den Kirchen.

Ansonsten beschäftigt es mich immer wieder, ob ich Maske tragen soll oder nicht. Ich bin froh über jeden, der Maske trägt, kann mich selbst aber noch nicht überwinden, weil ich Panik bekomme, wenn mir etwas Mund und Nase bedeckt. Mal schauen, wie ich mich entscheide.

Mit großem Interesse habe ich den Artikel "Die Welt nach Corona" von Matthias Horx gelesen. Hoffen wir, dass vieles, was er beschreibt, eintritt.

Über's Einkaufen und Kochen in der vergangenen Woche berichte ich in der Kombüse. Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.

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